Im kleinen Österreich gibt es nicht wirklich viele Unternehmen, die auch auf internationalen Märkten von Bedeutung sind. In der Regel ist man stolz auf sie und wird nicht müde ihre Wichtigkeit zu loben. Die Düngersparte der OMV-Tochter Borealis, im Wesentlichen die ehemalige Agrolinz, ist ein solches Unternehmen. 2000 Mitarbeiter, Werke in Linz und im Ausland, in denen jährlich mehr als vier Millionen Tonnen Düngemittel und technische Stickstoffprodukte darunter auch AdBlue erzeugt werden. Das Unternehmen zählt zu den Top drei der Stickstoffdüngererzeuger in Europa und ist Österreichs einziger Produzent von agrarischen Betriebsmitteln von internationalem Rang – gerade jetzt nicht unbedeutend, möchte man meinen.
Der Borealis
aber passt die Düngersparte nicht mehr ins Konzept. Soll sein. Nachdem im März,
unmittelbar nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine, der Verkauf an ein
Unternehmen im Einflussbereich eine russischen Oligarchen unangebracht schien
und an politischen Widerständen scheiterte, fand man nun einen neuen Abnehmer.
Der tschechische Agrofert-Konzern des umstrittenen ehemaligen
Ministerpräsidenten Andrej Babiš wird die Düngersparte der Borealis übernehmen und damit Agrofert zur europäischen Nummer zwei unter den
Düngerherstellern und zum Quasi-Monopolisten bei Ad Blue machen.
Anders als
es um den Verkauf an einen russischen Oligarchen ging, hält sich diesmal die
Aufregung im Land aber in Grenzen. In sehr engen Grenzen. Die Medien reagierten
kaum. Die Politik reagierte gar nicht, schon gar nicht die Wirtschaftspolitik.
Einzig aus dem agrarischen Umfeld gab es einige Stellungnahmen. Meist aber auch
nur ausweichend. Wenn überhaupt. Nichts vom Landwirtschaftsminister, nichts vom
Kammerpräsidenten. Nein, von niemandem aus Oberösterreich wie man meinen
möchte, sondern nur der wahlkämpfende niederösterreichische
Landeshauptfraustellverteter und Bauernbundobmann ließ seinem Ärger freien Lauf
und setzte juristisch Hebel in Bewegung. Eine breitere Diskussion, außerhalb
der Landwirtschaft gar, brachte aber auch er bisher nicht auf den Weg.
Dabei redete
Finanzminister Magnus Brunner noch im Mai davon, dass es „keinen Ausverkauf von
wichtiger Infrastruktur“ geben dürfe, als es um die Funktürme der A1 Telekom
ging. Zum Borealis-Deal aber nie ein Wort, so als ob die Produktion von Dünger
nicht zur wichtigen Infrastruktur zählt. Zumal in Zeiten wie diesen. Nicht nur
vom Finanzminister, in dessen Zuständigkeit die Bundesbeteiligungen fallen, war
nichts zu hören von der strategischen Bedeutung einer Produktion wie jener von
Dünger für die Landwirtschaft und damit für die Sicherung der Ernährung und
Selbstversorgung. Auch nicht vom Wirtschaftsminister. Von niemandem.
Hohl klingen
vor diesem Hintergrund die Sonntagsreden, Versprechungen und Beteuerungen von
den so gerne beschworenen eigenen Stärken, von der wirtschaftlichen
Selbstständigkeit, die ja gerade nun so wichtig geworden sei, von der
Selbstversorgung und von der Bedeutung einer starken Wirtschaft und Industrie.
Mit Verlaub - Industriepolitik, verantwortungsvolle zumal, schaut anders aus
als Achselzucken, wegducken und totschweigen.
Der Deal
wirft viele Fragen auf. Auch wenn die Borealis ihrer Sicht verantwortlich
handeln mag, stellt sich für viele Beobachter doch die Frage nach Sinn und
Bedeutung von staatlichen Beteiligungen an Unternehmungen. Wann, wenn nicht in
diesem Fall, wäre danach zu fragen, wenn man Beteiligungen der öffentlichen
Hand an Grund- und Schlüsselindustrien für strategisch wichtig hält.
Vor allem
wirft er auch Fragen nach der Qualität des politischen Personals auf. Die
heutige Generation der Politik ist offenbar nicht im Stande und nicht einmal
Willens, in solchen Fällen Strategien zu entwickeln oder gar Lösungen
aufzustellen. Es fehlt an Ideen und Durchsetzungskraft, wenn konkrete Politik abseits
von Sonntagsreden nötig wäre. Ganz egal ob eine österreichische Lösung
überhaupt möglich wäre, man hat erst gar nicht versucht eine zusammenzubringen.
Man schafft es nicht einmal das Thema in die öffentliche Diskussion zu bringen.
Lieber, so
scheint es, duckt man sich ob des eigenen Unvermögens oder der Bequemlichkeit
wegen weg und schweigt und frönt lieber Betriebsbesuchen und
Versammlungsauftritten, um für die Social-Media-Seiten schöne Bilder zu
bekommen - statt Politik zu machen, wenn Politik nötig wäre.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 7. Juli 2022
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