Donnerstag, 23. Oktober 2025

Leere Rituale - böse Folgen

Österreich hat ein veritables Problem mit wachsendem Antisemitismus. Seit Jahren - und nicht erst seit der mörderischen Auseinandersetzung zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen. Das Problem ist kaum je kleiner geworden, sondern wuchs stetig weiter, zuletzt sprunghaft. Dabei hatte es nie am Engagement gefehlt, gegen den Antisemitismus anzukämpfen. Legion sind die Fernsehdiskussion, die Artikel, die Bücher, die Demonstrationen, die Protestaktionen und die Filme, die gemacht wurden. Was wurde nicht alles an Aufklärungsarbeit geleistet. Immer im ernsten und ernsthaften Bemühen. Oft großartig sogar und immer redlich. Die Argumente hätten überzeugender nicht sein können und auch nicht einleuchtender. Und dennoch ist der Kampf gegen den Antisemitismus in Österreich wohl eher eine Geschichte des Scheiterns, zumal jener in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten. Die Argumente verfingen nicht, gingen ins Leere, bewirkten oft sogar das genaue Gegenteil dessen, was sie intendierten. Leerlauf im besten Fall. Und Verhärtung im Schlechtesten.

Bei anderen Themen läuft es nicht anders. Das Ringen um Frauenrechte und Emanzipation zählt dazu, der Kampf gegen den neuen Faschismus, der in allen extrem rechten Parteien mehr oder weniger deutlich durchschimmert, oder die Bemühungen, für Flüchtende und Migration Verständnis zu finden. Nichts scheint zu verfangen, oft scheinen sich die Bemühungen ins Gegenteil zu verkehren. Auch das alles Geschichten des Scheiterns. Oft nicht mehr als leere Rituale.

All dieses ständige Scheitern freilich hat nie dazu bewogen, die Strategie zu ändern. Nirgendwo. Immer wieder die gleichen Argumente, immer wieder die gleiche Strategie, immer wieder rennt man mit den gleichen Methoden gegen das an, was man verurteilt -ohne je danach zu fragen, warum man keinen Erfolg hat und schon gar nicht, was man ändern und anderes machen könnte, um doch zu Erfolg zu kommen. Um das zu erreichen, was man will -wenn es um Antisemitismus geht, um das Aufkommen der neuen Rechten oder um Migration oder um Frauenrechte.

Das mag mit vielem zu tun haben. Es hat aber auch, und das mag man gar nicht wahrnehmen, sehr viel damit zu tun, dass man die Menschen, die man überzeugen will von den eigenen Ansichten, kaum je versucht zu verstehen. Man will ihnen, so der Eindruck, gar nicht zuhören und scheint sich stattdessen sehr viel lieber in oft eitler Selbstzufriedenheit ergehen zu wollen, als wirklich zu Erfolgen zu kommen. Man hat ja die Wahrheit gepachtet und die Moral auf seiner Seite. Ist halt einfacher so. Das hat auch viel mit intellektueller Arroganz und Hochnäsigkeit zu tun und viel damit, dass man sich mit Leuten, die solchen Einstellungen anhängen, nicht einlassen mag.

Das macht es schwierig, zumal dann, wenn man erkennen muss, dass diese Leute, was die Ablehnung und Einschätzung ihres Gegenübers betrifft, durchaus oft aus ähnlichem Holz geschnitzt sind wie man selbst. Von sich und ihrer Meinung und Einstellung fest überzeugt, und überzeugt davon, dass das Gegenüber völlig falsch liegt, ja nachgerade ein schlechter Mensch ist. Hochnäsig auch und herablassend.

Dieses Muster ist längst überall zu finden. Und der Riss durch die Gesellschaft ist kaum mehr zu übersehen und noch weit weniger zu überbrücken.

Daran leiden wir. Kaum jemand schaut noch über den eigenen Tellerrand hinaus oder ist, wie man heute wohl sagt, willens, seine eigene Blase zu verlassen, verschafft die ihm doch täglich Selbstbestätigung, ohne sich lange mit der Welt draußen, mit anderen Ansichten und Einschätzungen gar, auseinandersetzen zu müssen.

Man versucht gar nicht mehr zueinander zu finden und auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Es gibt keine Gespräche mehr, sondern allenfalls einen Austausch von Argumenten. Ritualisiert und leer. Das gilt im Privaten und erst recht in der Politik, von der kaum mehr Substanzielles, gar schon Substanzielles über die Parteigrenzen hinweg, kommt, sondern nur mehr PR-Botschaften für die eigene Klientel. Und gar keine Rede davon, den anderen zu akzeptieren.

Und nicht anders ist es mit den Bemühungen um die großen, eingangs zitierten Themen. Warum sich dann auch mit dem Gegenüber ernsthaft auseinandersetzen? Warum ihm zuhören? Warum auf ihn eingehen? Wo man doch die Wahrheit gepachtet hat. Gleich auf welcher Seite man steht.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 23. Oktober 2025

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