Donnerstag, 30. Oktober 2025

Mit Steilvorlagen ins Aus

Der vergangene Sonntag verlief für Herbert Kickl etwas anders als sonst seine Sonntage verlaufen. War ja der Staatsfeiertag. Da verteilte der Obmann der Freiheitlichen Partei auf dem Neutralitätsfest seiner Partei in Wien Gulasch. Normalerweise wünscht er per Selfie in sportlicher Montur und verschwitztem Gesicht auf seinen Social Media-Kanälen -Kickl hat alleine auf Facebook, X und Instagram mehr als 465.000 Follower und damit ein Vielfaches seiner Konkurrenten - einen schönen Sonntag aus irgendeiner Bergwand in Österreich.

Mehr braucht er derzeit nicht zu tun. Es läuft für ihn, wie es besser nicht laufen könnte. Kickl kann es sich leisten, nur Sonntagswünsche auszuschicken. Die Umfragen weisen ihm derzeit 38 Prozent aus, die wohl bald 40 sein werden. Die anderen Parteien müssen sich indes vorwiegend mit Themen abstrudeln, die er angezettelt hat -von stärkerem Grenzschutz über Ausweisungen von Syrern und Afghanen und Kopftuchverbot, Stromkosten und Inflation natürlich bis hin zur Brüsseler Politik, an der Kickl auch genug auszusetzen findet.

Und sie machen dabei keine gute Figur, sondern vermitteln Tag für Tag überall eher das Gefühl, überfordert zu sein und nichts weiterzubringen. Das spiegeln die Umfragen wider. Die Kanzlerpartei ÖVP hat Mühe, sich über 20 Prozent zu halten, die Babler-SPÖ schafft selbst das nicht.

Das nimmt nicht wunder. Zum einen hecheln sie Kickls Themen, wie etwa beim Kopftuchverbot, hinterher, während die Karawane längst weitergezogen ist und andere Themen die öffentliche Diskussion beherrschen. Und zum anderen liefern sie der FPÖ Woche für Woche wie zur Bestätigung der Vorwürfe, die von der FPÖ kommen, neue Steilvorlagen wie den Fall Wöginger oder jüngst den tragischen Fall einer 55-jährigen Mutter in Oberösterreich, die mit einem Aorta-Einriss in keinem Spital aufgenommen wurde.

Eine Steilvorlage sind in nämlichem Bundesland auch die Zustände im Leit-Spital, das im Eigentum des Landes steht. Dort wurde jüngst die Zahl der Operationen kurzfristig drastisch eingeschränkt, weil es an Personal fehlt. Obwohl die Zuspitzung angeblich länger bekannt war, fiel der VP-Gesundheitslandesrätin nicht viel mehr ein als ein "Ich verstehe den großen Unmut und die Sorge der Betroffenen".

Da verwundert, mit Verlaub, nichts mehr. Kickl und seine FPÖ können, was andere nicht können. Sie sind bei den Leuten und können Themen machen und diese zuspitzen. Die Botschaften sind klar. Man versteht es, Finger in Wunden zu legen, man hat ein Gespür dafür, was die Leute beschäftigt, das andere nicht haben, auch weil sie zu sehr in der Verantwortung und in Parteiinteressen verstrickt sind. Die Freiheitlichen bringen Fragen, die die anderen Parteien, zumal solche in Regierungsverantwortung, nicht bringen, weil sie ihnen nicht in den Kram passen und sie sich selbst nur schaden würden damit.

Die FPÖ versteht es, den Leuten die Gefühle der Menschen zu bestätigen und für sich zu nutzen. Es ist Oppositionspolitik, ohne Verantwortung, aber perfekt gespielt. Der Bürgermeister der Stadt Wels, dem immer wieder eine große Zukunft in der FPÖ vorausgesagt wird, lieferte kürzlich in einem Interview in den OÖ Nachrichten ein eindrückliches Beispiel dafür. "Veränderung ist mit den aktuellen Regierungsparteien nicht möglich", sagte er da. Es gehe immer "in erster Linie darum, die eigenen Freunde und Privilegien abzusichern. Aktuell gehe Wohlstand verloren in Österreich, "die Menschen spüren das". Warum gerade die Pensionisten die Gruppe sei, die draufzahlen sollte, verstehe er nicht und schlägt eine Kürzung des Förderungsvolumens auf das Niveau von 2019 vor, mit dem man 20 Milliarden Euro einsparen könnte.

Sätze sind das, die viele in diesem Land unterschreiben, gegen die man kaum argumentieren kann, die aber von Parteien in Regierungsverantwortung nicht kommen können. Nicht nur, weil man sich selbst beschädigen würde, zumal dann, wenn man keine besseren Ideen hat, wenn man an Altem festhält oder mit der Verteidigung der Vergangenheit zu tun hat, sondern auch, weil man keine Geschichte und keine Vision für die Zukunft zusammenbringt.

Für die Gegner Kickls ist das ein Teufelskreis. Ein Rezept haben sie bisher nicht gefunden. Nachahmen ist jedenfalls keines. Und von einem Befreiungsschlag ist nirgendwo etwas zu sehen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 30 Oktober 2025 

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