Samstag, 5. Juni 2021

Bio: Nachfrage ist oft höher als das Angebot

 

Der Biomarkt wächst. Neue Weideregeln könnten das Angebot noch verknappen. Die Biobauern wollen ihre Chance nutzen.


Hans Gmeiner  

Salzburg. Zu Jahresbeginn feierte die Biobranche, dass ihre Produkte im Lebensmittelhandel erstmals einen Marktanteil von zehn Prozent erreichten. Nun, nach dem ersten Quartal dieses Jahres, liegt der Anteil sogar bei mehr als elf Prozent. Das freut auch die Bauern. „Im Prinzip haben wir in allen Segmenten ein tolles Wachstum mit zum Teil sogar zweistelligen Zuwachsraten“, sagt Hermann Mittermayr, Vermarktungschef bei Bio Austria, dem größten heimischen Biobauernverband. „Der Markt ist intakt, die Nachfrage teilweise größer als das Angebot, die Zeichen stehen klar auf Wachstum.“ Sogar auf dem Getreidemarkt, der in den vergangenen Jahren unter Überschüssen und schlechten Preisen litt, sei inzwischen ein Wendepunkt erreicht.

Die Sorgen der Politik und der Standesvertretung, dass sich Bioproduktion und Absatz nicht im Gleichklang entwickeln, und Vorhaltungen, dass man in manchen Bereichen bereits jetzt auf Exporte als Ventil angewiesen sei, die den Preisdruck auch im Inland erhöhen könnten, mag Mittermayr nicht teilen: „Märkte und Produktion haben sich noch nie auf Dauer parallel entwickelt, da müssten wir woanders daheim sein, aber dieses System gibt’s nicht mehr.“ Er hält wenig von Eingriffen in die Entwicklung der Märkte: „Es wird immer Schwankungen geben, damit muss man leben.“ Daher will er Gelegenheiten, die sich im Export auftun, nicht ungenutzt lassen. „Wenn ich sehe, wie ein Markt über Jahre wächst, muss ich chancenorientiert denken.“ Viele Verarbeiter sähen das so wie er. „Meine Aufgabe ist es, die Nachfrage zu befriedigen.“

Typisch dafür ist die Entwicklung bei Masthühnern in Deutschland. „Der dortige Markt wuchs in den vergangenen zwei Jahren um mehr als 60 Prozent, dort reißt man uns die Ware aus den Händen“, sagt Mittermayr. Aber auch die anderen Märkte, auf denen die heimischen Biobauern und die Verarbeiter unterwegs sind, entwickeln sich sehr gut. Bei Getreide gehen gut 50 Prozent der Ware ins Ausland, vorwiegend nach Deutschland und in die Schweiz. Bei Biomilch wird die Exportquote auf rund ein Drittel geschätzt. Viele Bauern liefern seit Jahren direkt an deutsche Molkereien. „Aber auch alle heimischen Molkereien sind mit Bioprodukten im Ausland präsent“, sagt Mittermayr. Als zukunftsträchtiger Markt gilt die Sojaproduktion, bei dem im Biobereich der Exportanteil bereits bei rund 25 Prozent liegt.

Die Biobauern dürfen sich über die Situation freuen. „Die Entwicklung ist grundsätzlich positiv, weil die Marktchancen intakt sind“, sagt der oberste Bio-Austria-Vermarkter. Ein „Turnaround-Jahr“ nennt er das heurige Jahr für die Getreidebauern. „Die Lager sind geräumt, der Markt und die Preise haben angezogen“, sagt Mittermayr. Auch der Milchpreis sei jetzt „nicht grundsätzlich schlecht“ und auch im Ausland seien die Preise gut. Und auch bei Fleisch sei die Nachfrage größer als das Angebot. Während Mittermayr bei Schweinefleisch von einem kontinuierlichen Wachstum spricht, sieht er bei Faschierfleisch hohe Wachstumsraten. Bei Mastrindern sei in Deutschland das Angebot längst verkauft.

Bei Milch und bei Rindfleisch könnte sich die Lage sogar noch weiter zuspitzen. Der Grund dafür ist die Verschärfung der Weideregeln im Zuge der neuen EU-Biovorschriften. Noch fehlen zwar die Verordnungen zur Umsetzung der neuen Regularien, aber in Kreisen der Bauernschaft rechnet man längst mögliche Szenarien durch. Je nachdem wie streng die neuen Regeln ausfallen, geht man davon aus, dass bis zu 20 Prozent der Rindfleisch- und Milchproduzenten aus Bio aussteigen müssen, weil sie die neuen Vorschriften nicht erfüllen können. „Für uns geht das dann darum, trotzdem den Markt versorgen zu müssen“, sagt Mittermayr.

Dieses Thema ist auch für die heimischen Molkereien sehr brisant, weil dadurch ihre Verarbeitungs- und Vermarktungsstruktur, aber auch das Preisgefüge bei den Bauernpreisen kräftig durcheinanderkommen können. Weniger Bioangebot von den Bauern bedeutet für sie automatisch mehr konventionell erzeugte Ware, weil der Großteil der Bauern weiter Milch liefern wird, auch wenn sie die Biokriterien nicht mehr erfüllen können. Da nimmt nicht wunder, dass die Molkereien mit Kopfschütteln verfolgen, dass sich die Politik nicht mehr für die speziellen Anliegen der österreichischen Biobauern bei den Regelungen für die Weidehaltung einsetzt.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 5. Juni 2021

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