Christine Aschbacher war in der Ära Kurz Arbeitsministerin. Ihre Fortune war überschaubar. Nicht zuletzt, weil man sie nicht mochte. Da kam zupass, dass ihre Doktorarbeit angezweifelt wurde. Schnell stand der Plagiatsvorwurf im Raum. Die Zeitungen waren voll. Jede Gegenwehr schien zwecklos, jede Erklärung verpuffte. Aschbacher trat zurück, der Lächerlichkeit preisgegeben durch die Veröffentlichungen von Zitaten aus ihrem Werk, die befremdlich und schräg anmuteten, aber perfekt ins Bild passten, das von ihrer Magisterarbeit in der Öffentlichkeit gezeichnet wurde.
Jetzt, gut zwei Jahre später, bestätigt die slowakische Uni, an der sie die Doktorarbeit eingereicht hatte, dass kein Plagiat auffindbar sei und sie demnach den Doktortitel behalten dürfe. Dass ihre politische Karriere längst ruiniert ist und auch, wie mit ihr umgegangen wurde, ist kein Thema mehr. Vergessen, abgehakt. Die Vorverurteilungsmaschinerie hat ihre wie immer perfekte und perfide Arbeit geleistet.Im öffentlichen Leben und vor allem in der Politik ist dieses Muster in den vergangenen Jahren Mode und politisches Instrument geworden. Da werden Verdächtigungen lanciert, da werden Menschen angepatzt, da wird sehr schnell angezeigt. Fakten spielen nur am Rand eine Rolle, vor allem gilt -"es könnte ja etwas dran sein". Das reicht meistens, um die Lawine loszutreten und das Land in helle Aufregung zu versetzen, obwohl noch lange nichts bewiesen ist.
Schon eine Anzeige, und sei sie noch so weit hergeholt, kommt in Österreich sehr schnell - unterstützt und beklatscht von allen Seiten - einem Urteil gleich. Fakten spielen da keine Rolle mehr, Gegenwehr ist zwecklos, wenn sich die Phalanx der Durchblicker formiert hat, die meint, ihr Mütchen an solchen Personen kühlen zu müssen. Christoph Chorherr ist einer von diesen Menschen, die nie eine Chance hatten, und bei denen sich dann aber zeigte, dass sich alle Anzeigen und Klagen in Luft auflösten und jeder Grundlage entbehrten. Sein Pech war Grüner zu sein, prominent, angriffig und nicht überall beliebt.
Aber niemand scheint bei solchen Klagen und Verfahren mehr genau hinschauen zu wollen. Niemand will sich sein einmal gefälltes Vorurteil, zumal dann, wenn es ihm perfekt ins Bild passt, durch Fakten zerstören lassen. Nicht alle, aber viel zu wenige. Das gilt für Verfahren jeder Art, das gilt für Untersuchungsausschüsse und für vieles andere.
Besonders heikel ist das Terrain für die Justiz. Vor allem die Wirtschaft-und Korruptionsstaatsanwaltschaft war es, die in den vergangenen Monaten heftig in die Kritik geriet und die sich gegen Vorwürfe, sich vor parteipolitische Karren spannen zu lassen, wehren musste. "Es handelt sich überwiegend um Politiker von ÖVP und FPÖ, die hier im Zusammenspiel von WKStA, Medien und Linksparteien zur Zielscheibe wurden, politisch gesehen mit bekannten gravierenden Folgen", schrieben konservative Zeitungen. "Rechtlich betrachtet ist freilich bis jetzt wenig übriggeblieben." Nicht einmal bei Strache und Ibiza. Nicht bei Pilnacek und nicht bei Johann Fuchs, dem Chef der Oberstaatsanwaltschaft, und nicht bei anderen. Bei Kurz hat man nach mehr als einem Jahr gerade einmal die Anklage fertig.
Dass es in Österreich in den vergangenen Jahren so weit gekommen ist, hat wohl auch damit zu tun, dass Politiker mit ihrer Verantwortung mitunter sehr leichtfertig umgehen. Politische Verantwortung, zumal solche, die von moralischen Grundsätzen getragen ist, ist keine Kategorie, auf die man sich verlassen könnte, und auch keine, die ernst genommen wird. Durchtauchen und Aussitzen ist sehr viel eher das Mittel der Wahl, als einen Sessel zu räumen, wenn man Fehler gemacht.
Die Wertigkeiten und die Grenzen haben sich verschoben. Die rote Linie ist heute viel zu oft nicht mehr die politische Verantwortung, sondern das Strafrecht. Das mag erklären, dass heute üblich geworden ist, gleich mit Klagen auszurücken, wenn man dem politischen Gegner auf die Pelle rücken will.
Man sollte wieder wegkommen davon und zu einer neuen Gelassenheit zurückfinden. Schon allein um seine Glaubwürdigkeit nicht zu untergraben. Und man sollte nie vergessen, dass ein Verdacht und eine Klage kein Urteil sind. Und schon gar nicht Grundlage für eine Vorverurteilung. Denn wozu bräuchte es dann ein Urteil?
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 16. Februar 2023
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