Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie und des Ukraine-Krieges werden immer deutlicher. Direkt und in der eigenen Brieftasche. Vor allem die Teuerung macht den Menschen Sorgen. Die Wohlstandsverluste, von denen die Wirtschaftsforscher seit geraumer Zeit reden, werden spürbar und erreichen den Mittelstand. Verunsicherung macht sich breit und Sorgen, Ängste auch, und mitunter sogar Panik. Es geht sich nicht mehr alles aus, woran man sich so sehr gewöhnt hat. Für nicht wenige. Und für immer mehr. Aber nicht für so viele, wie manche glauben machen wollen und schon gar nicht in jener Heftigkeit, die zuweilen wortreich beschrieben wird.
Die Zeitungen sind mit einem Mal voll von Reportagen. Über Sorgen um die warme Wohnung im Winter wird seitenweise geschrieben und über die neuen Strompreisvorschreibungen. Mütter werden zitiert, die klagen, "Kirschen für die Kinder" gingen sich "nicht mehr aus", und es heißt, "neues Spielzeug oder ein spontaner Ausflug mit dem Auto -geht alles nicht mehr". Zuweilen drängt sich der Eindruck auf, im ganzen Land herrscht ein Wettbewerb, wem es schlechter geht und wer ärmer dran ist. Und alle machen mit. Oft mit Inbrunst und oft aus nicht ganz lauteren Motiven. Vor allem nicht manche Politiker, Parteien, Interessenvertretungen und Medien.
Dabei wird zuweilen auf hohem Niveau gejammert und da wird nach Kräften Neid geschürt. Die, denen es wirklich schon schlecht geht, sind dabei noch die leisesten. Zu hören sind vor allem die, die sich davor fürchten, dass es schlechter gehen könnte. Vorsorglich gleichsam und um ja nicht zu kurz zu kommen. Man kennt das in Österreich.
Auch wenn es vielen in der derzeitigen Situation nicht opportun scheint davon zu reden, das alles passt nicht so recht zu den ausgebuchten Flügen, den vollen Einkaufsmeilen und Lokalen und den Staus auf den Autobahnen.
Bundespräsident Van der Bellen liegt doch wohl nicht ganz so verkehrt, wenn er sagt, "Mit Angst allein oder mit Sorgen ist noch keine Krise beseitigt worden" und empfiehlt "Zähne zusammenbeißen, es wird schon irgendwie gehen".
Der Bundespräsident machte sich damit nicht nur Freunde. Genauso wenig wie die Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm, die sich mit den Pensionisten dieses Landes anlegte. "Kindern bringt man bei, nicht mehr auszugeben, als sie haben -auch als Staat kann ich nicht unendlich Schulden machen -das fällt der Generation auf den Kopf, die jetzt gerade die Schulbank drückt", sagte sie zu den Forderungen mancher Seniorenund Pensionistenverbände, die Pensionen um zehn Prozent anzuheben -mit einer Klarheit, die man von Politikern dieses Landes nicht gewohnt ist, schon gar nicht von solchen, die in Verantwortung stehen.
Äußerungen wie diese mag man kritisch sehen, aber sie tun wohl in einer Zeit, in der sich das populistische Hochlizitieren von Wünschen und Forderungen breitmacht, losgelöst meist von der Realität und getrieben von politischen Interessen, die sich nicht nach tatsächlichen Notwendigkeiten orientieren, sondern oft ausschließlich daran, Applaus zu bekommen und ja nicht zu kurz zu kommen, und weil man meint, seine politische Klientel bedienen zu müssen.
Die Lage ist so ernst, wie es unsere Generation noch nie erlebt hat. Man muss sich um so viele Menschen und Gruppen Sorgen machen, wie noch selten zuvor. Und es werden wohl auch so viele wie kaum je zuvor in der nächsten Zeit Hilfe und Unterstützung brauchen. In diesem allerorten anhebenden Geschrei aber drohen gerade jene Menschen und Gruppen unterzugehen und zu den Draufzahlern zu werden, die Hilfe wirklich brauchen. Dass die Regierung bisher bereits Milliarden gegen die Teuerung und die Folgen der Pandemie unter die Leute brachte, wurde bisher kaum wahrgenommen. Und schon gar nicht gewürdigt. Das ist durchaus als Zeichen dafür zu nehmen, dass es für die, die es wirklich brauchen, zu wenig war, und dass es denen, die genug hätten, gar nicht aufgefallen ist.
Genau dort sollte angesetzt werden. An der Treffsicherheit der Maßnahmen. Denn in der aktuellen Lage könnte sich schnell etwas zusammenbrauen. Nicht nur populistische Politiker wie Kickl, sondern auch viele in den anderen Parteien, aber auch manche Zeitungen, rühren schon an einem gefährlichen Mix aus Teuerungsängsten, Corona-Ärger, Neid und Unverständnis für die Sanktionen gegen Russland - der in der Sache nichts bringt, aber ein hochbrisanter Sprengstoff nicht nur für die Politik, sondern für die ganze Gesellschaft ist.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 1. September 2022
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