Es ist schon sehr starker Tobak, den wir da in Österreich seit Tagen, Wochen und Monaten serviert bekommen. Da ist das Treiben eines Spions für Russland, der offenbar über Jahre im Verfassungsschutz sein Unwesen trieb und die Republik vorführt und lächerlich macht. Da ist der Immobilien-Tycoon aus Innsbruck, dessen so oft bewundertes Reich mit lautem Getöse zusammenkrachte, und in seinem Schatten ein Exkanzler, der vor Jahrzehnten stolz den Boden des Moskauer Flughafens küsste und zuletzt nur mehr in Millionen rechnete und abrechnete, und ein Ex-Kanzler, der sich gerne mit ihm zumindest umgeben hat. Da sind schier unglaubliche Gagen, die in der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt nicht nur für echte Stars, sondern auch für viele, die sich dafür halten und die am richtigen Posten sitzen, gezahlt werden. Da sind die Kabalen rund um einen einst als allmächtig geltenden Sektionschef im Justizministerium, der aus dem Leben schied. Und da passt, natürlich möchte man hinzufügen, ins Bild, dass ausgerechnet ein Österreicher, der sich vermutlich in Russland versteckt hält, derzeit als meist gesuchter Mann Europas gilt und dass Österreich in internationalen Korruptionsindizes beständig nach vorne rückt.
Und, und, und -es mag schier gar nicht aufhören. Österreich kommt daher, wie der in die Realität umgesetzte Schundroman aus dem Finanz- und Agentenmilieu, in dem sich dunkle Gestalten jedweder Provenienz bedienen können, unterstützt und hofiert von geltungssüchtigen Politikern, die man sich in den schlimmsten Phantasien nicht ausmalen will. "In Österreich haben Günstlinge, Trickser, Korrupte, Abzocker und Spione leichtes Spiel", war dieser Tage in einem Zeitungskommentar zu lesen.Es ist wohl so. Es fühlt sich an wie in einem Roman, von dessen Geschichten man sich allenfalls unterhalten lässt, die man aber nie glauben wollte. Und die man nie für möglich oder gar Realität hielt. Schon gar nicht, wenn man sich an den Stammtischen darüber wortreich aufregte und über Politik, Politiker, Wirtschaft und Unternehmer oder Verwaltung und Beamte herzog. Wenn man das alles für maßlos überzogen hielt, für eindimensional und zuweilen gar für einfältig. "So schlimm ist es schon nicht", war immer der zentrale Satz, mit dem man sich beruhigte. Auch wenn man wusste, wie die Dinge oft gehen in diesem Land, auch wenn man sie selbst schon erlebt hat und wenn man sich selbst oft gewundert hat.
Jetzt bleibt nur noch sich zu ärgern. Über die Zustände sowieso und über diesen Schundroman, der in diesem Land Wirklichkeit geworden ist. Aber noch viel größer ist der Ärger, weil jetzt wirklich so viele von denen recht bekommen, gegen die man den Staat verteidigt hat, und seine Proponenten, die Politik auch und die Wirtschaft und die Beamtenschaft -kurzum das System. Gegen all diese Plärrer, gegen deren Pauschalverdächtigungen man angeredet hat, wenn es um Politik und auch wenn es um Corona ging. Alles mit einem Mal nichts.
Man entwickelt mit einem Mal Verständnis für all diese Menschen, die auf die Politik schimpfen und die sich zurückziehen. Die sich aus der Gesellschaft ausklinken, die nicht mehr wählen gehen wollen und die keine Zeitung mehr lesen und keine Nachrichten mehr schauen. Die genug haben von dem, was ihnen da als Wirklichkeit geboten wird. Man versteht mit einem Mal, dass ihr Vertrauen zerstört, ihr guter Wille verbraucht ist. Man versteht, dass sich fast zwei Drittel in diesem Land politisch nicht mehr vertreten fühlen. Man versteht die Demokratiemüdigkeit, die sich breit macht. Da nimmt nicht wunder angesichts dessen, wie der gute Wille immer wieder missbraucht wird, angesichts dessen, wie Erwartungen und Hoffnungen immer wieder enttäuscht und Versprechen gebrochen werden.
Wenn ein großer Reset jemals Sinn macht - dann sollte man ihn jetzt zumindest angehen in Österreich. Auf allen Ebenen, in allen Teilen der Gesellschaft und in all ihren Schichten. Auch, um die Veränderungen und Brüche abzuwehren, vor denen sich nun viele fürchten, dem Driften in Extrempositionen und dem Verlust der Mitte.
Die Aussichten darauf stehen wohl schlecht. Man sollte sich keine Illusionen machen. Und darum sollte man wohl weiter daran arbeiten, sich nicht von den aktuellen Zuständen frustrieren zu lassen. Auch wenn das schwerfallen mag wie kaum je zuvor. Es ist langer Atem gefragt. Und sehr viel guter Wille.
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