Donnerstag, 4. Juli 2024

Wenn das Rad statt Bahn Lkw fährt und andere Merkwürdigkeiten

Sommerzeit. Ferienzeit. Und das Rad fährt Bahn. Alles super also. "Mit den ÖBB zu den schönsten Radwegen", heißt es verlockend so und ähnlich formuliert in nicht wenigen Foldern und Informationen, in denen man um die Kundschaft buhlt. Zumal um jene Kundschaft, die nicht nur ihrem Körper und ihrer Seele etwas Gutes tun will, sondern auch der Umwelt. Nicht ohne Grund ist das Klimaticket zum Verkaufsrenner und damit zum Tor zu neuen Urlaubserlebnissen geworden.

Diese freilich zeigen sich mitunter ganz anders, als man sie haben wollte. Vor allem dann, wenn man in den Fernzügen keinen der knappen Plätze mehr fürs Fahrrad ergattert. Aber es wäre nicht "unsere Bahn", wenn sie nicht ein Ersatzangebot hätte - denn gibt es für das Rad keinen Platz mehr in der Bahn, dann fährt das Rad nämlich - Lkw. Lastkraftwagen. Ausgerechnet.

Für jeden stolzen Klimaticketbesitzer muss das so etwas wie die Höchststrafe sein.

Dass die ÖBB überhaupt den Fahrradtransport auch in Fernzügen anbietet, ist unbestritten löblich. Dass man damit Gutes fürs Image tut, ohne wirklich die nötigen Voraussetzungen zu bieten, bringt freilich die Bemühungen in die Nähe von Greenwashing. Dass man sich also ein grünes Mäntelchen umhängt, um davon imagemäßig zu profitieren, ohne die Versprechen wirklich zu erfüllen.

Viele Unternehmen werden dafür seit Jahren gegeißelt. Internationale Konzerne und Unternehmen, ganze Industriezweige. Die Austrian Airlines und all die anderen Fluggesellschaften geraten immer wieder in die Schlagzeilen, Energiekonzerne wie die OMV auch. "Die grünen Bluffs fliegen auf", freut man sich dann allerorten und applaudiert der Europäischen Union zu ihren Bemühungen, die oft allzu vollmundigen Öko-Versprechen der Unternehmen zu zähmen.

Die EU täte freilich auch gut, diese Bemühungen auf die Politik auszuweiten, die sich gerne mit solchen grünen Federn schmückt, die oft so gar nicht zur Realität passen, wie sie die Kunden erleben. Die im öffentlichen Eigentum stehenden ÖBB erweisen sich dabei gleichsam als das grüne Muster-Feigenblatt, mit dem man guten Eindruck, aber meist nicht viel mehr, macht.

Nur zu logisch, dass sich die grüne Umweltministerin, die auch für den öffentlichen Verkehr zuständig ist, darauf besonders versteht und ihre Position als oberste Zuständige für die Bahn auch weidlich nutzt. Der Bogen reicht vom Klimaticket, über die Nightjets, bis hin zu den Fahrradtransporten.

Dass die Bahn damit oft völlig überfordert ist, dass Züge oft maßlos überfüllt sind, dass Tickets für die Nightjets kaum zu kriegen sind und dass viele Bikes Lkw statt Bahn fahren -davon will man nichts hören. Hauptsache, das Mäntelchen, das man sich umhängt, leuchtet schön grün.

Erst zu Beginn dieser Woche lieferte die Umweltministerin ein Beispiel, das diesen Eindruck nicht besser bekräftigen könnte. Sie kam persönlich nach Oberösterreich zum Spatenstich der ÖBB für den viergleisigen Ausbau der Westbahnstrecke zwischen Linz und Marchtrenk. Das entbehrte nicht einer gewissen Pikanterie, die manche, zumal betroffene Landwirte, durchaus auch als Dreistigkeit empfanden. Keine zwei Wochen, nachdem sie sich als Retterin der EU-Renaturierungsverordnung bejubeln ließ, feierte die Ministerin am Montag dieser Woche ein Bahnprojekt, bei dem mehr als 100 Hektar fruchtbarster Boden versiegelt werden. "Nun stehen dieselben Akteure bei einem inszenierten Spatenstich, bei dem ein Großprojekt besiegelt werden soll, mit dem, wie in der Vergangenheit so oft, wertvolle Natur unwiederbringlich zerstört wird", heißt es in einer Presseaussendung der bäuerlichen Gemeinschaft bitter, die seit mehr als 30 Jahren gegen das Projekt Sturm läuft und deren Vorschläge, die wesentlich weniger Flächen verbraucht hätten, nie gehört wurden. Aber Hauptsache ein großer Auftritt. Und Hauptsache schöne Bilder und ein paar Schlagzeilen. Da spielt nicht einmal eine Rolle, dass bei weitem noch nicht alle Grundstückskäufe unter Dach und Fach und anhängige Enteignungsverfahren abgeschlossen sind.

Und gar nicht zu reden davon, dass keine Rolle spielt, dass sich die Voraussetzungen für das Projekt in den vergangenen 30 Jahren grundlegend geändert haben -vor allem die Entwicklung des Linzer Flughafens, den man damals unbedingt direkt an das Bahnnetz anschließen wollte. Statt von 400.000 auf eine Million Passagiere jährlich zu wachsen, schrumpfte die Zahl der Passagiere nämlich auf etwas mehr als 200.000.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 4. Juli 2024

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