Mittwoch, 8. Januar 2020

Welche Landwirtschaft wollen wir?



Der „Green Deal“ der neuen EU-Kommission, die EU-Agrarreform, die neue Regierung in Wien: Die Bauern sind verunsichert. „Was will man von uns?“, fragen sich viele. Dabei hätte die Landwirtschaft sehr viel zu bieten, gerade in Sachen Klimaschutz.

Hans Gmeiner 


Salzburg. In Deutschland fuhren vor wenigen Wochen Tausende Bauern mit ihren Traktoren nach Berlin, weil sie sich von der Gesellschaft immer weniger verstanden fühlen. Auch in Österreich formiert sich abseits der Agrarpolitik eine ähnliche Bewegung. Das sind Zeichen, dass die Bauern unter Druck stehen. Sie sind verunsichert, weil sie nicht wissen, welche Landwirtschaft gewünscht wird. Dazu ist in vielen Bereichen die Preissituation angespannt, selbst in der Biolandwirtschaft rutschen in manchen Sparten die Preise, weil der Markt das Angebot nicht mehr aufnimmt.

Für die Bauern ist daher besonders spannend, wie sich der von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigte „Green Deal“ in der EU-Agrarreform auswirken und was die Beteiligung der Grünen an der Regierung in Österreich bringen wird. Dazu kommt, dass die für 2030 gesetzten Klimaziele fordernd sind, obwohl die CO2 -Emissionen der Landwirtschaft im Vergleich zum Verkehr und zur Industrie gering sind.

„Die Landwirtschaft erreicht mit Ach und Krach die Ziele für 2020“, sagt Franz Sinabell vom Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo). „Um die Ziele 2030 zu erreichen, muss man den Ausstoß massiv reduzieren.“ Die Stickstoffemissionen wie Ammoniak und das Treibhausgas Methan stehen dabei im Zentrum. Vor allem die Tierhalter müssen sich auf zum Teil massive Ausgaben gefasst machen. „Wenn man ernst nimmt, was auf die Landwirtschaft zukommt, bedeutet das Investitionen in emissionsmindernde Stallsysteme“, sagt Sinabell. Dabei kann der Trend zu modernen Haltungssystemen, auf den die Agrarier seit Jahren setzen, im Hinblick auf das Klima sogar kontraproduktiv sein. „Solche Systeme verringern nämlich die Emissionen nicht, sondern verstärken sie eher“, sagt Sinabell. „Die Anbindehaltung von Rindern ist in dieser Hinsicht günstiger.“

Ein zweiter wichtiger Beitrag, den die Landwirtschaft leisten könne, sei der verstärkte Einsatz von Biotreibstoffen. Der gilt nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch im Verkehr als Gebot der Stunde. Dort brächte eine Erhöhung des Ethanolanteils von fünf auf zehn Prozent wie in Deutschland markante Fortschritte. Die Erzeugung der dafür notwendigen Rohstoffe wäre für die Bauern nicht nur Belastung, sondern ein wichtiger Produktionszweig. Dass die Debatte „Tank-Teller“ wieder aufflammt, glaubt Sinabell nicht. „Die technische Entwicklung ist weitergegangen, die zweite Generation Biotreibstoffe, für die Holz die Rohstoffgrundlage ist, ist jetzt reif für die industrielle Produktion.“

Was die Landwirtschaft noch zur Rettung des Klimas bieten kann, läuft unter dem Schlagwort „Bioökonomie“, die als eine der großen Zukunftschancen gilt. Erst im November legte Österreich, deutlich später als Deutschland, einen Aktionsplan vor, der nachwachsende Rohstoffe im Kampf ums Klima in den Mittelpunkt stellt. Als „besondere Stärkefelder“ werden neben Biotreibstoffen und der Nutzung von Bioenergie natürliche Bau- und Dämmstoffe, Werkstoffe auf biogener Basis, der Holzbau, aber auch chemische Produkte genannt. Zentraler Teil der Strategie ist auch der bewusste Umgang mit Lebensmitteln und die Wiederverwertung von Abfällen. Große Sorgen macht Sinabell die Forstwirtschaft. „Der Übergang vom jetzigen Waldbestand zu einem klimafitten Wald ist ein Riesenthema“, sagt er. Ohne regulierende Maßnahmen werde es weder bei Treibstoffen noch bei Holz, bei Biokunststoffen oder in anderen Bereichen gehen. „Ineinandergreifen kann das nur, indem wir fossile Rohstoffe massiv teurer machen, sonst geht das nicht.“

In den vergangenen Jahrzehnten wurden die Hoffnungen der Landwirtschaft, mit nachwachsenden Rohstoffen ein zukunftsträchtiges Standbein zu bekommen, mehrfach enttäuscht. Diesmal könnte es anders sein. „Wir brauchen nicht nur Lebensmittel von der Landwirtschaft, sondern auch Rohstoffe, um fossile Energieträger zu ersetzen. Sonst ist die Abkehr vom Öl nicht zu schaffen“, sagt Sinabell.

Zur Erfüllung dieser Aufgaben seien eine leistungsfähige Landwirtschaft und agrarische Produktion vor Ort nötig. „Dazu braucht die Landwirtschaft die nötigen Werkzeuge wie etwa Pflanzenschutzmittel und auch Dünger.“ Statt Verboten hält Sinabell es für „vernünftiger“, sich im Pflanzenschutz an dem zu orientieren, was die EFSA, die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, befindet.

Denn oft tun sich Widersprüchlichkeiten auf, die die Bemühungen im Klimaschutz erst recht hemmen. „Wenn ich verschiedene Mittel nicht mehr zur Verfügung habe, kann ich treibstoffsparende Maßnahmen oft nicht mehr durchführen.“ Der Agrarexperte warnt davor, die Landwirtschaft in eine Richtung zu drängen. „Man kann Bauern nur dabei unterstützen, ihren Weg zu gehen, gleich ob in Richtung Rohstofferzeugung oder in Richtung bio und Spezialitäten.“ Die Landwirte müssten vor allem danach trachten, „dass sie wettbewerbsfähig bleiben, und sie sollen erwarten können, dass sie von der Politik nicht ausgebremst werden“, sagt Sinabell.


Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 8. Jänner 2020

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