Samstag, 4. Februar 2023

Austria Juice – alles andere als ein Saftladen

Apfelsaftkonzentrat war bisher die Domäne des Weltmarktführers. Nun erobert man mit Aromen neue Märkte.

Hans Gmeiner

Kröllendorf. Es ist eine der beeindruckenden Erfolgsstorys der heimischen Wirtschaft. Vor neunzig Jahren gründeten Bauern im niederösterreichischen Kröllendorf eine kleine Genossenschaft, um ihr überschüssiges Obst zu verwerten. Heute ist dort der Sitz der Austria Juice. Das Joint Venture der Agrana und der Raiffeisen Ware Austria ist inzwischen einer der drei größten Erzeuger von Fruchtsaftkonzentraten weltweit. Allein in Kröllendorf werden heute nicht nur 50.000 Tonnen Äpfel pro Jahr verarbeitet.

Von dort aus wird auch das ganze internationale Geschäft abgewickelt – inklusive Containern, die bis nach Japan, Südamerika und Südafrika gehen. Gut 290 Millionen Euro Umsatz wird das Unternehmen heuer machen. 1000 Mitarbeiter stehen inzwischen in den insgesamt 14 Produktionsstandorten von Österreich, über Ungarn, Polen, Rumänien, Russland und der Ukraine bis nach China auf der Gehaltsliste. 700.000 Tonnen Äpfel, Birnen und Beerenfrüchte werden jährlich zu 200.000 Tonnen Fruchtsaftkonzentrat verarbeitet. Bei Apfelsaftkonzentrat ist die Austria Juice die Nummer eins der Welt.

Der Wind auf dem Markt ist rau, die Konkurrenz groß. „Das Umfeld ist sehr wettbewerbsintensiv“, sagt Austria-Juice-Chef Franz Ennser. Als österreichisches Unternehmen habe man es auf solchen Märkten schwer. Obwohl man China an der Weltspitze ablöste und auf dem internationalen Markt mit Qualität und als zuverlässiger Lieferpartner punktet, sucht man beständig nach neuen Wegen. „Der Rohstoff Frucht hat ein ungeheures Potenzial“, sagt Ennser. Und das versucht die Austria Juice zunehmend zu nutzen. Ennser: „Wir wollen daher über unser Stammgeschäft hinaus aus unserem Rohstoff Frucht viel mehr Wertschöpfung herausholen.“

Im Zentrum dabei stehen Grundstoffe für die Getränkeindustrie, sogenannte Fruchtweine und Aromen, die aus den Früchten gewonnen und auch neu zusammengesetzt werden. Aus Frankreich, aber auch aus Spanien und anderen Ländern holte man „Flavouristen“ in die niederösterreichische Provinz. Auf Basis der Früchte entwickeln sie Aromen, die nicht nur in der Getränkeindustrie, sondern auch in der Lebensmittelindustrie eingesetzt werden.

Auf der Kundenliste stehen inzwischen längst nicht nur große Getränkehersteller aus der Fruchtsaft- und Softdrinkindustrie, sondern auch Wasser- und Spirituosenerzeuger sowie die Brauwirtschaft. Gemeinsam mit den Kunden werden Lösungen und Geschmacksvarianten entwickelt und produziert. Die jüngste Entwicklung ist ein Verfahren zur Reduzierung des Fruchtzuckergehalts in Fruchtsäften ohne Chemie, ohne Zusätze und enzymatische Verfahren. Die Austria Juice macht sich damit nicht nur unabhängiger vom Wettbewerbsdruck auf dem Konzentratmarkt, sondern auch von Wetterkapriolen oder Lieferengpässen bei Früchten. Inzwischen macht die Austria Juice bereits 25 Prozent des Umsatzes in diesem Bereich. In fünf Jahren solle der Anteil bei 50 Prozent liegen, sagt Geschäftsführer Ennser.

Das gefällt der Agrana, die an der Austria Juice die Mehrheit hält. Standen im Konzern bisher in allen Sparten vor allem Menge und Volumen im Mittelpunkt, geht es nun überall auch darum, für die Kunden „einen Mehrwert zu entwickeln“, sagt Markus Mühleisen, der seit eineinhalb Jahren Chef des Konzerns mit 2,5 Mrd. Euro Umsatz ist. „Vieles, was wir bei der Agrana insgesamt vorantreiben, ist bei der Austria Juice bereits zu sehen.“

Insbesondere in der Entwicklung gemeinsamer Lösungen mit den Kunden und in einer konzernübergreifenden Zusammenarbeit der einzelnen Produktionssparten sieht Mühleisen große Möglichkeiten. „In der Vergangenheit lag der Fokus eher in den einzelnen Sparten, jetzt schauen wir, wie wir gemeinsam mehr für die Kunden tun können.“ Nachsatz Mühleisens: „Die starke Fokussierung auf unsere Endkunden wird wichtiger.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 4. Februar 2023

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