Der erste Beweis, dass die neue Regierung etwas können könnte, ist gelungen. Die Abstimmung der NEOS am vergangenen Sonntag ist unfallfrei über die Bühne gegangen. Das immerhin. Bei anderen Parteien, man will keine Namen nennen, wäre das ja nicht so sicher gewesen, wie man weiß. Die Regierung Stocker kann also die Arbeit aufnehmen. Höchste Zeit ist es. Große Freude darüber, dass wir endlich wieder eine Regierung haben, mag dennoch nicht aufkommen.
Es hat wohl viel zu lange gedauert und man hat sich viel zu viel anschauen und befürchten müssen, bis es doch noch zu einer Einigung kam. Warum nicht gleich, fragt man sich im Nachhinein. Vielleicht wären dann Freude und Erleichterung größer.So fehlt der Regierung schon von Beginn weg der Glanz und die Erwartungen sind niedrig. "Jetzt das Richtige tun", der Titel des Regierungsprogramms, ist allenfalls ein Motto, aber kein Ziel und schon gar kein Leuchtturmprojekt, das dem Land Orientierung für die Zukunft sein könnte. Entsprechend in Grenzen hält sich die Begeisterung. Es sind vor allem die unmittelbar Beteiligten, die freundliche Nasenlöcher machen. So findet der VP-Wirtschaftsbund, dass alles passt und auch die Chefin des Seniorenbundes lässt Nämliches vernehmen.
Ansonsten freilich ist die Skepsis nicht zu übersehen und nicht zu überhören. Am spitzesten formulierte Franz Schellhorn, Chef der Agenda Austria und Bruder des Staatssekretärs Sepp Schellhorn. Er gratulierte der Volkspartei und den Neos mit einem Anflug von Spott zu deren "Mut". "Sie trauen sich mit einem Regierungsprogramm an die Öffentlichkeit, das sich wie ein Grundsatzpapier der SPÖ liest, nur ohne Substanzsteuern." Aber auch die Wirtschaftsweisen des Landes sind nicht glücklich mit dem, was die drei Parteien als ihr Programm beschlossen haben. Er sei "keineswegs sicher", ob das Sparprogramm zu schaffen sei, ließ Christoph Badelt, Chef des Fiskalrates, vernehmen und weiß sich einer Meinung mit Wifo-Chef-Gabriel Felbermayr und IHS-Leiter Holger Bonin. Zu viel sei unklar, wo die Gelder herkommen sollen, die man einsparen will. "Wir sind im Nebel", wird Badelt zitiert. Auch bei den Chefs der Industrie kommt "keine Euphorie" auf. "Der große Aufbruch aus der Industriekrise steht nicht drinnen."
Da geht es den Herren nicht anders wie dem Rest der Bevölkerung. Was wirklich aus all dem wird, was man ins Regierungsprogramm geschrieben hat, und wie es letztendlich beim Steuerzahler respektive beim Bürger ankommen wird, ist weitestgehend unklar. Das gilt, abgesehen von Initiativen für die Wirtschaft, auch für die geplanten Sparvorhaben, die umgehend umgesetzt werden müssen, um ein EU-Verfahren zu vermeiden, und reicht bis zur Ausgestaltung der Nachfolgeregelung für die Bildungskarenz und des Mietendeckels, der manchen Vermieter schon jetzt auf die Palme treibt. "Die Inflation in den letzten Jahren hat der Staat gemacht, und die muss nun der Vermieter schlucken, weil man die Mieter schützen möchte", schreiben sich manche schon jetzt den Groll vorsorglich von der Seele. "Das ist rote Politik in Reinkultur."
Von Letzterer finden auch nicht wenige andere allzu viel im Regierungsprogramm. "Die ÖVP machte bei der Wirtschaft viele Zugeständnisse", meint selbst der Politikberater Thomas Hofer. "Auffällig ist, dass die SPÖ viel durchgesetzt hat." Und auffällig wenig ist die Rede davon, dass, wie eine Zeitung geschrieben hat, die Umweltpolitik "gekübelt" wurde, und dass die Kultur kaum eine Rolle spielt.
Auch wenn man es im Überschwang der gelungenen Koalitionsverhandlungen wohl noch verdrängt -es gibt zwischen den drei Parteien auch genügend Reibungsflächen. Inhaltlich sowieso, aber auch persönlich, wenn man nur daran denkt, wie manche der beteiligten Personen doch sehr profiliert und pointiert aufgetreten sind in der Vergangenheit. Querköpfe wie Sepp Schellhorn, Sturköpfe wie Andreas Babler und Ideologen wie Markus Marterbauer können sehr schnell zu Stolpersteinen werden.
Vor allem der neue Bundeskanzler muss nun beweisen, dass er auch ein Politiker ist und mehr als ein Anwalt, der die Konkursmasse verwaltet. Man kann sich Stocker schwer als politischen Agitator vorstellen. Man muss abwarten. So wie man vieles andere abwarten muss, weil alleine die Dreier-Konstellation in Österreich neu ist.
Bleiben wir erst einmal zuversichtlich, dass mehr so gelinge wie die NEOS-Abstimmung.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 6. März 2025
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