Montag, 21. Juni 2021

Ist gentechnikfrei bald zu teuer?

 

Die Bauern ächzen unter stark gestiegenen Betriebsmittelkosten. Weitgeben können sie die Mehrkosten kaum.

Hans Gmeiner  

Salzburg. Der enorme Anstieg vieler Betriebsmittelpreise wird für die Bauern zunehmend zum Problem. Vor allem bei Futtermitteln gingen die Preise in den vergangenen Monaten regelrecht durch die Decke. Gentechnikfreier Sojaschrot kostet heute gut 850 Euro je Tonne, fast doppelt so viel wie noch vor einem Jahr. Die Preisdifferenz zu gentechnisch verändertem Sojaschrot schnellte von 100 bis 140 Euro auf nunmehr 400 Euro je Tonne.

Besonders zu schaffen macht diese enorme Verteuerung des wichtigsten Eiweißfuttermittels der heimischen Geflügelwirtschaft, die sich zur ausschließlichen Verfütterung von gentechnikfreiem Soja verpflichtet hat. „Der Handel zahlt das nicht“, heißt es aus der Branche. Die Eierproduzenten „fahren im Minus“, wie man formuliert, die Schlachtbetriebe, die für ihre Vertragsbauern den Futtermittelkauf abwickeln, seien „am Ende“. „Der Preisunterschied ist wirtschaftlich nicht mehr darstellbar“, sagt Helmut Feitzlmayr von der Landwirtschaftskammer Oberösterreich.

Auch die Milchbauern, die sich ähnlich wie die Geflügelhalter zu GVO-freier Produktion verpflichtet haben, leiden unter den Kostenerhöhungen. Molkereisprecher Helmut Petschar fordert vom Handel höhere Preise. „Es kann nicht sein, dass Mehraufwendungen nicht abgegolten werden.“

Das könnte weitreichende Folgen haben. Mittlerweile sind die Sorgen so groß, dass manche bereits die gentechnikfreie Produktion von Eiern und Geflügelfleisch in Gefahr sehen. „Wir stehen knapp davor, dass wir sagen müssen, wir müssen von der Gentechnikfreiheit unter Umständen abgehen“, sagt etwa Rupert Bauinger, Chef des Futtermittelherstellers Fixkraft, eines der wichtigsten Lieferanten für die heimische Geflügelbranche.

Aber nicht nur die Geflügelhalter und die Milchbauern haben zu kämpfen. „Alle Bereiche, die auf Fremdfutterzukauf, etwa auch Schweinehalter, angewiesen sind, sind massiv betroffen“, sagen Marktkenner wie Bauinger. Denn auch Mais oder Gerste kosten derzeit knapp vor der neuen Ernte fast doppelt so viel wie vor einem Jahr. „Die Tierhalter sind schwer unter Druck, machen die Futterkosten doch rund zwei Drittel der variablen Kosten aus“, bestätigt auch Ökonom Franz Sinabell vom Wifo.

Unter Druck geraten aber auch die Bauern in anderen Produktionszweigen. Für sie alle bedeutet allein der Anstieg der Dieselpreise um rund 20 Prozent binnen Jahresfrist eine nicht unbeträchtliche Belastung. Auf die Ackerbauern etwa kommen zudem massive Preiserhöhungen bei Dünge- und Pflanzenschutzmitteln zu, die einen großen Teil der Preiszuwächse bei Getreide, Mais, Raps und Soja wieder auffressen. Der Preis für Stickstoffdünger wird von 210 Euro je Tonne im Vorjahr heuer in Richtung 280 Euro je Tonne steigen, die Phosphorpreise haben sich bereits verdoppelt und auch bei Kali zeigt die Preiskurve steil nach oben. Große Sorgen machen auch die Erhöhung der Baukosten und des Bauholzes sowie die Preissteigerungen bei Landtechnik, bei denen die hohen Stahlpreise durchschlagen.

Die zusätzlichen Kosten konnten die Bauern bisher nicht nur bei Geflügel und Milch noch kaum in den Preisen für ihre Produkte unterbringen. Wie weit das gelingt, hängt nach Einschätzung von Franz Sinabell von Verträgen und von der Verhandlungsposition ab. Und die sei schwierig, sagt er und macht den Bauern keine großen Hoffnungen. „Wenn man in einer vertikalen integrierten Produktion ist wie die Landwirtschaft, ist der Spielraum nicht so groß.“ Daher bekamen die Konsumenten bisher noch nicht viel zu spüren. Zumindest bei Sojaprodukten wie Tofu, Sojamilch oder Fleischersatz auf Sojabasis, die aus GVO-freiem Soja hergestellt werden, oder bei Rapsöl könnte das freilich bald anders sein. „Irgendwann wird das wohl teurer werden“, sagt Sinabell.

Weil sich in manchen Bereichen wie bei gentechnisch verändertem Soja, aber auch bei Weizen und Mais die Kurse zuletzt wieder etwas abgeschwächt haben, gehen manche Marktbeobachter davon aus, dass sich die Lage möglicherweise bald zumindest wieder etwas entspannen könnte. Einig ist man sich aber, dass die Preise auch nach der neuen Ernte hoch bleiben werden.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 21. Juni 2021

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