Donnerstag, 11. Juli 2024

Österreich könnte es - wenn es wollte

Ich kann ja nichts dafür. Nichts dafür, dass sie so beindruckend gekämpft haben bei der Fußball-Europameisterschaft. Und auch nichts dafür, dass sie dennoch so unglücklich ausgeschieden sind. Aber die zwei Wochen der österreichischen Fußball-Nationalmannschaft bei der Fußball- Europameisterschaft imponierten. Nicht nur mir. Vielen im Land bescherten sie ein Hochgefühl voller Stolz. Ganz so, als hätten sie selbst dazu etwas beigetragen oder wären sie geradezu auf dem Spielfeld gestanden. - Dabei haben sie ja genauso wenig dafür getan und dazu beigetragen wie ich.

So weit, so österreichisch. Man kennt es. Man lässt machen und erbaut sich daran, wenn die, die es machen, es gut machen. Dann tut man gerne so, als hätte man es selbst gut gemacht. Das reicht den meisten. Gut tut es in jedem Fall. Ob es wirklich gut ist, ist freilich eine andere Frage.

Klar ist -von dieser Nationalmannschaft, von den Spielern, vom Trainer und seinem Team, kann man lernen, was man sich für das gesamte Land, für die Stimmung in diesem Land, wünschen würde. Wie sie aufgetreten sind, wie sie gekämpft haben, wie sie sich gegenseitig motiviert und unterstützt haben, die Einstellung, die sie gezeigt haben, ihre Bereitschaft Verantwortung zu übernehmen. Da blitzte überall eine ganz große Portion Leistungswille durch und Entschlossenheit. Da war keine Wehleidigkeit und kein Jammern, das in den vergangenen Jahren zunehmend die Stimmung im Land drückte. Da war der unbedingte Wille, selbst etwas zu schaffen. Da wurden Ziele konsequent verfolgt. Da wollte man gemeinsam etwas erreichen, da ließ man sich von Rückschlägen nicht aus der Ruhe bringen und man war immer bereit, dafür alles zu geben. Da gab es keinen Neid untereinander, sondern nur ein Ziel -möglichst gut zu sein. Man gab alles dafür.

Die Nationalmannschaft zeigte in den vergangenen Wochen eindrücklich, wie wir es in Österreich schon lange nicht mehr erlebten, worauf es wirklich ankommt und was alles möglich wäre. Selten wurde so deutlich, wie wichtig eine gute Führung für den Erfolg eines ganzen Systems ist. Ralf Rangnick zeigte von Anbeginn, von welchem Kaliber er ist, ließ sich nie rausbringen von den notorischen Zurufern, und formte aus dem eher unterdurchschnittlichen Fußballteam mit Herz und Hirn eine Erfolgsmannschaft, der jede Sensation zugetraut wurde und trotz des Ausscheidens auch weiterhin wird. Für das Fußballwunder sorgen auch gute, gescheite Köpfe auf dem Spielfeld, die auch etwas zu sagen haben und die sich auch etwas zu sagen trauen. Ganz anders als früher, als der Horizont gar nicht weniger Spieler oft kaum über die Outlinie hinauszureichen schien. Viele haben heute Matura oder studieren. Spieler wie Gregoritsch, Alaba und viele andere auch würden auch in anderen Berufen ganz oben stehen.

"Der vorgezeigte Wille zum Erfolg ist ganz und gar unösterreichisch", war in den Zeitungen zu lesen. Der "unbedingte Zusammenhalt" wurde dabei hervorgehoben. "Österreich kann vom österreichischen Team einiges lernen: wie man Erfolge feiert, nüchtern analysiert, statt sich freudetrunken zurückzulehnen. Wie man sich an der Spitze orientiert, statt an der Regionalliga".

Vom Erfolg der Fußballnationalmannschaft, wie es dazu kam und was ihn ausmacht, können und sollen wir alle lernen. Wir sollten schätzen, was wir dort gesehen haben, und wir sollten versuchen es umzusetzen. Jedem einzelnen würde es guttun, und dem Land erst recht. Wir haben so viel verlernt von dem, was die Nationalmannschaft zeigte, so viel vergessen auch, und so viel vernachlässigt. Wir selbst, vor allem aber auch die Politik. Es geht um Ideen, es geht um Ziele, es geht um den Zusammenhalt und es geht um die Bereitschaft, zum Erreichen der Ziele etwas beizutragen.

Von all dem ist vor allem in der Politik seit langem nichts mehr zu merken. Die ist meist genau das Gegenteil von dem, was die Fußballer vorlebten. Da geht es um Neid, um Ressentiments und um Einzelinteressen. Das zeigt sich gerade jetzt, wo angesichts des Wahlkampfe alles auseinanderzubrechen scheint. Dass das Biogasgesetz im letzten Moment von der FPÖ und der SPÖ gekippt wurde, ist aktuelles und eindrückliches Beispiel dafür, was alles schiefläuft in diesem Land, in dem längst das Trennende über dem Gemeinsamen steht.

Wir haben gesehen - Österreich könnte auch anders. Schade eigentlich und verlorene Zeit, dass wir es nicht auch tun.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 11. Juli 2024

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