Zu Hunderten werden in diesen Wochen von manchen Unternehmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gekündigt. Dass die Arbeitslosenrate steigen wird, ist absehbar. Der Ruf nach Kurzarbeit wird wieder laut. Immer öfter werden Unternehmen von Pleiten dahingerafft. Von einer "trüben Stimmung" ist die Rede und davon, dass man "von einem Aufschwung weit entfernt" sei.
Die Meldungslage aus der heimischen Wirtschaft war auch schon einmal besser.Die Party ist wohl vorbei. Und was in der Politik von manchen Parteien und ihren Anführern, die sich für Kanzlerkandidaten halten, schwadroniert wird, nimmt sich angesichts der aktuellen Entwicklung mehr denn je realitätsfremd aus. Österreich kommt in der Wirklichkeit an. Und zu der passen weniger denn je Forderungen wie die Einführung einer 32-Stunden-Woche und all die Steuerpläne und Wünsche, die allerorten vor den Wahlen ventiliert werden.
Denn für Träumereien aus der politischen Mottenkiste ist in Zeiten wie diesen nicht wirklich Platz. Das Land und auch die Politik freilich wollen das nicht wahrhaben und nicht ernstnehmen. Schon gar nicht, wenn es um die Wirtschaft geht. Die versteht man vornehmlich als "Reiche" und "Millionäre", denen man alle Wünsche, Forderungen und Belastungen einfach umhängen und denen man das Geld abnehmen kann. Unternehmen und Unternehmer sollen alles machen, was man von ihnen verlangt. Wie sie damit zurechtkommen, ist ihre Sache. Über allfällige Folgen will man erst gar nicht diskutieren. Klagen werden nicht ernstgenommen und als Wehklagen abgetan, Wünsche ignoriert.
Wirtschaft versteht man in diesem Land vornehmlich als Goldesel. Freilich als Goldesel aus der Schmuddelecke, der die Leute ausbeutet und die Umwelt zerstört.
Das Image der Wirtschaft und der Unternehmer ist schlecht. Oft freilich nicht ohne Grund. Zu selten nehmen sie es auf sich, in der Öffentlichkeit Stellung zu nehmen und für ihre Anliegen zu werben und auch einzutreten. Zu fremd nehmen sie sich dabei oft aus und auch zu abgehoben. Ihr Image wird eher von außen geprägt - vornehmlich von den Gewerkschaften und ihren Bossen. Und das ist kein Gutes.
Da nimmt nicht wunder, dass Wirtschaft, Wirtschaftspolitik und ihre Bedeutung in den vergangenen Jahren aufs Abstellgleis gerieten. Bisher spielen sie auch im aktuellen Wahlkampf eine untergeordnete Rolle. "Eine Entfremdung" lautete der Titel eines Leitartikels der OÖN-Chefredakteurin Susanne Dickstein, in dem sie sich mit dem Auseinanderdriften von Wirtschaft und Politik beschäftigt. Insbesondere die, die so vehement in den Kanzlersessel drängen, kommen dabei nicht gut weg. Herbert Kickl sei für große Teile der Wirtschaft eine "Blackbox" und SP-Chef Andreas Babler allenfalls ein Robin Hood, der den Reichen nehmen und den Armen geben will. "Wirtschaftliche Kompetenz haben beide bisher nicht aufblitzen lassen." Aber auch am Kanzler lässt sie kein gutes Haar. Als ehemaliger ÖAAB-Vertreter werde Karl Nehammer von der Wirtschaft nicht als einer der ihren wahrgenommen. Auch ihr Kollege Unterhuber vom Kurier fordert: "Reden wir endlich über Wirtschaft." Von der wirtschaftlichen Lage unseres Landes würden unser Wohlstand und unsere Sicherheit mehr denn je abhängen.
Da verwundert freilich, dass nicht mehr Unternehmer Klartext reden wie Stefan Pierer. "Die Industrienachfrage liegt um 10 bis 20 Prozent unter dem, was während der Corona-Zeit war", sagt der KTM-Boss. In derselben Zeit aber seien die Personal-und Energiekosten dramatisch gestiegen. "Wir hatten in Österreich in den letzten zwei Jahren 20 Prozent Personalkostensteigerungen, auf der anderen Seite aber gehen Umsätze und Nachfrage in Europa zurück." Er rechnet damit, dass Industrieunternehmen ihre Mitarbeiterstände um 10 bis 15 Prozent abbauen werden. "Das ist ein Muss, sonst gehen sie unter." Das zweite Halbjahr werde sehr schwierig werden. Beim Benennen der Gründe für die trüben Aussichten nimmt er sich kein Blatt vor den Mund: "Österreich hat massive Fehler in der Standortpolitik gemacht, durch die hohen Kollektivertragsabschlüsse haben wir den Industriestandort massiv beschädigt", und Österreichs Unternehmen hätten die höchsten Lohnstückkosten in Europa.
Der Haken: Hören will das keiner. Man hat ja anderes zu tun. Und zu den Plänen und Versprechungen, mit denen manche Parteien auf Stimmenfang für die kommenden Nationalratswahlen gehen, passt das gar nicht.
Gmeiner meint - Raiffeisenzeitung, 8, August 2024
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen