Donnerstag, 12. Dezember 2024

Ach, wären die Politikerinnen und Politiker nur stiller

Der schwarze Landeshauptmann beim Kekserlbacken, der grüne Landesrat, der einen "Schönen 1. Advent (vulgo Bratwürstelsonntag)!" wünscht. Sie sind nicht die Einzigen. Politiker vom Bundespräsidenten, über den Bundeskanzler, bis hinunter zu den Gemeindechefs zünden Adventkerzen an, wünschen einen schönen Advent und posten davon Bilder auf Social Media. Selbst Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger und Herbert Kickl tun es.

Dabei stehen Weihnachten und der Jahreswechsel und das ganz große Wünschen erst bevor. Und, man mag es in all dieser Wünsch-Glückseligkeit gar nicht erwähnen, steckt das Land in einer der schwersten Krisen seit dem Zweiten Weltkrieg, in der man das wohl eher nicht als politische Arbeit erwartet.

Da ist wenig Trost, wenn ein Freund meint, das stehe "halt für Brauchtum und Tradition" und sei ein "wichtiger Orientierungsanker in schwierigen Zeiten". Da neigt man eher zur Meinung eines anderen Freundes, der flapsig verlangt, "bitte alle einsparen."

Man fragt sich, warum sich Politikerinnen und Politiker so produzieren, wie sie sich produzieren? Warum glaubt man wirklich, dass das Volk so etwas wie die Adventwünsche erwartet und das als Volksnähe empfindet? Es ist oft schwer nachvollziehbar. Nicht nur rund um Advent, Weihnachten und Jahreswechsel. Denn viele Politiker vermitteln in ihrem Eifer sehr viel eher das Bild, dass sie nichts anderes tun, als sich selbst darzustellen und das für politische Arbeit halten. Und das meist weitab von der Realität und von dem, was eigentlich von ihnen erwartet wird. Bilder von irgendwelchen Grußszenen da, Schnappschüssen von Reisen dort oder davon, wie man sich mit ernster Miene etwas erklären lässt, oder davon, wie sie leutselig Musikkapellen dirigieren. Und dazwischen ganz wenige, zumeist parteipolitisch geprägte Aussagen, die als politisch durchgehen sollen. Wenn überhaupt. Da darf nicht wundern, wenn man sich fragt: "Ja, wann arbeiten denn die eigentlich?"

Ein eindrückliches Beispiel brachte Susanne Dickstein, Chefredakteurin der OÖ Nachrichten, am Ende jener Woche, in der KTM Insolvenz anmeldete, in ihrem Leitartikel. "Ein Blick auf die Homepage von Oberösterreichs Wirtschaftslandesrat diese Woche spricht Bände", hub sie zur Schelte an. Da fand sie eine Aussendung zum "einzigartigen Wolfgangsee Advent", Fotos mit Parteifreunden und Prominenz und "unter der Überschrift Schwerpunkte", wie Dickstein spitz anmerkte, "Allgemeinplätze zu Oberösterreich auf dem Weg zur Spitzenregion in Europa". Es scheine "ein Paralleluniversum" zu existieren abseits der KTM-Insolvenz und drohenden Dominoeffekten im ganzen Land, schreibt die Chefredakteurin.

Oberösterreich freilich ist überall. Wenn man Politik vornehmlich so erlebt und erleben muss, verwundert nicht, dass längst breite Meinung ist, dass es dem Land an geeignetem Politpersonal fehlt. Bei allen Ausnahmen, die es natürlich gibt -viel zu viele sitzen auf ihren Sesseln offenbar nur, um ihre Parteilinie durch die Gremien zu tragen, viel zu viele, die sich nur darauf verstehen zu repräsentieren, die in der Sache, welche immer die auch sei, oft alles andere als firm sind, oder die gar eigene politischen Idee einbringen und auch vertreten können.

Dann halt lieber ein Bild mit einem Adventkranz und "Schönen Wünschen" oder eines vom Musikvereinskonzert mit dem sinnigen Text: "Wie still wäre es in diesem Land ohne unsere Musikvereine -danke für eure Musik."

Ach, wären die Politikerinnen und Politiker nur stiller, wünscht man sich da nur mehr.

Aber die Parteien wollen heute nur mehr Parteisoldatinnen und -soldaten. Mit jemandem, der oder die selbst denkt, kann man nicht mehr umgehen, und man will sich das auch gar nicht mehr antun. Nicht zuletzt deswegen fehlt es wohl an Charakteren in der heutigen Politik, die in all ihren Ausformungen vor allem stromlinienförmig daherkommt. Politikerinnen und Politiker werden oft nur mehr, man kann es nicht anders sagen, verwendet, um die Meinung von oben weiterzugtragen. Breite Diskussionen zu den großen Themen gibt es in den Parteien kaum mehr.

Und das ist es wohl auch, was man an der Qualität der Politik merkt. Dabei wäre die derzeit wichtiger denn je. Jetzt, wo das Land eine Wende in der Stimmung braucht, einen Aufbruch, eine neue Richtung, ein neues "Narrativ", wie das neudeutsch heißt. Dass es "Kein weiter wie bisher" geben dürfe, ist da zu wenig.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 12. Dezember 2024

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