Donnerstag, 31. Juli 2025

Einfach nur wundern

Man kann es abtun als Ausreißer, man kann auch sagen die Wahlen sind weit weg und auch, dass es ja andere Umfragen auch gibt. Faktum ist -auch die neue Regierung, immerhin auch schon wieder fast fünf Monate im Amt, schafft es nicht die FPÖ in den Griff zu kriegen. Ganz im Gegenteil. Laut der aktuellen Sonntagsfrage kommt die Partei von Herbert Kickl auf beinahe so viele Prozent wie die SPÖ und die ÖVP zusammen. 34 Prozent für die FPÖ vermeldete dieser Tage das Online-Boulevardmagazin Exxpress, das erst jüngst mit staatlichen Förderungsgeldern für Qualitätsjournalismus ausgestattet wurde.

34 Prozent sind nicht wenig und deutlich mehr als die FPÖ bei den letzten Wahlen erringen konnte. Für die großen Regierungsparteien hingegen geht's weiter bergab. Für die Volkspartei sogar ziemlich steil. Um 4,32 Prozent liegen die Türkisen laut APA-Wahltrend unter dem Wahlergebnis vom vergangenen Herbst. Dagegen nehmen sich die minus 1,2 Prozent der SPÖ mit ihrem so viel gescholtenen Vorsitzenden nachgerade harmlos aus, gar nicht zu reden von den NEOS, die laut APA sogar mit 1,4 Prozent im Plus liegen.

Diese Umfrageergebnisse mögen mit vielem zu tun haben, sie haben wohl aber auch damit zu tun, dass die ÖVP dabei ist, wieder in alte Bahnen zu geraten. Allem Stocker zum Trotz, der sie, das muss man ihm lassen, in ruhigere Gewässer geführt hat und der heimischen Politik die Aufgeregtheit genommen hat. In seiner Partei macht sich aber wieder diese Bräsigkeit breit, die von einer zur Schau getragenen Überlegenheit geprägt ist, die wenig mit der Wirklichkeit zu tun hat, die schon in den vergangenen Jahren so viele Stimmen gekostet hat.

Da nimmt nicht wunder, dass den Herrschaften die Politik schon wieder um die Ohren zu fliegen beginnt. Vor allem auch, weil man immer wieder von der eigenen, bekanntermaßen nicht immer so tollen Politik der vergangenen Jahre eingeholt wird, weil sich vollmundige Versprechen allzu oft als hohl erweisen oder weil man schlicht vergisst, dass es die eigene Wählerschaft ist, auf die man da losgeht.

Die Diskussion um die Teilzeitbeschäftigung ist typisch dafür. Sie wurde vom Wirtschaftsminister dort angezettelt, wo man sie immer verortete -bei den Frauen. Das verwunderte schon, ist doch seine Partei jene, in der am längsten die Nase darüber gerümpft wurde, dass Frauen überhaupt einer Arbeit nachgehen. Inzwischen ist die Diskussion längst bei der übergebührlichen steuerlichen Belastung gelandet, die vielen die Lust an der Arbeit verleidet, weil ihnen der Finanzminister so tief in die Taschen greift, dass sie lieber daheimbleiben. Und gar nicht zu reden davon, dass sehr viele Unternehmen derzeit gar nicht so viel Arbeit haben, dass sie ihre Mitarbeiter voll beschäftigen könnten. Und dass es so ist, hat maßgeblich die Partei des Wirtschaftsministers zu verantworten, der jetzt den Eindruck erwecken will, er habe das Thema entdeckt -obwohl seine Partei zu den Verursachern zählt.

Im aufgehenden Sommerloch liefern die Türkisen mehrere Beispiele wie dieses, die die eigenen Wähler eher ratlos, wenn nicht gar verärgert zurücklassen. Da nennt etwa der Landwirtschaftsminister die Vorschläge zur künftigen EU-Agrarpolitik eine "zentrale Gefahr für die österreichische Landwirtschaft", ganz so, als ob er vor Jahresfrist vor den Europawahlen nicht durch die Lande gezogen ist, um just für jene Fraktion zu werben, deren Politik und deren Personalentscheidungen den Bauern nun diese trüben Aussichten eingebrockt hat. Gelernt hat man freilich nichts. Denn jetzt heißt es schon wieder "jetzt zeigt sich einmal mehr, wie bedeutend eine starke Vertretung der österreichischen Bauernschaft in Brüssel ist". Dreimal darf man raten, was man sich in der Bauernschaft, immerhin allem zum Trotz Stammwähler der Türkisen, darob denkt. Wundern darüber sollte man sich freilich nicht.

Und wundern sollte man sich auch nicht über die junge Bundesministerin im Bundeskanzleramt, die in Kopftüchern bei Kindern einen Ausdruck "extremistischer Tendenzen" sieht. Dabei möchte man wetten, dass sie in ihrer Mühlviertler Heimat, wo diese Art von Kopfbedeckung bei Frauen, zumal bei solchen, die zur Stammwählerschaft der Türkisen zählen, immer noch verbreitet ist, als Kind auch oft ein Kopftuch getragen hat.

Wie gesagt - man soll sich wundern. Und vielleicht auch fragen, ob es den Türkisen auf diese Art gelingt, wieder Boden unter die Füße zu kriegen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 31. Juli 2025

Dienstag, 29. Juli 2025

„Man kann’s auch übertreiben und den Wohlstand gefährden“

Zu teuer? Der Landmaschinen- Hersteller Pöttinger legt Expansionspläne in Österreich auf Eis.

Hans Gmeiner

Wegen der hohen Kosten in Österreich rechnen sich die Pläne nicht mehr, sagt Gregor Dietachmayr, Sprecher der Geschäftsführung des oberösterreichischen Familienunternehmens Pöttinger, das besonders in Grünlandtechnik auch international zu den Großen der Branche zählt.

SN: Pöttinger bekam die Krise im Vorjahr heftig zu spüren. Nach guten Jahren fiel der Umsatz um 20 Prozent. Im vergangenen Winter haben Sie von leisen positiven Signalen gesprochen. Was ist daraus geworden? 

Gregor Dietachmayr: Diese positiven Signale haben sich leider nicht fortgesetzt. Bei den Geräten für die Grünlandwirtschaft sind wir zwar stabil, bei den Geräten für den Ackerbau, auf die 35 Prozent unseres Umsatzes entfallen, spüren wir die sinkenden Preise für Feldfrüchte und die schwierige Ertragslage der Landwirte in diesem Bereich. Die Preise sinken dort, während die Kosten steigen. Weltweit lässt in diesem Bereich die Investitionsbereitschaft zu wünschen übrig.

Die USA gelten als Markt mit großem Potenzial. Wie erleben Sie die USA unter Trump? 

Wir haben in den USA vor zwei Jahren 40 Millionen Euro Umsatz gemacht. Aufgrund der aktuellen Situation hat sich dieser Umsatz halbiert. Das hat mit der schlechten Lage der US-Landwirtschaft begonnen und jetzt kam die Zollthematik dazu. Wir haben nun 15 statt zuletzt zehn Prozent auf all unsere Produkte. Und wir sind auch von den 50-prozentigen Zöllen auf Stahl betroffen, weil die auch auf Maschinen für den Ackerbau aufgeschlagen werden.

Pöttinger ist immer noch in der Ukraine und auch in Russland auf dem Markt. 

Das sind kleine Märkte. In der Ukraine haben wir 50 Beschäftigte. Die leisten großartige Arbeit und zählen zu den Gewinnern des Wirtschaftsjahrs. In Russland sind wir noch aktiv, aber deutlich reduziert, beeinträchtigt von Sanktionen und beschränkten Möglichkeiten im Kapitalverkehr. Aber da ging es nie um große Umsatzzahlen.

In Deutschland gab es Sorgen wegen der Schwierigkeiten der BayWa, des größten Kunden dort. 

Die haben uns schon ein paar schlaflose Nächte bereitet. Aber das geht jetzt wieder in die richtige Richtung. Die Zahlen stimmen.Was heißt das alles für das aktuelle Geschäftsjahr, das mit Ende Juli endet? Wir hatten von Jänner bis Mai deutlich höhere Auftragseingänge als im Vorjahr, das ist aber im Juni und Juli wieder abgerissen. Erhofften wir im Frühling noch ein leichtes Plus, so gehen wir jetzt von einem Minus im einstelligen Prozentbereich aus.

Im Vorjahr meldeten Sie im Sommer 200 Mitarbeiter beim Arbeitsmarktservice an. 

Heuer sind es deutlich weniger. Zudem schöpfen wir wieder alle Möglichkeiten wie konsequenten Urlaubsabbau und Abbau der Zeitkonten aus. Zudem haben wir die Zahl der Zeitarbeitskräfte reduziert.

Weltweit leidet die Landmaschinenindustrie. 

Alle stecken in einer Absatzkrise, die ihre Wurzeln in den Marktverwerfungen als Folge der Coronakrise und des Ukrainekriegs hat. Zuletzt kamen die Zinsen und die Inflation dazu. Die Produkte wurden immer teurer, der Absatz begann zu stocken. Dazu gab es noch Sonderfaktoren wie die Investförderung in Österreich, die viele landwirtschaftliche Betriebe zu Vorziehkäufen veranlasste. Das alles mündete dann sehr schnell in die Situation, mit der wir derzeit alle zurechtkommen müssen.

Wie reagiert man da als Unternehmen? 

Ist das so wie Fahren im Nebel? Nein, im Nebel fährt man nicht, aber man muss heute extrem unterschiedliche Szenarien entwickeln. Die Bandbreite der Möglichkeiten ist eine ganz andere als vor fünf oder zehn Jahren. Es wird zunehmend weniger planbar. Wer kann mir heute sagen, was in drei oder fünf Jahren ist? 

Kommen wir zur Wirtschaftspolitik und zum Standort Österreich. Wo sehen Sie das Problem?

Vielleicht einmal vorweggeschickt: Es ist mir ein großes Anliegen festzuhalten, dass es uns Österreicherinnen und Österreichern gut geht. Das ist unbestritten und wichtig. Aber man kann’s halt auch übertreiben und man kann den Wohlstand auch gefährden. Und das ist meiner Ansicht nach in den letzten Jahren in Österreich schon passiert. Wir lassen es uns unter Anführungszeichen zu gut gehen. 

Können Sie da konkreter werden? 

Natürlich. Wir haben uns die vergangenen vier Jahre in Europa unter die Top 3, was die Arbeitskosten anlangt, hinentwickelt. Da ist ja bei den Lohn- und Gehaltsabschlüssen immer die Benya-Formel, nach der sich die Lohnabschlüsse an der Inflationsrate orientieren sollen, strapaziert worden. Die Abschlüsse liegen aber seit Jahren darüber. Es muss uns auch bewusst sein, dass wir uns mittel- und langfristig dadurch selber schaden, da gehört mit Augenmaß agiert.

Sie vermissen Augenmaß? 

Genau. Und ich meine, es ist zwar Illusion oder Wunschvorstellung, dass man einen Staat führt wie ein Unternehmen, aber es wäre manchmal gut. 

Ist Österreich als Wirtschaftsstandort uninteressant geworden? 

Wir haben jedenfalls an Attraktivität ganz massiv verloren. Wir gegenüber dem restlichen Europa und wir erst recht gegenüber der restlichen Welt. Nichts einzuwenden dagegen, dass Europa in Sachen Umwelt Vorbild sein soll, aber es ist Faktum, dass die Energiekosten für die industrielle Fertigung in Europa drei Mal so hoch sind wie in den USA. Da muss man schauen, dass man das kompensiert, dass wir besser sind, dass wir effizienter sind und so weiter und so fort. Aber man kann’s auch übertreiben. Und in Österreich haben wir sicher übertrieben. Am Ende, wenn uns nicht schnell was einfällt, wird Produktion abwandern. Das tut sie schon allein, wenn keine Investitionsentscheidungen mehr in Österreich getroffen werden.

Auch Pöttinger hatte andere Pläne, als man in der Nähe des derzeitigen Standorts Projekte entwickelte. 

Ja, wir haben in der Nähe unseres Standorts Grieskirchen begonnen, ein Werk zu errichten, aber jetzt nach der zweiten von insgesamt fünf geplanten Ausbaustufen vorerst einmal Stopp gesagt, weil sich für uns aktuell nicht abzeichnet, dass wir an dem Standort konkurrenzfähig sind. Wenn wir jetzt Investitionsentscheidungen treffen müssten, gäbe es andere Standorte, die wir vorher prüfen, als weiter in Österreich zu investieren.

Und wie sehen Sie die Zukunft von Pöttinger? 

Die Herausforderung für die Zukunft ist neben den Märkten die Technik. Entwickeln wir unsere Maschinenkonzepte in Richtung Großfläche weiter? Oder sind der technologische Treiber für uns eher autonome, also selbst fahrende Systeme, die mit geringeren Arbeitsbreiten auskommen und den großen Vorteil haben, dass sie Tag und Nacht fahren und deswegen zu ihrer Schlagkraft kommen? Vor allem geht es uns darum, weiterhin einen Teil dazu beizutragen, die Landwirtschaft mit unseren Produkten zu unterstützen und damit die Ernährung der Weltbevölkerung abzusichern.

Gregor Dietachmayr ist Sprecher der Geschäftsführung des Landmaschinenherstellers Pöttinger. Das Familienunternehmen aus Grieskirchen (OÖ) mit Produktionen in Deutschland, Tschechien und Italien ist rund um den Globus tätig und erzielt mit 2200 Beschäftigten einen Jahresumsatz von rund 500 Mill. Euro.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 29. Juli 2025

Donnerstag, 17. Juli 2025

Bauernsterben ist kein Schicksal

Die Zahl der bäuerlichen Betriebe hat sich in 25 Jahren halbiert. „Krisenmodus“ sei dennoch nicht angesagt, sagt Wifo-Agrarexperte Franz Sinabell.

HANS GMEINER

Österreichs Landwirtschaft sei zwar kleinstrukturiert, aber erstaunlich leistungsfähig. Gut 101.000 rein landwirtschaftliche Betriebe gibt es noch in Österreich. Zu Beginn dieses Jahrzehnts waren es noch um knapp 10.000 mehr.

SN: Wenn Zahlen veröffentlicht werden, die einen Rückgang der Zahl der Bauern zeigen, gibt es regelmäßig Aufregung. Vom „Bauernsterben“ ist die Rede, dabei sinkt die Produktion seit Jahren alles in allem nicht. Ist diese Aufregung gerechtfertigt? 

Franz Sinabell: Man muss sich schon Sorgen um die Struktur machen, aber nicht in einen Krisenmodus verfallen. Wir haben in der Lebensmittelindustrie das gleiche Thema wie in der Industrie in Österreich insgesamt – die preisliche Wettbewerbsfähigkeit hat in den vergangenen Jahren abgenommen, wenn sie möglicherweise nicht überhaupt verloren gegangen ist. In den vergangenen fünf Jahrzehnten wurden mehr als 200.000 landwirtschaftliche Betriebe aufgegeben. Den Strukturwandel gibt es in der Landwirtschaft seit über hundert Jahren, und zwar ausgelöst von der Technologie. Die menschliche Arbeitskraft wurde durch Maschinen, durch Chemikalien, durch Roboter, jetzt zunehmend auch durch künstliche Intelligenz, ersetzt. Eine Folge davon ist, dass die Landwirtschaft immer weniger Ressourcen, Arbeit und Boden braucht, um Agrargüter zu erzeugen. Dadurch sinken die Preise und Konsumenten haben einen Vorteil davon, weil sie relativ weniger für das Essen ausgeben.

Das ist schlecht, oder nicht?

Das ist nicht schlecht, weil die Leute selbst entscheiden, ob sie in der Landwirtschaft bleiben oder nicht. Es ist nicht der Staat, der sagt, der Betrieb hat keine Zukunft, mach was anders. Betriebe werden aufgegeben, weil es andere Möglichkeiten gibt. Man kann außerhalb der Landwirtschaft oft ein besseres Einkommen haben, und das bequemer. 

Aber gefährdet der Strukturwandel nicht die Versorgung? 

In der Vergangenheit wurde jede Randfläche, jeder Straßengraben beweidet. Heute wird dieser Aufwuchs im besten Fall in einer Biogasanlage verwertet. Das gefährdet unsere Versorgung bisher nicht. In größeren Strukturen können auch die Felder größer werden, weil Elemente wie Raine und Zufahrtswege wegfallen. Das sieht man, wenn man aus der Luft die Felder in der Slowakei und im Weinviertel vergleicht. Immer weniger hochspezialisierte Menschen in der Landwirtschaft versorgen mehr Menschen, die damit gar nichts mehr zu tun haben. Das gefährdet die Versorgung nicht. Aber es verringert die Resilienz, die Widerstandskraft in schwierigen Situationen.

Muss man sich Sorgen wegen der Entsiedelung von Regionen machen?

Ich sehe das eher entspannt, die Alternative ist, zu sagen: Okay, der Lebensraum eignet sich nicht mehr für die Besiedelung und daher ziehen wir uns daraus zurück. Das ist vor allem im alpinen Bereich zu beobachten. Für diejenigen, die dort leben und wirtschaftliches Vermögen haben, entsteht natürlich ein wirtschaftlicher Schaden. Sie müssen Nachteile hinnehmen. Es kann aber auch Sinn ergeben, weil sich Unternehmen, auch landwirtschaftliche, dann an günstigeren Standorten ansiedeln und dort auch produktiver sein können. Und es kann der Umwelt nutzen, denn es hat ja auch Vorteile, wenn Kohlenstoff in Wäldern gespeichert wird.

Wann gibt ein Landwirt den Betrieb auf? 

Es gibt kaum je den einen Grund. Stellen wir uns umgekehrt die Frage: Warum wird jemand Bauer oder Bäuerin? Es spielen viele Gründe zusammen und so ist es auch bei der Aufgabe eines Betriebs. In der Landwirtschaft in Österreich sind die Eigentümer in den meisten Fällen auch die Bewirtschafter und es gibt kaum Betriebe, die, wie in anderen Branchen üblich, in Konkurs gehen. Meistens ist es so, dass die Betriebe zunächst einmal verpachtet werden. Irgendwann werden die Felder und Wiesen und auch die Gebäude dann vielleicht veräußert.

Welche Rolle spielen die Preise für Agrargüter, die häufig ins Treffen geführt werden? 

Produktive Betriebe sind in der Lage, zum aktuellen Preisverhältnis von Agrargütern und Vorleistungen ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften, ohne dass die Substanz des Betriebs abnimmt. Schafft man es nicht, unter den gegebenen Preisverhältnissen Ersatz- und Erweiterungsinvestitionen zu finanzieren, dann muss man beginnen, sich über eine Umstrukturierung des Betriebs Gedanken zu machen. Geht man etwa in die Direktvermarktung, die Verarbeitung eigener Produkte, dann kann es gelingen, sich vom starken Preisdruck etwas abzuheben. Dafür ist man anderen Zwängen ausgesetzt. Die Frage ist, mit welchen man am besten zurechtkommt.

Welche Bedeutung hat die Betriebsgröße beim Strukturwandel? 

Österreichs Landwirtschaft gilt ja als sehr kleinstrukturiert. Im EU-Vergleich ist Österreich gar nicht so besonders kleinstrukturiert. Nur wenn man sich die unmittelbaren Nachbarländer im Norden und Osten ansieht, wundert man sich, dass unsere Betriebe überhaupt konkurrenzfähig sind. Faktoren wie die hohe Eigenflächenausstattung, die Beschäftigung von Familienarbeitskräften und die Möglichkeit zu Erwerbskombinationen zählen zu den Stärken der heimischen Landwirtschaft. Die Agrarförderungen darf man dabei auch nicht vergessen. Bei uns dominieren Familienbetriebe, die jeweils einen Betrieb bewirtschaften. International sieht man aber zunehmend Unternehmen, die im Besitz von mehreren verschiedenen Betrieben sind, die zwar groß, aber nicht beliebig groß sein können. In Europa und besonders in Österreich sehe ich derzeit noch keinen großen Trend, dass Familien von Kapitalgesellschaften abgelöst werden.

Gibt es auch regionale Unterschiede? 

Ja. Der Strukturwandel ist sehr viel größer in Gegenden, in denen man es gar nicht erwartet. Zum Beispiel in Niederösterreich in Ackerbau-Gunstlagen. Im Berggebiet mit den ungünstigen Produktionsbedingungen hingegen ist er oft deutlich langsamer. Der Grund ist, dass in diesen Regionen die Möglichkeit für Erwerbskombinationen etwa durch Urlaub am Bauernhof oft günstig ist und man oft weniger Alternativen hat, Beschäftigung außerhalb der Landwirtschaft zu finden. In zentraleren Regionen, in der Nähe von Städten wie eben in Niederösterreich, ist es daher oft viel leichter, aus dem Agrarsektor auszusteigen, weil man bessere Beschäftigungsmöglichkeiten in anderen Branchen hat.

Welche Rolle spielt die unternehmerische Leistung der Bauern? 

Verlassen sie sich zu sehr auf die Förderungen und ist die Forderung nach besseren Preisen die einzige Idee? Jeder Betrieb entwickelt heute nach Möglichkeit seine eigenen Strategien. Das sind in Österreich oft Erwerbskombinationen oder die Spezialisierung auf einen Betriebszweig oder Produktspezialitäten. Es gibt sehr viele gut ausgebildete Bäuerinnen und Bauern mit sehr klaren Vorstellungen, wie sie die Ressourcen, die sie haben, nutzen können. Das können auch sehr kleine Betriebe sein, wenn es gelingt, eine Marke aufzubauen, wenn man Spezialitäten erzeugt und wenn man Arbeitskräfte verfügbar hat. Betriebe, die immer das Gleiche machen, sind jene, die durch die hohen Kapitalkosten gezwungen sind, eine einmal getroffene Entscheidung zur Spezialisierung auf einen speziellen Betriebszweig aufrechtzuerhalten.

Von der Politik wird verlangt, dass man den Strukturwandel möglichst bremst, wenn nicht sogar stoppt. Geht das? 

In Österreich wird keine aktive Strukturpolitik gemacht. Weder mit dem Ziel, zu selektieren und Betriebe größer zu machen, noch, wie etwa in den Niederlanden üblich, Anreize zu schaffen, dass Betriebe aussteigen, noch, wie in Frankreich, Nebenerwerbsbetriebe bei Investitionsförderungen nicht mehr zu berücksichtigen. Bei uns wird jeder Betrieb im Wesentlichen gleich behandelt und Investitionsförderungen bekommen auch Betriebe in Berggebieten, um kleine Ställe erweitern zu können.

Was sind eigentlich starke Strukturen? 

Es gibt immer diese Vergleiche der Tierbestände und Hektar pro Betrieb. Österreich liegt da immer ganz weit hinten. Das allein macht keine starken Strukturen aus. Dazu gehören Landtechnikbetriebe und Mechaniker, die die Maschinen am Laufen halten und da sind, wenn irgendwas kaputt ist. Es muss Landesproduktenhändler geben, die Dünger und Saatgut bereitstellen. Und es muss Abnehmer für die Agrargüter geben, starke Verarbeiter. Und da hat Österreich große Vorteile.

Wie ist die Struktur der österreichischen Landwirtschaft im europäischen Vergleich zu beurteilen? 

In Österreich ist es so, dass von der Umweltgesetzgebung viel weniger Druck auf die Landwirtschaft ausgeht als in anderen Ländern, wenn man etwa an die Niederlande, Dänemark oder auch Deutschland denkt. Österreich hat weniger Anpassungsdruck, weil man es gar nicht so weit kommen ließ wie dort. Also haben wir in diesem Bereich grundsätzlich gute Voraussetzungen.


Franz Sinabell ist Ökonom am Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) und Lektor an der Universität für Bodenkultur.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 17. Juli 2025

Land der Möglichkeiten

"Soziale Mobilität in Österreich ist vergleichsweise gering", heißt es regelmäßig. Auch "Einkommen, Beruf und Bildung werden maßgeblich vom sozialen Status der Eltern bestimmt". Oder "In welche Familie man hineingeboren wird, prägt in großem Ausmaß die künftigen Lebensund Einkommenschancen". Kurzum, sozialer Aufstieg erweist sich als schwieriges, wenn nicht unmögliches Unterfangen - wie eine Leiter ohne Sprossen. Man kennt diese Sätze. Sie gehören zum Standardrepertoire gesellschaftlicher Betrachtungen in Österreich. Sie sind kaum zu leugnen und wohl eine der ewigen Herausforderungen in diesem Land. Frauen sind besonders betroffen, Migranten auch. Man erlebt es immer wieder, man hört davon. Und man muss ernst nehmen, wenn Österreich in einschlägigen Vergleichen mit anderen Ländern schlecht abschneidet.

Zur Wirklichkeit passen diese Sätze, Einschätzungen und Untersuchungsergebnisse freilich nicht immer. Schon gar nicht in der Totalität, in der sie gerne daherkommen. Es gibt vielleicht diese gläserne Decke, von der so oft die Rede ist, wirklich. Aber sie ist durchaus durchlässig. "In Österreich lebt der 'American Dream'", betitelte unlängst "Die Presse" eine Meldung über eine Studie von Wissenschaftlern der Uni Wien und der Linzer JKU zum Thema soziale Mobilität. Der wirtschaftliche Erfolg eines Kindes wird ihr zufolge, anders als Bildung, nur minimal vom Elternhaus beeinflusst. "Die Ergebnisse sind bemerkenswert", wird einer der Studienautoren zitiert.

Und sie sind es tatsächlich. Denn dieser Studie zufolge ist der Zusammenhang zwischen dem Einkommen der Eltern und dem der Kinder in Österreich im internationalen Vergleich außergewöhnlich niedrig. Deutlich niedriger jedenfalls als im gerne als Vorbild zitierten Dänemark und deutlich besser als in den USA, wo über Generationen der "American Dream" Vorbild und Ziel von Millionen Auswanderern war.

Kurzum -die soziale Mobilität in Österreich ist viel stärker ausgeprägt als bisher angenommen. Da ist Österreich also durchaus etwas gelungen.

Beispiele dafür gibt es reichlich. Didi Mateschitz gehört dazu oder auch Sigi Wolf und viele andere auch. In den vergangenen Jahren zeigten viele, was man in Österreich aus sich machen kann -mit dem nötigen Ehrgeiz, dem nötigen Eifer, dem nötigen Rückhalt, guten Ideen und klaren Zielen. Und natürlich mit viel Glück, muss man hinzufügen, denn das braucht es wohl immer, gleich aus welchem Elternhaus man kommt.

In Führungspositionen in Konzernen und Unternehmen findet man heute überwiegend Menschen, die nicht mit goldenen Löffeln gefüttert wurden, sondern häufig Leute, die aus einfachen Verhältnissen stammen, deren Eltern Lehrer waren, Angestellte, Beamte, Handwerker auch und nicht selten Arbeiter. Sehr oft auch waren sie einfache Bauern. Heute sind deren Nachkommen Anwälte, Notare und Richter oder Spitzenbeamte, leiten Abteilungen in Behörden und Unternehmungen, haben Firmen oder sitzen in den Chefetagen von Konzernen oder an den Schalthebeln der großen Politik.

Mitunter ist es beeindruckend, wozu es diese Leute gebracht haben. Auch wenn sie zuweilen scheitern, wie Stefan Pierer, oder auf Abwege geraten, wie Rene Benko. Aber all diese Karrieren, die Erfolgreichen wie die Gescheiterten, sind in Österreich möglich. Auch wenn die Eltern am Fließband standen, in Schulklassen oder in Ställen und auf Feldern.

Das ist nicht geringzuschätzen. Denn umgekehrt zeigt sich immer wieder, dass es mit einer vollen Hose gar nicht so leicht ist zu "stinken", wie der Volksmund gerne meint. Legion sind die vorgeblich höheren Söhne und Töchter, die es wirtschaftlich zu nichts gebracht haben, die sich schwertun in der Arbeitswelt und die sich selbst kaum erhalten können.

In allen Fällen ist meist auch der Einfluss, das Vorbild der Eltern, nicht zu übersehen. Im Positiven wie im Negativen. Ein wenig beachteter Grund dafür, dass man bei uns fehlende soziale Durchlässigkeit beklagt, liegt wohl auch darin, dass nicht wenige Eltern, auch solche, denen es leicht fallen würde, gar nicht wollen, dass sich ihre Kinder um das bemühen, was als sozialer Aufstieg gilt. Während die einen gar nicht wollen, dass das Kind etwas studiert, denken die anderen gar nicht daran, dass etwas anderes als Studieren eine Möglichkeit sein könnte.

Sie sollten vielleicht ihre Meinung ändern. Denn auch, wenn man es oft nicht glauben mag - Österreich ist allem zum Trotz ein Land der Möglichkeiten.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 17. Juli 2025

Donnerstag, 3. Juli 2025

Alle reden mit - über alles

Den Präsidenten der Landwirtschaftskammer Österreich, ansonsten alemannische Gelassenheit und Ruhe in Person, bringt dann und wann doch etwas aus der Fassung. "Spendensammel-Umfragen unter Ahnungslosen zu zentralen Landwirtschaftsthemen dürfen keine Entscheidungsgrundlage sein", poltert er dann, wenn ihm die Begehrlichkeiten von NGOs und Zurufe von außen gar zu viel werden. Die Landwirtschaft ist dabei so etwas wie das Paradeopfer. Wie kaum eine andere Branche müssen sich die Bauern mit Vorhaltungen von NGOs und allerlei anderen Gruppen auseinandersetzen, die nichts mit der Landwirtschaft zu tun haben, meist nicht über das nötige Fachwissen verfügen, sondern sich einfach herausnehmen, Diskussionen anzuzetteln und dabei gerne auf Umfragen verweisen. Und das, obwohl man in dieser Welt, von der man mitunter so viel fordert, keine Verantwortung zu tragen hat, davon oft gar nicht betroffen ist und nicht davon leben muss. Aber heute hat jeder eine Meinung zu allem und scheut sich kaum mehr, ob dafür qualifiziert oder nicht, diese hinauszuposaunen und auch noch zu verlangen, dass sie berücksichtigt wird -zumal dann, wenn sie wirtschaftlich oder politisch in die entsprechenden Kanäle geleitet wird. Von Respekt ist da nur selten etwas zu spüren.

Mitunter scheint jeder zu glauben, überall mitreden zu können. Obwohl er oder sie noch nie in einem Stall war, noch nie Verantwortung für Tiere oder Feldfrüchte hatte, so etwas wie den Wolf nur aus dem Märchenbuch kennt und für die ein Bär so etwas ist wie Winnie Pooh. Und alle spielen mit. "Der gute Wolf: 83 Prozent sehen kein Problem", posaunen die Zeitungen hinaus, was ihnen NGOs vorsagen. Wie es den Bauern geht, welche Bemühungen es von Seiten der Landwirtschaft gibt und was man sonst alles versucht, spielt keine Rolle. Das Urteil steht fest. "Drei von vier Österreicher:innen denken anders als Minister Totschnig."

Bei anderen Themen, die die Landwirtschaft betreffen, ist es nicht anders. Alle reden mit - und das mit inbrünstiger Überzeugung. "Bevölkerung will raus aus der Massentierhaltung", brachten Umfragen als Ergebnis. Und: "Überwältigende Mehrheit missbilligt Methoden der konventionellen Landwirtschaft." Diese Tonart ist Regel geworden. Alles besser wissen, überall dreinreden und immer das Maximum wollen. Ohne Kompromisse.

Wo die Landwirtschaft wirklich steht, welche Bemühungen es gibt und welche Hürden -keine Rede davon. Schon gar nicht davon, dass es dann das Schnitzel nicht um ein paar wenige Cent gäbe. Den Vogel schoss der Umweltdachverband ab, der erhob, dass "90 Prozent der Befragten es für wichtig halten, dass Landwirt:innen Maßnahmen ergreifen, um ihre Tiere vor natürlichen Risiken wie Unwettern, Unfällen, Krankheiten oder Übergriffen von großen Beutegreifern zu schützen". Ganz so, als ob die "Landwirt:innen" das nicht täten.

An diesem Muster, das nicht wenige für ein Geschäftsmodell von NGOs und anderen Gruppierungen bis hinein in die Welt der politischen Parteien halten, leiden auch viele andere Bereiche. Bei Straßenprojekten reden nicht nur Betroffene mit, wenn es darum geht, sie zu verhindern, sondern Hinz und Kunz, wo immer sie wohnen. Bei Bahn-Projekten ist es nicht anders. Und bei vielen anderen Themen auch nicht.

Längst geht es nicht mehr darum, politische Einstellungen abzufragen. Mit Umfragen Politik zu machen, ist Usus geworden. Damit zu täuschen auch. Unvergessen die EU-Umfrage zur Zeitumstellung, bei der sich 80 Prozent der Teilnehmer für eine ganzjährige Umstellung auf Sommerzeit ausgesprochen haben. "Mehrheit will Zeitumstellung abschaffen", wurde damals geschrieben. Davon, dass nur 4,6 Millionen von mehr als 450 Millionen EU-Einwohnern daran teilgenommen haben, war keine Rede. Und dennoch hat nicht viel gefehlt, dass die Zeit wirklich umgestellt worden wäre.

Die, man mag es "Umfragokratie" nennen, ist längst zu einer Gefahr geworden. Umfragen dienen kaum mehr der Meinungsfindung, sondern sind zu einem politischen Instrument und auch wirtschaftlichen geworden -und damit zu einer Gefahr für die Demokratie, aber auch, siehe Landwirtschaft, für die Wirtschaft. Sie werden nach Gutdünken für Ziele eingesetzt, die oft kaum erkennbar sind. Regeln gibt es nicht. Und auch keine Transparenz. Und damit ist für alles und jedes die Tür offen. Nur nicht nur für die, gegen die sie eingesetzt werden.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 3. Juli 2025
 
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