Donnerstag, 20. März 2025

Der andere Corona-Rückblick

Die Medien sind in diesen Tagen voll mit Erinnerungen an den Beginn der Covid-Zeit vor nunmehr schon mehr als fünf Jahren. Die Bilder von den Särgen in Bergamo tauchen im Kopf wieder auf, die Hamsterkäufe von Toilettenpapier, der warnende Gesundheitsminister Rudi Anschober und sein "damit werden die nächsten Wochen eine alles entscheidende Phase" und der damalige Bundeskanzler mit seiner eindrücklich gemeinten Warnung "Wir werden auch in Österreich bald die Situation haben, dass jeder irgendjemanden kennt, der an Corona verstorben ist". Dazu die Erinnerungen an die leeren Straßen, an die Masken und an den Stillstand des öffentlichen Lebens. Und an die Angst auch.

Das Land ist auch heute mit den Folgen dieser Zeit noch lange nicht fertig. Und es bleibt nach wie vor vieles zu diskutieren, von dem, was damals passiert ist, was politisch beschlossen und was den Menschen abverlangt wurde. Längst hat sich die Politik des Themas bemächtigt. Keine Frage - es sind viele Fehler passiert und es hätte vieles anders laufen können und müssen. Im Nachhinein betrachtet ist man freilich schnell klüger und schlauer.

Und dennoch ist vieles im Nachhinein ungeheuer beeindruckend von dem, was damals auf die Beine gestellt wurde, was möglich war und was entstanden ist. Dass innerhalb weniger Monate Impfstoffe gegen ein bis dahin praktisch völlig unbekanntes Virus nicht nur in Windeseile entwickelt, sondern auch in Milliarden Dosen produziert worden ist, wird vielleicht einmal als eine der großen Leistungen in die Medizin-Geschichte eingehen. Wer hätte das für möglich gehalten in einer Welt, die schon damals an Überbürokratisierung gelitten hat, in der Gemeinsamkeit nur mehr ein Wort war und gegenseitige Hilfe und Unterstützung auch? Oder all die Milliarden an Masken, die binnen kürzester Zeit zur Verfügung gestanden sind, zuerst in der einfachen Variante, dann in der FFP-2-Variante? Oder die Testprogramme, die in kürzester Zeit aufgestellt, organisiert und umgesetzt wurden? All die Tests, die bald sogar in den Supermärkten zu haben waren. Und als gelernter Österreicher fragt man sich noch heute erstaunt, wie es möglich war, in aller Eile eigene Impfstraßen samt elektronischer Anmeldesysteme einzurichten.

Zum Faszinierenden aus dieser Zeit zählt wohl auch, wie schnell sich Möglichkeiten entwickelten, übers Internet zu kommunizieren. Videokonferenzen wurden zum Alltag, "Zoom" oder "Teams" wurden zu Begriffen, die bald jeder kannte. Und wer hätte geglaubt, dass Unternehmen über Jahre und oft bis heute die Arbeit auslagern und mit Home-Office bestehen können?

Das und vieles andere zeigte nicht nur die Leistungsfähigkeit des Gemeinwesens in Krisensituationen, sondern auch die Leistungsfähigkeit von Unternehmen, der öffentlichen Einrichtungen und die Möglichkeiten des internationalen Handels und der Zusammenarbeit über Landesgrenzen und Kontinente hinweg. Und es zeigt, bei allen Einschränkungen, auch die Leistungsfähigkeit der Politik, die freilich mit Fortlauf der Zeit von immer mehr Menschen als Unfähigkeit empfunden worden ist.

Es wurde vieles geschaffen in dieser Zeit und es wurde viel gezeigt, was in der Gesellschaft, in der Wirtschaft und auch in der Politik steckt. Heute erinnert man sich manchmal sogar mit einer gewissen Wehmut daran, wie man damals beim Wirt ums Eck die Portion Schnitzel samt Erdäpfelsalat holte, die in -auch das zählt zu den Leistungsbeweisen der Wirtschaft -eigens in aller Eile entwickelten Kartons aus dem Fenster auf die Gasse gereicht wurde.

Das alles sollte nicht untergehen und vergessen werden. Und freilich auch nicht, was viele Menschen vor allem in den Spitälern und Pflegeeinrichtungen leisteten. Genau da zeigte sich allerdings, wie schnell die Gesellschaft vergisst, wie schnell Versprechen verpuffen. Die Wertschätzung für diese Berufe und schon gar die Bereitschaft sie entsprechend zu entlohnen, verschwand so schnell wie das Sars-Cov2-Virus.

Das ist für die Betroffenen bitter. Für die gesamte Gesellschaft ist bitter, dass nichts geblieben ist vom Geist dieser Zeit, der bei allen Widerständen so oft zeigte, was eigentlich in uns allen steckt. Geblieben sind auch heute noch Zank und Hader und viele Schulden. Und dass die Welt wieder in ihrer Bosheit tobt, wie es sich schon in den Jahren vor der Pandemie abzeichnete. Dabei hätte sie gerade in diesen Jahren der Pandemie gezeigt, wozu sie fähig ist.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 20. März 2025

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