Mittwoch, 13. Juli 2022

Statistik täuscht über Lage der Bauern hinweg

Auch wenn der Minister etwas anderes sagt: Der Strukturwandel in der Landwirtschaft beschleunigt sich.


Hans Gmeiner 

Wien. Nach einem Rückgang um 20 Prozent zwischen den Jahren 2000 und 2010 ist die Zahl der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe zwischen 2010 und 2020 nur mehr um 11 Prozent (auf 154.600) gesunken. „Es ist gelungen, den Agrarstrukturwandel einzudämmen. Die agrarpolitischen Maßnahmen wie das Umweltprogramm Öpul oder die Bergbauernförderung wirken“, schloss daraus Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig Dienstag bei der Präsentation der Ergebnisse der jüngsten Agrarstrukturerhebung der Statistik Austria.

Wenn man die Statistik so interpretiert wie der Minister, kann man zu dieser Meinung kommen. Sie täuscht aber über die tatsächlichen Entwicklungen hinweg und kann zu falschen Schlüssen führen. Denn die Realität ist vielschichtiger.

In dieser Zahl sind nämlich rund 40.000 reine Waldbesitzer und Forstbetriebe enthalten. Bei den rein landwirtschaftlichen Betrieben, also den Betrieben, die man gemeinhin unter Bauern versteht und die von der Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Flächen und von der Nutztierhaltung leben, bietet sich ein ganz anderes Bild. Denn da kann keine Rede davon sein, dass es gelungen sei, den Strukturwandel einzudämmen. Auch wenn Anpassungen in der Statistik einen ganz genauen Vergleich der beiden Dekaden nicht ermöglichen, ist unstrittig, dass sich in der Landwirtschaft selbst der Strukturwandel eher verschärft hat. Betrug das Minus zwischen 1999 und 2010 bei diesen rein landwirtschaftlichen Betrieben, die Ausgleichszahlungen von AMA und EU beziehen, gut 15 bis 20 Prozent, so beschleunigte sich der Rückgang der Zahl der Betriebe in den darauffolgenden zehn Jahren auf mehr als 20 Prozent. Rund 110.000 Betriebe weisen Agrarstrukturerhebung und AMA für 2020 aus.

Am stärksten ging die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe übrigens im Osten Österreichs, im Burgenland und in der Steiermark, zurück. Dort betrug das Minus mehr als 15 Prozent. In den westlichen Bundesländern hingegen war der Strukturwandel deutlich langsamer. In Salzburg etwa ging die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe um nur knapp 5 Prozent zurück.

Auch in anderen Bereichen der Landwirtschaft gab es in den vergangenen Jahren markante Veränderungen. Dass sich die durchschnittliche landwirtschaftliche Fläche je Betrieb von 18,8 auf 23,6 Hektar vergrößerte, spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Viel weitreichender ist, dass es im vergangenen Jahrzehnt Zuwachsraten nur mehr bei Betrieben in der Größenordnung ab 50 Hektar gab. Die Zahl der Betriebe zwischen 50 und 100 Hektar wuchs um 31 Prozent, die Zahl der Betriebe zwischen 100 und 200 Hektar gar um 36 Prozent. Dennoch sind bei uns 93 Prozent der Betriebe familiengeführt.

In der Tierhaltung fällt besonders der Rückgang des Gesamtbestandes bei Schweinen innerhalb des vergangenen Jahrzehnts um 14 Prozent und bei Rindern um 8,6 Prozent auf. Im Schnitt stehen in Österreichs Ställen heute mit 112 Schweinen und 34 Rindern zwar wesentlich mehr Tiere als zehn Jahre zuvor. Im internationalen Vergleich ist man dennoch klein. In deutschen Ställen stehen im Schnitt 85 Rinder und 1300 Schweine. Ein Schweineproduzent in den Niederlanden hält 3400 Tiere im Schnitt.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 13. Juli 2022

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