Donnerstag, 24. Juni 2021

Umweltpolitik vergisst zu oft auf die Menschen

 

In Deutschland ist eine veritable Diskussion in Gang gekommen, weil der CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet und sein CSU-Kollege Markus Söder befinden, zu fliegen dürfe "kein Privileg von Reichen" werden. Für Erstaunen sorgte dieser Tage auch, dass die Schweizer in einer Volksabstimmung einer Verschärfung des ohnehin strengen CO2-Gesetzes und einer angeordneten Umstellung der Landwirtschaft auf Bio eine Absage erteilte, wohl weil man um Verteuerungen und Einschränkungen fürchtete. Und in Österreich wird die Landwirtschaft immer wieder kritisiert, weil sie den Green Deal der EU-Kommission nicht bejubelt und sich gegen immer neue Auflagen wehrt.

Schnell alteriert man sich in solchen Fällen über Sonntagsreden, die nichts mehr gelten würden, wenn man nur Wählerstimmen in Aussicht habe, man kritisiert die Differenz zwischen Schein und Sein und schimpft darüber, dass man, gleich ob Politiker oder Verbraucher, in die Knie gehe und alle Versprechungen, Bekundungen und Absichtserklärungen vergesse, sobald es ans Eingemachte, sprich, ans Geld und an Einschränkungen oder um Wählerstimmen gehe.

Freilich kann man darüber lästern und sich auch ärgern, und freilich kann man die Doppelmoral geißeln, die oft zu erkennen ist. Aber oft ist das doch nichts denn billig und oft entspricht es nicht der Realität. Handlungsbedarf in all diesen Feldern, sei es in der Umwelt, beim Artenschutz, beim Klima und Wasser oder auch in der Landwirtschaft sei gar nicht in Abrede gestellt. Aber es ist anzuerkennen, dass die Realität sehr viel vielschichtiger ist.

Das freilich spielt in der politischen Auseinandersetzung viel zu selten die Rolle, die ihr zustünde. Wie in vielen anderen Bereichen auch verstellen in der Umweltpolitik noch Jahrzehnte, nachdem Umwelt und Klima zum Thema wurden, Ideologie und Schwarzweißdenken den Blick auf Lösungen und die Bereitschaft, ebensolche zu finden.

Auch wenn die Problematik als solche mittlerweile in einem breiten Konsens anerkannt ist, ist Pragmatismus nicht hoch angesehen, wenn es darum geht, Klima und Umwelt zu retten. Da entstehen schnell Fronten, die mit Zähnen und Klauen verteidigt werden. Da geht es schnell hart auf hart. Niemand will dem anderen zuhören, weil er davon überzeugt ist, nur und ausschließlich selbst recht zu haben. Ein Kompromiss gilt schnell als Schwäche. Auf beiden Seiten. Da beharrt man allemal lieber auf Maximalforderungen und nimmt in Kauf, in der Sache gar nichts weiterzubringen.

Alte Ressentiments sind noch nicht überwunden, Feindschaften werden mitunter immer noch hingebungsvoll gepflegt, gegenseitiges Vertrauen und Wohlwollen gar gibt es immer noch nicht. Die Angst davor, über den Tisch gezogen zu werden und einen ungebührlich hohen Teil der Last schultern zu müssen oder hinters Licht geführt zu werden, überwiegt allemal. Das erzeugt schnell Misstrauen und hartnäckigen Widerstand. Die Sorgen der Landwirtschaft wegen der Folgen des Green Deals, den die EU plant, sind exemplarisch dafür. Der Widerstand ist verständlich, wird doch gerade, was Österreich betrifft, kaum berücksichtigt, was hierzulande bereits geschehen ist.

Da macht es nicht besser, wenn viele der Maßnahmen, die die Umwelt retten sollen, als nichts denn als ungebührliche Griffe in die Säckel der Steuerzahler empfunden werden, die aber nichts zu einer substanziellen Verbesserung der Probleme beitragen.

Die Umweltpolitik vergisst, das ist nicht zu übersehen, trotz aller Beteuerung immer noch viel zu sehr auf die Menschen, auf ihre Bedürfnisse und ihre Sorgen. Und darauf, wie sie mit all dem, was für die Umwelt gut sein mag, umgehen können. Auf den Pendler, der auf sein Auto angewiesen ist, auf den Bauern, der gute Erträge auf den Feldern braucht, auf den Gewerbetreibenden, der schon viel umgesetzt hat, der sich aber von immer neuen Auflagen überfordert fühlt.

Immer nur zu hören, es sei "Fünf vor Zwölf" und jeder habe seinen Beitrag zu leisten, greift da zu kurz. Schon gar, wenn diese Zurufe aus einer Welt kommen, die nichts mit der Lebenswelt der Betroffenen zu tun hat. Es sind das Augenmaß, das viel zu oft fehlt, und die Überzeugung, dass ein Kompromiss oft schneller Fortschritte bringen kann als ein Beharren auf Positionen, die doch nur Blockaden erzeugen und Verzögerungen. Oft, weil man vergisst die Menschen mitzunehmen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 24. Juni 2021

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

 
UA-12584698-1