Donnerstag, 23. Februar 2023

Wofür wurden sie gewählt, wenn nicht dafür?

Der Herr Minister Kocher hat sich in die Nesseln gesetzt. Er hat vorgeschlagen, Teilzeitarbeit über geringere Sozialleistungen weniger attraktiv zu machen. Der Herr Minister Rauch hat sich auch in die Nesseln gesetzt. Er will das Gesundheitswesen reformieren und digitalisieren. Auch der Herr Minister Totschnig sitzt in den Nesseln. Er will bei den EU-Umweltministern und Energieministern der Union mitreden, wenn's dort um landwirtschaftliche Themen geht.

Die Reaktionen waren in allen Fällen heftig. Dabei haben die Herren nichts anderes getan, als genau das, was immer von ihnen gefordert wird - zu handeln, nicht zuzuschauen, Vorschläge zu machen, Dinge in Bewegung zu setzen, Weichen zu stellen, die Zukunft zu sichern. Aber nichts davon kam gut an. Wie in Österreich nie etwas gut ankommt, was ein Vorschlag ist. Denn da schillern die Ablehnung und Empörung immer sofort in allen Farben, zumal dann, wenn etwas geändert werden soll. Wie schon zuvor, wenn es um Themen wie Österreich und seine Neutralität ging, um Themen rund um Corona, um Zuwanderung oder um das Pensionssystem. Man schafft es in Österreich einfach nicht, darüber zu reden. Schon gar nicht mit der nötigen Gelassenheit und Ernsthaftigkeit. Stattdessen werden von Parteien, Interessengruppen, Gewerkschaften und Sozialpartnern sofort die Messer ausgepackt, man wirft um eines vermeintlichen politischen Vorteils willen jede Vernunft über Bord und setzt alles daran, jede Diskussion zu vergiften und möglichst schon im Keim zu ersticken.

Im Wochentakt werden selbst große Themen wie die sprichwörtliche Sau durchs Dorf gejagt. Meist ohne jede Folge. Schon gar ohne jede Wirkung und ohne Weichenstellungen für die Zukunft, zumal eine nachhaltige. Und wenn sie noch so notwendig wäre. Bei Kochers Vorschlag ist das so. Wie bei dem von Rauch. Und bei vielen anderen auch.

Bei der Teilzeitarbeit etwa laufen die Dinge zunehmend aus dem Ruder und für Kochers Vorstoß gibt es viele gute Gründe, verbunden mit einem durchaus großen Handlungsbedarf. Zum einen entscheiden sich immer mehr Menschen aus freien Stücken dafür, die Arbeitszeit zu reduzieren, um mehr Zeit für andere Tätigkeiten zu haben. Weil sie es sich leisten können und weil sie die Bedeutung von Arbeit und Freizeit für ihr Leben anders gewichten. Für viele junge Mütter ist die Teilzeit hingegen eine Falle, in der sie gefangen sind, weil es an Betreuungsmöglichkeiten fehlt. Dass allen wegen der geringeren Einzahlungen niedrige Pensionen drohen, ist ein drittes Thema, das in diesem Zusammenhang diskutierenswert ist und die Nöte auf dem Arbeitsmarkt, Leute zu finden, ein viertes. Und wenn man damit noch nicht genug hat -die Sache mit den in Österreich schier unvorstellbar hohen Lohnnebenkosten, die da auch noch mitspielen und oft so viel verbauen, wäre noch ein fünftes.

Über das alles sollte man reden können. Und man sollte auch darüber reden. Genau deswegen werden überall Leute wie Kocher für die Politik gefordert. Leute vom Fach, Leute, die sich trauen, etwas zu sagen, Leute, die sich auskennen.

Mag sein, dass Kochers erstes Statement nicht als Glanzstück gelungener Kommunikation in die Geschichte eingehen wird. Aber das kann und darf doch kein Grund dafür sein, dass das Thema im Handumdrehen von der politischen Agenda gejagt wird. Wie auch Rauchs Vorstoß zur Gesundheitsreform. Über die Verschiebung von Kompetenzen werde "mit Sicherheit nicht diskutiert", hieß es etwa sofort vom burgenländischen Landeshauptmann. Von anderswo klangen die Stellungnahmen nicht unähnlich.

Aber anstatt ernsthaft und fachlich über Themen wie diese zu reden, arbeitet man mit dem politischen Holzhammer und verliert weiter Zeit, die immer drängenderen Fragen zu lösen und die immer stärker ausufernden Ausgaben einzudämmen.

So läuft es bei vielen Themen. Und so, steht nicht nur nach den Beobachtungen in den vergangenen Wochen zu befürchten, wird es freilich noch länger bleiben. Jedenfalls, so lange nicht die Vernunft regiert, sondern eher Haltungen wie jene in den Leserbriefspalten der Kronen Zeitung hofiert werden: "Wer extrem viel Geld dafür bekommt, dass er im Parlament auf seinem Handy surft, und der, wann es ihn immer freut, auf Steuerzahlerkosten auf der ganzen Welt herumfliegt, hat wohl kaum das Recht, über die wirklich arbeitende österreichischen Bevölkerung zu urteilen."

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 23. Februar 2023

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