Dienstag, 30. April 2024

Hoch die Arbeit

Die Arbeit sorgte in den vergangenen Tagen für Schlagzeilen. Nicht nur wegen des 1. Mais. Dessentwegen eigentlich noch am wenigsten. In den Tagen davor machten die Lohnverhandlungen bei den Austrian Airlines Schlagzeilen und die Industriellenvereinigung, die mit der Forderung nach Erhöhung der Wochenarbeitszeit auf 41 Stunden, weil „Wohlstand nur durch Leistung“ entstehe, für Empörung sorgte. Und da ist noch gar nicht die Rede von der 32-Wochenstunden-Forderung mit der der Chef der Sozialdemokraten, seit Monaten die die Gemüter in Wallung bringt.

An der Arbeit entzündet sich schnell etwas. Sie bewegt die Menschen und sie bewegt die Politik. Beobachter konstatieren, dass die Pandemie das Verhältnis zur Arbeit stark verändert hat. Viele Beschäftigte seien aus dem Lockdown nicht mehr vollständig zurückgekehrt meint etwa Franz Schellhorn, Chef der Agenda Austria. Man will heute weniger arbeiten, man will mehr Flexibilität in Sachen Arbeitszeit. Und man will oft nicht mehr zurück in die Büros. Weil man das Homeoffice aus welchen Gründen immer zu schätzen gelernt hat.

Unzufriedenheit ist in den vergangenen Jahren eine Lebenshaltung geworden in Österreich. Da nimmt nicht Wunder, dass sich auch mit der Arbeitswelt und was dazugehört Unzufriedenheit breit machte. Für viele Berufe sind nur mehr schwer Bewerber zu finden. Zuweilen ist, wie das AMS-Chef Johannes Kopf einmal nannte, „ein Kampf unter den Branchen um Arbeitskräfte“ zu beobachten.

Heute geht es vielen um eine möglichst guter Work-Life-Balance und um Möglichkeiten für die persönliche Weiterentwicklung. Der Begriff Leistung ist in diesem Umfeld nicht wirklich hoch angesehen und hat oft an Stellenwert verloren. Vor allem die Jungen sind nicht mehr zu all dem bereit, was in der Arbeitswelt vor ein paar Jahre noch üblich war. Die Generation Z will zwar einen sicheren Arbeitsplatz, im Vordergrund steht dabei „Sinnvolles“ zu tun und nicht auf „genügend Freizeit“ verzichten zu müssen.

Vollzeitarbeit gilt heute oft gar nicht mehr als erstrebenswert. Nicht nur aus den genannten möglichen Gründen.  Oft geht es um ganz Anderes. Darum etwa, dass es etwa an Möglichkeiten für Kinderbetreuung fehlt oder darum, dass sich Mehrarbeit schlicht nicht auszahlt, weil vom Mehreinkommen netto nicht wirklich viel mehr bleibt.

Bei Themen wie diesen sind nicht die Unternehmen und Unternehmer, sondern da ist die Politik gefordert. „Wer von 25 auf 35 Stunden aufstockt, sieht dass der Nettozuverdienst mit dem Zuwachs beim Bruttoeinkommen nicht mithalten kann“, wird in einem Zeitungskommentar dieser Tage das Dilemma auf den Punkt gebracht. Und das ist nicht das einzige Beispiel. Bei den Zuverdiensten für Pensionisten ist es kaum anders. Wer sich darauf einlässt, muss schnell erkennen, dass man da nicht rechnen darf, wenn man arbeiten will. Beispiele wie diese gibt es viele.

Die Welt ist eine andere geworden. Auch die Welt rund um die Arbeit. „Hoch die Arbeit“ hieß es früher, auch am 1. Mai. Heute heißt vor allen „Hoch die Hände Wochenende“. Dieser Tage war, entstanden wohl vor dem Hintergrund der politischen Slogans, mit denen der Chef der heimischen Sozialdemokraten Wähler gewinnen will, vom „Tag des Arbeitsleids“ zu lesen und davon „dass Babler und Genossen“ die Arbeit zusehends „sabotieren“ und „enthusiastisch in die Sackgasse“ führen.

Arbeit zu haben, wird zwar immer noch hoch geschätzt, auch das Geld das man dafür bekommt mag man. Das man von der Arbeit gut redet, gar davon, dass man sie gerne macht, kommt hingegen her selten vor. Die guten Seiten kommen kaum vor. Ist Arbeit nicht für viele Menschen nicht nur Gelderwerb sondern auch Erfüllung und Bestätigung? Arbeiten nicht auch sehr viele Menschen sehr gerne? Nicht nur wegen des Lebensunterhaltes, den sie damit verdienen, sondern auch wegen der sozialen Kontakte. Ist es wirklich so, dass Freizeit das einzig erstrebenswerte ist und Arbeit nur Mühsal und allenfalls notwendiges Übel?

Wohl nicht. Heute ist Arbeit längst ein komplexes Wechselspiel von Wünschen und Bedürfnissen, die weit über Geld und Zeit hinausgehen. Und da ist nichts mehr von „Hoch die Arbeit“. Das freilich sollte man schon allein deswegen nicht aus den Augen verlieren. Die Unternehmerinnen und Unternehmer sowieso nicht. Aber schon gar nicht die Politikerinnen und Politiker aus deren Lager der Slogan stammt.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 30. April 2024


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