Montag, 29. August 2022

Bauern wollen fair behandelt werden

Trotz oft besserer Preise hadern auch die Bauern mit der Teuerung. Und mit immer höheren und kostspieligeren Standards, die verlangt werden. „Wer das will, muss es auch bezahlen“, sagt Bauernbundpräsident Georg Strasser.

Hans Gmeiner 

Die Politik greift den Bauern mit einem Hilfspaket unter die Arme. Der Bauernbundpräsident will Handel und Konsumenten dennoch nicht aus der Pflicht entlassen.

SN: Die Milchpreise sind hoch wie nie, ebenso die für Getreide, die Schweinepreise erholen sich. Geht es den Bauern gut? 

Georg Strasser: Bessere Preise allein machen das nicht aus. Auch die Landwirtschaft ist von einer massiven Teuerungswelle betroffen. Zur Abfederung der gestiegenen Betriebsmittelkosten werden vor Weihnachten im Durchschnitt 1000 Euro pro Betrieb ausgezahlt werden. Damit soll sich das Wirtschaften als Familienbetrieb rentieren und die Lebensmittelversorgung sichergestellt werden.

Die Bauern sind zufrieden? 

Dieses Paket ist das eine. Der zweite Teil ist, dass es in einigen Produktgruppen wie bei Putenfleisch Preisanpassungen geben muss, weil die Preise nicht kostendeckend sind. Da sind wir noch in Verhandlungen.

Dieses Anliegen richtet sich an den Handel? 

Das richtet sich an die Handelsketten und die Konsumenten, weil nicht nur in Normaljahren, sondern auch jetzt in der Krise Fairness entlang der Wertschöpfungskette notwendig ist. Aktuell spüren wir, dass Konsumenten lieber zum preiswerteren Lebensmittel greifen.

Gibt es weitere Wünsche? 

Im Herbst werden uns vor allem die Strompreise fordern. Die Merit-Order, die in den vergangenen 20 Jahren die Höhe des Strompreises bestimmte, läuft derzeit völlig aus dem Ruder. Es ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, wo wir uns neue Modelle der Preisfindung überlegen müssen. Verschärft sich die Situation weiter, werden alle bisher beschlossenen Ausgleichszahlungen und Hilfen nicht reichen. Die EU ist gefordert.

Hat sich das Verständnis für die Landwirtschaft durch den Ukraine-Krieg und die Pandemie geändert? 

Bei den Menschen ist die Wertschätzung für die Land- und Forstwirtschaft gewachsen. Das hat in der Pandemie mit einer verstärkten Nachfrage nach regionalen Lebensmitteln begonnen. Jetzt, wo gewisse Güter teurer werden, wird eine sichere Versorgung wichtiger.

In den vergangenen Wochen bestimmte dennoch über weite Strecken die Tierhaltung, respektive das Tierwohl, die öffentliche Diskussion. Haben die Bauern das Thema zu lang nicht ernst genommen? 

Es wurde eine Lösung für ein Aus der Anbindehaltung bei Milchkühen und auch für die Vollspaltenböden in der Schweinehaltung gefunden. Das ist das eine. In Zeiten wie diesen stellt sich jedoch die Frage, wie wir unseren Weg in der Qualitätsproduktion weitergehen werden. Große gesellschaftliche Forderungen nach einem möglichst hohen Tierwohlstandard sind zu wenig. Wer Tierwohl will, muss es auch bezahlen. Jetzt ist die Solidarität der Verarbeiter des Handels und der Konsumenten gefragt. Mit dem Handel laufen Gespräche darüber, wie wir die Qualitätsproduktion Österreich bei Pute und Schwein rentabel weiterentwickeln können. Dort ist der Druck besonders groß.

Hat die Bauernvertretung ein Glaubwürdigkeitsproblem? Die Bauern scheinen sich immer schwerer zu tun, in der Öffentlichkeit ihre Positionen zu erklären und durchzusetzen. 

Ich teile diesen Eindruck nicht. Genauso wie die der NGOs finden auch unsere Botschaften in der Öffentlichkeit Gehör, es gibt immer wieder eigene, nennen wir es: Aktivbotschaften. Ich sehe die Kommunikation von Marktmaßnahmen und die Weiterentwicklung des AMA-Gütesiegels als wichtigstes Zukunftsprojekt.

Oft aber kommt der Anstoß bei Agrarthemen wie Tierwohl nicht aus der Bauernschaft? 

Das sehe ich nicht so. Viele Themen kamen aus der Bauernschaft – etwa die Biobewegung, auch die Entwicklung des AMA-Gütesiegels. Bauernbund, Kammern und Verbände sind dabei oft federführend.

Das neue Agrar-Umweltprogramm ÖPUL sorgt bei den Bauern für Unruhe. Vor allem Acker- und Biobauern haben Probleme mit den Begrünungsauflagen

In diesen Tagen werden letzte Details mit der Kommission geklärt, da gehört dieses Thema dazu. Man arbeitet an einer Klarstellung. Unsere Ziele sind mehr Praxistauglichkeit und eine hohe Teilnahmequote am ÖPUL.

Das ÖPUL gilt als Bürokratiemonster, 1300 Seiten stark. Vor jeder Agrarreform wird eine Vereinfachung versprochen, dann werden die Vorschriften noch komplizierter

Wir leben leider in einer bürokratischen Welt. Über Programme erbringen wir Bauern unsere Leistungen und für diese Leistungen wollen wir auch finanzielle Abgeltung. Und wir wollen, dass dieses Geld möglichst direkt auf die Höfe kommt. Das gelingt sehr gut. Für Umweltleistungen gibt es nach der Agrarreform ab 2023 insgesamt mehr Geld als vorher. 

Die Freigabe von Brachflächen zur Produktion stößt auf Kritik. Und dass sich Bauern gegen den Green Deal wehren, wird außerhalb der Landwirtschaft oft schwer verstanden

Die Landwirtschaft steht zu den Klima- und Umweltzielen der EU. Das ist klar. Aber in Zeiten, in denen Rohstoffe und sogar oft Lebensmittel aus globaler Sicht knapp werden, muss diese EU-Strategie hinterfragt werden, weil mit dem Green Deal die Lebensmittelproduktion in Europa nachweislich sinken wird.

Die Landwirtschaft hat als einer der wenigen Wirtschaftszweige die CO2-Belastung gesenkt – seit Mitte der Neunzigerjahre um gut 16 Prozent. Seit Jahren gibt es kaum mehr einen Rückgang. Wieso? 

Die CO2-Emissionen im Verkehr sind im gleichen Zeitraum um 50 Prozent gewachsen. Im Vergleich kann sich der Rückgang der Emissionen aus der Landwirtschaft sehen lassen. Aber klar, wir dürfen uns darauf nicht ausruhen. Darum werden wir über unsere Programme der gemeinsamen Agrarpolitik weiter an der Kreislaufwirtschaft, am Humusaufbau und am Erosionsschutz arbeiten. Und nicht zu vergessen – wir setzen bei der Energie auf Projekte wie Holz- oder Biogas aus Reststoffen, um in der Landwirtschaft klimaneutral zu werden.

Die Energieproduktion war immer eine Perspektive für die Landwirtschaft. Ausgerechnet jetzt scheint man auf der Bremse zu stehen. Selbst der Nutzung von minderwertigen Flächen für Photovoltaik steht man ablehnend gegenüber. 

Photovoltaik ist ein wichtiges Thema. Wir haben einen klaren Stufenplan. Vor dem Hintergrund der Versorgungssicherheit bei Lebensmitteln und des Bodenverbrauchs gilt: Photovoltaik zuerst auf Dächern, dann auf versiegelten und minderwertigen Flächen. Erst danach soll unter Umständen in Kombination mit Tierhaltung oder auch pflanzlicher Produktion die sogenannte Agrarphotovoltaik erfolgen.

Und Biotreibstoffe?

Die sind ein wichtiger Faktor. Mit der Ethanolproduktion der Agrana in Pischelsdorf wird ein großer Beitrag geleistet. Potenzial birgt auch Biodiesel. Aber der Koalitionspartner ist da oft verhalten. Es braucht mutigere Schritte des Umweltministeriums, um diese Projekte weiter zu forcieren.

Georg Strasser (*1971): Der gebürtige Niederösterreicher und studierte Lebensmittelbiologe ist seit 2017 Präsident des ÖVP-Bauernbunds und sitzt seit 2013 im Nationalrat.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 29. August 2022

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