Die Aufregung ist groß im Land. Die ÖVP und die SPÖ kassierten in Niederösterreich schwere Niederlagen. Der Aufstieg der FPÖ und von Herbert Kickl scheint unaufhaltbar. Über FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl alteriert man sich allerorten und über den Wirt im Salzkammergut, der einen Noch-Chefredakteur am Krawattl gepackt haben soll. Man liest davon, dass man die Kommunikation verbessern müsse und anderes, was man aus der Vergangenheit schon kennt.
Darüber, worüber die Leute reden, was sie denken und was sie bewegt - darüber redet man nicht. Vor allem nicht mit ihnen. Mit denen, die das Land am Laufen halten, ohne die wir alle nicht leben könnten, die unser Essen machen, die Häuser bauen, die die Alten und Kranken versorgen, den Dreck wegputzen oder unsere Autos aus den Straßengräben ziehen. Ganz abgesehen davon, dass man kaum Antworten hat für sie. Nicht einmal für die, die für Waldhäusl und seinen "Wien-wäre noch-Wien"-Sager Verständnis aufbringen.
Und genau das ist das Kreuz mit der Politik, mit den Medien und allen anderen, die immer so beredt alles besser zu wissen scheinen.
Politik ist zu einer Blase geworden, in der sich Leute bewegen, die sich in ihren Kreisen weitaus wohler fühlen als bei denen, die zu vertreten sie vorgeben. Man diskutiert allemal lieber unter seinesgleichen, abgehoben von der Wirklichkeit und kaum je das Wohl der Allgemeinheit im Auge, sondern meist nichts anderes als das Vorankommen der eigenen Karriere.
Was man für Kommunikation hält, ist oft nichts als Technik, erdacht von Technokraten, die meinen, mit Versatzstücken aus einem Baukasten heraus die Leute erreichen zu können. Zu den Leuten kommt man immer weniger damit, schon gar nicht erreicht man ihren Bauch. Wahlkämpfe, wie wir sie zuletzt in Niederösterreich sahen, sind typisch dafür. Massenveranstaltungen, aufgesetzte Freundlichkeit und ein Interesse, das weniger vom Interesse am Menschen, sondern vielmehr vom Interesse an der Stimme getragen ist.
Das gilt für die vielen Politiker und das gilt aber noch viel mehr für die Zirkel, die vornehmlich in Wien die Politik analysieren, ohne je wirklich mit den Menschen in Kontakt zu kommen und zu versuchen, sie zu verstehen. Die in Fernsehstudios und Redaktionen abgeschottet in ihren Blasen über das räsonieren, was ihnen Wahlergebnisse und Umfragen servieren, aber kaum je über die Wirklichkeit. Schick, abgehoben und meist fern der Realität und vom hohen Ross herab.
Erst dieser Tage kursierten wieder Textstücke von prominenten Journalisten von Wiener Magazinen, in denen von "Proletensafaris" geschrieben wird, als man sich in die Wiener Außenbezirke begeben habe, und davon, dass man dort die "hässlichsten Menschen Wiens" gesehen habe, "ungestalte unförmige Leiber" mit "strohigen, stumpfen Haaren". Oder man schrieb von "Außenbezirksgesichtern, alkoholverwaschen und mit schlechten Gebissen". Da fehlt nicht nur jeder Respekt, da fehlt auch jedes Verständnis für die Leute, auf die zu schauen man so gerne vorgibt. Stattdessen nur Verachtung und herablassende Bräsigkeit. Nicht nur in den zitierten Texten.
Dieses Denken und Verhalten hat sich in den vergangenen Jahren breit gemacht. Schnell ist man vorzugsweise mit Nazi-Vorwürfen bei der Hand, und schnell mit Prädikaten wie "hinterwäldlerisch","nicht aufgeschlossen" oder gar "dumm". Schulmeisternd wird wortreich und beredt als unantastbar postuliert, was man für richtig hält, ohne auf das Gegenüber zu hören.
Wurzel des Übels sind die fehlende Bereitschaft die Leute mit all ihren Ansichten in der Tat ernst zu nehmen, aber auch die intellektuelle oberlehrerhafte Hochnäsigkeit, hinter der sich meist Verachtung versteckt. Wer damit zu tun bekommt, hält lieber vorsorglich den Mund und wendet sich ab. Zu einer Umgebung, in der man solchen Beurteilungen nicht ausgesetzt ist, in der man das Gefühl hat, nicht nur so genommen zu werden, wie man ist, sondern auch verstanden zu werden.
Es ist schwierig geworden in diesem Land, und es ist bereits viel kaputt gemacht. Freilich hat man mit einem bisher nie gekannten Anspruchsdenken zu tun, mit neuen gesellschaftlichen und politischen Strömungen, mit populistischer Politik und mit beständig härter werdenden Fronten. Die Entwicklung einzufangen ist eine Riesen-Herausforderung. Aber es gibt keinen Weg, als sich ihr zu stellen. Voraussetzung dafür ist, sich von allen bisher gängigen Mustern zu verabschieden. Und zwar schnell. Sehr schnell.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 9. Februar 2023
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