Man sollte es wahrscheinlich nicht so sagen, weil es in den Augen mancher wohl nicht der Political Correctness entspricht. Aber, dass die Eisenbahner am Montag dieser Woche gestreikt haben und dass zuvor die Metaller mit der Ankündigung eines "heißen Herbstes" spielten und lange um Lohnerhöhungen verhandelten, tat nachgerade gut angesichts der ewigen "Kopftuchthemen", die die heimische Politik beherrschen, seit Türkis-Blau am Ruder ist. Endlich wieder einmal "richtige" politische Themen, die in die öffentliche Diskussion kommen. Und nicht bloß Themen, die von anderen Problemen ablenken sollen. Oder wie der Chefredakteur einer großen Bundesländerzeitung treffend schrieb "Wenn der Hut brennt, kommt das Kopftuchverbot" und einen Leitartikel lang der Regierung attestierte, eine "Meisterin im Ablenken" zu sein.
Die Lohnverhandlungen bieten solchen mittlerweile nachgerade ungewohnten Stoff. Ob das Lohnniveau in Österreich zu hoch oder zu niedrig ist, darüber kann man vortrefflich streiten. Es gibt jede Mengen Statistiken und Meinungen, die für das eine sprechen, und jede Menge, die das andere stützen. Mit den heuer so kämpferisch geführten Lohnverhandlungen rückten aber auch wieder einmal die Lohnnebenkosten ins Scheinwerferlicht. Und über die kann man nicht streiten. Die nämlich sind kaum sonst wo so hoch wie bei uns. Und sie machen die Metaller trotz dem, was sie als ihren Verhandlungserfolg feiern, im Vergleich zu anderen Einrichtungen, die indirekt Nutznießer der Lohnverhandlungen sind, zu Verlierern.
"Der Durchschnittsmetaller, dem brutto 3,46 Prozent mehr zugestanden werden, bekommt nur 2,8 Prozent mehr aufs Konto", rechnete "Die Presse" dem kleinen Metallarbeiter vor, der versuchte, sich über den Verhandlungserfolg seiner Gewerkschafter zu freuen. "Der Arbeitgeber muss für diesen Durchschnittsmetaller um 1.641 Euro im Jahr mehr ausgeben, dessen Nettoeinkommen steigt aber nur um 716 Euro", weil die kalte Progression den Finanzminister auch noch über Gebühr mitschneiden lässt. Und als ob das noch nicht genug wäre, setzte man gleich noch nach: "Die Steuern und Abgaben, die er an Finanz und Sozialversicherung zu leisten hat, steigen aber um üppige 4,2 Prozent." Als ob man davon Abstand nehmen wollte, den Ärger nicht noch weiter zu steigern, verzichtete man gleichsam gnädigerweise darauf, darauf hinzuweisen, dass auch die Arbeiterkammerbeiträge wohl nicht niedriger werden würden.
Dem kleinen Metallarbeiter, respektive der Metallarbeiterin, muss es angesichts dieser Zahlen eigentlich die Tränen in die Augen treiben. Tränen der Wut und des Ärgers, sind doch die, die vorgeben sie zu vertreten, zu einem Gutteil dafür verantwortlich, dass es so ist, wie es nun ist. Dass sie weit mehr haben könnten, als sie tatsächlich haben. 1.641 Euro statt der 716, die es nun wirklich sind. Dabei haben ihre Partei und ihre Interessenvertreter jahrzehntelang in diesem Land das Ruder in der Hand gehabt und geschaltet und gewaltet, wie sie wollten. Und es ist nicht von der Hand zu weisen, dass just sie maßgeblich dafür verantwortlich sind, dass Österreich ein veritables Problem mit den hohen Lohnnebenkosten hat und bei den Lohnempfängern im Vergleich zu anderen Ländern netto ziemlich wenig vom brutto ankommt.
In die Pflicht ist aber auch die aktuelle Regierung zu nehmen. Nicht nur weil die Türkisen auch für die VP-Regierungsjahre Verantwortung tragen und damit auch dafür, dass wir ein Lohnnebenkosten-Problem haben, mitverantwortlich sind. In die Pflicht zu nehmen sind sie auch, weil sie bisher nichts unternommen haben, um dieses Problem zu lösen.
So wie die Regierung allem Anschein nach nicht nur bei den Lohnnebenkosten nicht hingreifen will, zögert sie auch, viele andere Probleme anzugreifen, an denen dieses Land seit Jahren und Jahrzehnten leidet. Man denke nur an die Generationenfrage und die Probleme mit der Zukunft der Pensionen und an manche andere.
Dort, wo Politik im klassischen Sinn gefragt ist, wo es Problemlösungen braucht, dort hat man auch nach einem Jahr im Amt nicht wirklich viel zu bieten.
Nicht zuletzt deshalb versucht man das Volk wohl lieber mit anderen Themen bei Laune zu halten. Wie schrieb der bereits zitierte Chefredakteur? "Dann wird wieder ein Zuckerl für die Allgemeinheit ausgepackt. Und schwuppdiwupp ist die leidige Geschichte aus dem Blickfeld."
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 29. November 2018
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