Mittwoch, 31. Oktober 2012

Scharfmacher gehören an die Leine





Steuerreform, Budgetsanierung, Pensionsreform, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Schule, Bundesheer, Sozialversicherungen, Bundesstaatsreform, Frauen, Familie. Es gibt politische Themen, die begleiten einen in Österreich ein Leben lang. Gemeinsam haben sie, dass sie zu den großen Herausforderungen im Staatswesen zählen, zu großen Kostenfaktoren meist, zu Themen, die entscheidend sind für das Fortkommen des Landes und seiner Bürgerinnen und Bürger und wichtig für die wirtschaftliche Leistungskraft.

Gemeinsam haben diese Themen, deren Aufzählung alles andere als vollständig ist, auch, dass die Fortschritte, die gemacht werden, bescheiden und die Erfolge auf diesen Gebieten enden wollend sind. Einmal geht es hin, einmal her. Zumeist geht gar nichts.

Und das, obwohl diese Themen immer wieder auf der politischen Agenda stehen, obwohl dazu immer wieder dicke Programme und Konzepte geschrieben werden, sich allerhand gescheite Menschen zu Symposien treffen, und obwohl so viel versprochen wird.

Aber dann vertauschen sich mit einem Mal die politischen Positionen oder es steht wieder irgendeine Wahl vor der Tür, die alles blockiert, vor allem jede Vernunft in der Findung von Entscheidungen.

Jetzt gerät Österreichs Innenpolitik wieder in so eine Phase. In einem Jahr stehen schon die nächsten Nationalratswahlen an, und wenn man bisher sagen muss, dass nicht viel gegangen ist, dann kann man jetzt sicher sein, dass gar nichts mehr gehen wird. Stillstand steht an. Endgültiger Stillstand. Was uns bevorsteht, ist ein Jahr mit nichts anderem als Polit-Folklore, ein Jahr, in dem es sich nicht einmal lohnt auch nur ein Wort auf die politische Waage zu legen. Ein lähmendes Jahr, in dem nur eines sicher ist - das Land wird nicht vorankommen und die Probleme, die man seit Jahren zu lösen versucht, werden nicht kleiner werden.

Die Politik setzt den Stahlhelm auf, um ihre Klientel zu verteidigen, auf dass sie im kommenden Herbst die Partei bei den Wahlen unterstützt. Und sei‘s nur darum, dass man der politischen Konkurrenz respektive deren Wählerschaft ein paar Prügel vor die Füße wirft. Allerorten werden die Scharfmacher in Stellung gebracht. Die einen piesacken die "Reichen“, die Banken und die Bauern, die anderen die Eisenbahner und die Wiener Beamten. Da macht man die Schule zur ideologischen Bühne und dort die Familien. Da die Migranten, Flüchtlinge und Gastarbeiter und dort die Sozialhilfeempfänger und die Pensionisten. Hinter einem Schild, dass sie der Wählerschaft als Ideologie, respektive ideologische Festigkeit und Linientreue verkaufen, tun sie freilich nichts anderes, als das Klima in diesem Land zu vergiften.

Die Welt wird in Schwarz und Weiß geteilt, in Gut und Schlecht, in On und Off. So, als gäbe es dazwischen nichts. Dass sich aber genau dort, zwischen den Extrempositionen, das Leben abspielt, dass dort der Großteil der Bevölkerung mit seinen vielschichtigen Bedürfnissen lebt, wird von diesen Leuten, die sich so gerne als Rechthaber aufführen, nicht zur Kenntnis genommen. Da spielt man lieber Krieg. Koste es, was es wolle, und mache es kaputt, was es wolle. Selbst wenn es das gesellschaftliche Klima im Land ist.

Dass die Leute, respektive die Wählerinnen und Wähler, dieses Treiben längst satt haben, wird nicht zur Kenntnis genommen. Denn die wollen keine ideologische Show, sondern Arbeit sehen. Möglichst pragmatische Arbeit, bei der Ergebnisse herauskommen. Freilich wollen die Menschen in diesem Land von den Parteien Profil sehen und Kanten. Sie wollen aber kein Gezänk, sondern einen Ausgleich und pragmatische Lösungen.

Die ÖVP muss, um ein Beispiel zu nennen, zur Kenntnis nehmen, dass heute Familien auch andere Bedürfnisse haben, als alles danach auszurichten, dass die Mutter möglichst lange daheim bleiben kann. Und die SPÖ muss, um ein anderes Beispiel zu nennen, zur Kenntnis nehmen, dass es durchaus auch das Bedürfnis von Eltern gibt, die Kinder in Schulen unterzubringen, die deren Fähigkeiten besonders fördern.

Noch ist man nicht nur bei diesen Themen weit davon entfernt, auf einen Nenner zu kommen. So weit, dass sich die potenzielle Wählerschaft abwendet. Denn die hat oft andere Bedürfnisse als jene, die ihnen die als Ideologen daherkommenden Scharfmacher der Parteien, weismachen wollen. Und andere Bedürfnisse auch, als ein Leben lang von den immer gleichen ungelösten Themen begleitet zu werden.
Meine Meinung, Raiffeisenzeitung, 31. Oktober 2012

Donnerstag, 25. Oktober 2012

Willkommen im politischen Nirgendwo





Österreichs Politik ist international nirgendwo. Und die, die in diesem Land diese Politik machen, sind es erst recht. Das verwundert nicht, wenn man das heimische Politikpersonal in TV-Diskussionsrunden, in den Zeitungen, über Presseaussendungen oder im Bierzelt verfolgt. Da ein paar lockere Auslassungen gegen den Euro, dort ein paar kräftige Worte gegen Brüssel, forsche Forderungen selbst in sensiblen und vielschichtigen Themenbereichen. Draufhauen ist allerorten die Devise, Hauptsache laut, Hauptsache deftig, Hauptsache untergriffig

Es bleibt ihnen auch gar nichts anderes übrig, sie können gar nichts anderes, ist der Eindruck, den sie dem Beobachter oft nahelegen. Das Niveau, auf dem hierzulande Politik betrieben wird und das Niveau, mit dem hierzulande Politik betrieben wird, ist zuweilen beängstigend und beschämend. Es ist erstaunlich, wie wenig Wissen und Fachwissen oft dahinter stehen. Nach zwei, drei Stehsätzen ist es bei vielen, die meinen, in der Politik mitmischen zu müssen, aus. Mehr braucht man offenbar auch gar nicht zu wissen in diesem Land. Zum Mitreden reicht es allemal.

Und es ist erstaunlich, wie wenig man sich um eine tief gehende Kenntnis der Zusammenhänge und Hintergründe bemüht, und um wie viel wichtiger es ist, dem politischen Gegner und dessen Klientel Schaden zuzufügen, als ehrliche und offene Diskussionen zu führen. Da reden Leute mit dem Brustton der Überzeugung über Themen, von denen sie nicht die geringste Ahnung haben. Sie führen ihre Vorurteile äußerln, ohne sich je mit der Materie auseinanderzusetzen. Und, was vielleicht noch schlimmer ist: Nicht nur, dass ihnen das Wissen fehlt, es fehlt ihnen auch jeder Respekt vor dem Wissen um Fakten und Zusammenhänge.

Dementsprechend flach, fad und eintönig ist in Österreich die politische Diskussion. Nirgendwo Esprit, nirgendwo intellektuelle Ansprüche. In der politischen Arena wird nicht mit dem Florett gekämpft, sondern mit dem Holzprügel.

Dass Österreich und seine Politiker international und mitunter der Lächerlichkeit preisgegeben im Abseits stehen, verwundert da nicht. Es reicht, ab und an deutsche Diskussionsrunden im TV zu verfolgen und man erkennt den Unterschied. Dort geht es auf einem ganz anderen Niveau zur Sache als hierzulande. Besonders augenscheinlich wird der Unterschied, wenn dort, was wohl nicht ohne Grund selten genug vorkommt, ein Österreicher in der Runde sitzt.

Erst jüngst schüttelte ganz Deutschland den Kopf über einen Auftritt von Frank Stronach in Sandra Maischbergers Talk-Show. "Falls Maischberger demonstrieren wollte, auf welch niedrigem gedanklichen Level sich jemand über die Eurokrise auslassen kann, ist ihr das vollauf gelungen“, lästerte "Der Spiegel“ über den Milliardär, der glaubt die österreichische Politik kaufen zu müssen. Gegen das rhetorische Niveau und die Sachkenntnis, die dort Thilo Sarrazin und Oskar Lafontaine, beide in ihrer Heimat zumindest so umstritten wie Stronach hierzulande, an den Tag legten, nahmen sich die Stehsätze des Austro-Kanadiers beschämend aus. "Und irgendwann lief die Diskussion über die Zukunft des Euro einfach an Stronach vorbei“, notierte ein Kommentator.

Diese Einschätzung passt nicht nur auf Stronach, sondern auf Österreichs Politik insgesamt. Sie steht im Abseits, europäische Bekanntheit erlangen österreichische Politiker allenfalls durch forsche Sager und die Verbreitung von Tratsch. Die österreichische Finanzministerin hat so zu internationaler Beachtung gefunden. Von den allermeisten anderen ist nicht einmal das zu berichten.

Österreichs Politikerinnen und Politiker sind auf den internationalen Bühnen allenfalls Randerscheinungen. Das hat viel weniger mit der Kleinheit des Landes zu tun, sondern ist viel mehr eine unmittelbare Folge des politischen Klimas und der politischen Kultur in Österreich, in dem Mittelmaß, Feigheit, Bequemlichkeit und Bosheit die Eckpfeiler zu sein scheinen. Fachwissen, Sachkenntnis und Respekt vor der Materie und den Themen, mit denen umzugehen ist, gehören nicht dazu.

Da nimmt es nicht Wunder, dass es diesem Land seit Jahren an Politikern von internationalem Format fehlt. Und es nimmt auch nicht Wunder, dass sich kaum mehr jemand für die Politik hergeben will. Denn dieses Umfeld, das die Politiker und die Politik in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten geschaffen haben, erstickt alles, was sich ihr interessiert nähert.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 25. Oktober 2012

Freitag, 19. Oktober 2012

Wegbereiter des Wohlstands





Im Streit um die Lebensmittelpreise gehen die Hersteller in die Offensive. Red Bull verschönert Exportstatistik.

HANS GMEINER Wien (SN). Die Lebensmittelwirtschaft ist es leid, ständig als Preistreiber an den Pranger gestellt zu werden. „Das ist absolut ungerecht“ sagt Michael Blass, Sprecher der heimischen Lebensmittelwirtschaft, und dreht den Spieß um. „Ich sehe die heimische Lebensmittelwirtschaft als Wegbereiter des Wohlstands in Österreich“, hält er den Kritikern entgegen. Über einen längeren Zeitraum betrachtet sei der Anstieg der Preise für Lebensmittel deutlich geringer als der Anstieg der allgemeinen Haushaltsausgaben. Nicht zuletzt wegen dieser Entwicklung sei der Anteil der Ausgaben für Lebensmittel an den Gesamtausgaben eines Haushalts in den vergangenen Jahrzehnten markant gesunken. „Das ermöglichte es, in Bildung, Wohnen und andere Bedürfnisse des täglichen Lebens mehr zu investieren“, sagt Blass.

Er untermauert seine Einschätzung mit Zahlen. „Obwohl die Ausgaben für Ernährung und alkoholfreie Getränke zwischen 2005 und 2010 um 6,4 Prozent zulegten, liegen sie immer noch deutlich unter dem Anstieg der allgemeinen Haushaltsausgaben, der in diesem Zeitraum 14,6 Prozent betrug.“ In einem durchschnittlichen Haushalt beträgt laut Blass der Anteil der Ausgaben für Lebensmitten und Getränke an den Gesamtausgaben nur mehr 12,1 Prozent.

Zum Wegbereiter des Wohlstands wurde die Lebensmittelwirtschaft nicht ganz freiwillig. Das muss selbst Blass einräumen, der mit Jänner 2013 Stephan Mikinovic als Chef der AMA-Marketing folgt und damit Österreichs oberster Lebensmittelvermarkter wird. Für ihn spielt die Konzentration im Lebensmittelhandel, wo sich drei Konzerne 85 Prozent des Marktes teilen, eine entscheidende Rolle. Unter dieser Marktmacht hätten die heimischen Hersteller von Lebensmitteln zu leiden. Trotz eines Umsatzzuwachses von 9,1 Prozent auf 7,68 Mrd. Euro im Vorjahr sei die Lage angespannt.

Aber kein Nachteil, wo nicht auch ein Vorteil ist, gibt Blass zu. „Ein Lebensmittelerzeuger, der sich angesichts dieser Verhältnisse in Österreich behauptet, kann sich überall durchsetzen.“ Die Statistik bestätigt das. Die Entwicklung der Agrar- und Lebensmittelexporte ist seit Jahren eine der Erfolgsstorys der heimischen Wirtschaft. Im Vorjahr legten die Ausfuhren laut Reinhard Schuster von der AMA-Marketing um 12,7 Prozent auf 8,76 Mrd. Euro zu, während die Einfuhren um nur 11,2 Prozent auf 9,65 Mrd. Euro wuchsen. Heuer gab es im ersten Halbjahr bei den Exporten ein Plus von 3,6 Prozent und bei den Importen eines von 2,7 Prozent.

Während heuer die Ausfuhren in Europa stagnieren und vor allem in Ländern wie Ungarn und Rumänien deutlich im Minus liegen, gab es vor allem in Kanada und in den USA starke Zuwächse. Energydrinks wie Red Bull, Eistee und andere Getränke hätten zu diesem Plus geführt, sagt Blass.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 19. Oktober 2012

Donnerstag, 18. Oktober 2012

Land der Wegelagerer und Abkassierer





Steuern einzuführen oder gar zu erhöhen ist nicht gut fürs Image. Und mühsam ist es obendrein sie durchzusetzen. Gebühren hingegen sind eine ergiebige und rasch erschließbare Quelle, aus denen man schier nach Belieben Geld sprudeln lassen kann.

Wien machte es im Vorjahr vor, wie einfach das geht. In mehr oder weniger einem Aufwaschen wurden die Gebühren für Wasser um 33 Prozent erhöht und die Strafen für Falschparken gleich um 70 Prozent angehoben. Das freilich war noch gar nichts gegen die Erhöhung der U-Bahn-Steuer, seinerzeit zur Finanzierung des U-Bahn-Baues eingeführt, die in Wien Dienstgeber für ihre Dienstnehmer abzuführen haben. Die stieg nämlich gleich um 177 Prozent.

Das können wir auch, haben sich offenbar die Schwarzen gedacht. Dass man für überfallsartige wie schamlose Formen der Geldeintreibung eine gewisse Schwäche hat, zeigte schon im Vorjahr der "Her mit dem Zaster, her mit der Marie“-Schlachtruf, mit dem sich ausgerechnet eine schwarze Ministerin an die Spitze der bis dahin rot dominierten Klassenkämpfer in diesem Land setzte.

Auch wenn in der Folge ihre Parteifreunde alles daran setzten, das als einmaligen Ausrutscher abzutun, scheint doch mehr dahinter zu stecken. Man will sich zwar nicht mit neuen Steuern die Finger schmutzig machen und lässt sich gerne als Kämpfer gegen Erbschafts-, Schenkungs- und Vermögenssteuer feiern, hat aber offenbar keine Scheu, an den Gebührenschrauben zu drehen, dass es nur so quietscht. Dreistigkeit ist dabei ein Vorwurf, von dem man sich nicht stören lässt, wenn es gilt, etwa einen Entscheid des Verfassungsgerichtshofes zu nutzen, um die Grundbuchseintragungsgebühren in die Höhe zu schnalzen.

Da überholt die Partei, die sich so gerne als Wahrer und Beschützer von Eigentum darstellt und Profil im Wettern gegen allerorten lauernde Abkassierer zu finden sucht, die Sozialdemokraten ungeniert links. Da wird eine unschuldige Gebühr, gedacht ursprünglich als Aufwandsersatz für die mit der Eintragung verbundene Arbeit, durch die Hintertür zu einer de-facto-Steuer, die in den allermeisten Fällen in keinerlei Relation zum tatsächlichen Aufwand steht. Erfunden und abgenickt von allen, die sich sonst so sehr gegen von der linken Reichshälfte geplante Raubzüge alterieren.

Rückgrat ist nicht das, was man hierzulande von der Politik zu erwarten hat. Und eine konsequente Linie auch nicht. Und es fügt sich in die Stimmung, die sich in den vergangenen Monaten immer breiter gemacht hat.

Es geht offenbar auf allen Seiten nur mehr darum, neue Geldquellen zu erschließen. Immer ungenierter wollen die öffentlichen Haushalte an die Geldbörsen der Bürger. Und alles, was gerne als Widerstand dagegen inszeniert wird, erweist sich im Handumdrehen als nichts anderes als ein winziges Feigenblatt, das ohnehin kaum zu verstecken vermag, was wirklich dahinter steckt.

Budgetpolitik wird in diesem Land nur mehr als das Auftun immer neuer Geldquellen verstanden. Mit dem Anfang dieses Jahres geschlossenen Sparpaket glaubt man offenbar alle Aufgaben erledigt zu haben. Keine Rede davon, dass dieses Paket nichts anderes als bittere Pflicht war und dass es nur ein erster Schritt zur nachhaltigen Sanierung des Staatshaushaltes und damit des Hauses Österreich gewesen sein kann. Und keine Diskussion darüber, ob die Bürger dieses Landes überhaupt das Maß an Alimentation brauchen, für das all das Kassieren betrieben wird.

Das nämlich ist anzuzweifeln. Viel eher bräuchten sie eine Entlastung von ihren finanziellen Verpflichtungen den öffentlichen Haushalten gegenüber. Nur so könnten sie den finanziellen Freiraum gewinnen, um im täglichen Leben mit den Herausforderungen, die auf sie zukommen, zurechtkommen zu können.

Die Chancen darauf sind freilich nur gering. Und das hat damit zu tun, dass kaum etwas im Lot ist in diesem Land. Statt an einem Strang zu ziehen, blockiert man sich gegenseitig. Der Umgangston ist mitunter erschütternd. Ein paar Minuten in eine Diskussion im Parlament hinein zu hören nimmt nicht nur jede Illusion, sondern macht mit einem Schlag klar, warum sich dieses Land so schwer tut, tragfähige und langfristige Lösungen zu finden. Da kann nichts anderes herauskommen, als die einfache und kurzsichtige Lösung nach dem Motto "Her mit dem Zaster, her mit der Marie“. So teuer sie auch für den Gebühren- und Steuerzahler sein mag.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 18. Oktober 2012

Donnerstag, 11. Oktober 2012

... und es ist ihnen kaum etwas heilig





Was immer von dem zu halten ist, was dem Landwirtschaftsminister im jüngsten Rechnungshofbericht vorgeworfen wird - dass der Bericht just drei Tage vor Berlakovichs Termin vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss in die Öffentlichkeit kam, fügt sich durchaus nahtlos in die Reihe von Vorgängen, die in diesem Land einer genaueren Überprüfung unterzogen werden sollten. Und es fügt sich nahtlos in die Zustände in diesem Land, in dem Dinge wie diese gar nicht mehr hinterfragt, sondern, gelernt in Jahrzehnten, ohne Diskussion hingenommen werden.

Das aber ist unerträglich, zumal dann, wenn es um eine Einrichtung wie den Rechnungshof geht, der bisher zweifellos zu den letzten Bastionen in diesem Land zu rechnen war, denen man uneingeschränkt Vertrauen entgegenbringen konnte. Man spürt, wie sich die Strippenzieher hinter den Kulissen feixend die Hände ob des gelungenen Coups reiben, mit dem sie den schwarzen Landwirtschaftsminister eintunkten, um ihre eigenen Leute nicht ganz so schlecht und alleine dastehen zu lassen. Dass damit eine der wichtigsten Institutionen Österreichs beschädigt wurde, nehmen sie hin. Dass damit das Vertrauen der Österreicherinnen und Österreicher in die Politik wieder ein Stück mehr demontiert wurde, ebenso.

Das Ganze fügt sich nahtlos in die Entwicklung der vergangenen Jahre. Zentrale Einrichtungen des Staatsgefüges und der Demokratie sind dabei, demontiert zu werden. Sie lassen sich aber auch viel zu oft als willfährige Handlanger von Politik und deren Spindoktoren allzu leicht demontieren. Und verlieren damit Vertrauen, enttäuschen Erwartungen und erfüllen ihre Aufgaben immer weniger und immer schlechter.

Der Rechnungshof ist nur ein Beispiel. Der parlamentarische Untersuchungsausschuss, und wie die Proponenten und Regierungspartien diese Einrichtung vorführten und der Lächerlichkeit preisgaben, ist ein anderes. Und die heimische Justiz ist ein drittes.

Dass mit dem ehemaligen Kärntner Landesrat Martinz einer aus der Kärntner Partie, die das Land seit Jahren zum Narren macht, im Gefängnis landet, mag rechtens sein. Das Gejohle aber, mit dem das Urteil auch aus Juristen-Kreisen bis hinauf in das Justizministerium begleitet wurde, sollte Sorge machen. Genauso wie die Lockerheit und Unbekümmertheit, mit der Staatsanwälte, Richter und Ministeriale Interviews zu diesem Thema gaben.

Wurden bisher, wie der unselige FP-Justizminister Ofner es schon vor 20 Jahren formulierte, "viele Suppen“ für "zu dünn“ erklärt, so scheint nun das Pendel in die Gegenrichtung auszuschlagen. Schon malt man Leuten wie Mensdorff-Pouilly und Ernst Strasser genussvoll, mit großer Häme und in fetten Schlagzeilen, eine Zukunft hinter schwedischen Gardinen aus.

Mit Verlaub: Die Rechtsauffassung, die da überall durchschimmert, macht bange. Es muss um Recht gehen und nicht um Rache, ist dem entgegenzuhalten. Denn alles andere ist ganz sicher keine Basis für einen Rechtsstaat, als der Österreich konzipiert ist.

An all das sollte man sich nicht gewöhnen, nicht in die eine Richtung und nicht in die andere. In diesem Land scheint die Mitte abhanden zu kommen und die Verantwortung dafür. Das hat wohl auch mit der beständigen Zuspitzung von Positionen zu tun, mit immer schrilleren Forderungen und immer weniger Solidarität. Allzu vielen geht es längt nicht mehr um den Ausgleich, sondern um Durchsetzung eigener Vorstellungen und Wünsche. Oft, wie es scheint, mit allen Mitteln.

Hinter den Kulissen sind die Scharfmacher am Ruder. Sie haben in den vergangenen Jahren alles dazu getan, das Klima in diesem Land zu verändern. Und es war ihnen kaum etwas heilig. Ohne, oder wohl besser, gegen besseres Wissen hat man sich auf Hatz als politisches Prinzip verlegt. Strache, Kopf, Muhm - alle Parteien spielen dieses Spiel. Man hat die Anforderungen der Wirklichkeit und die Bedürfnisse der Bevölkerung über dem, was man für Kampf um Stimmen hält, aus den Augen verloren.

Und nichts bremst diese Entwicklung ein. Allerorten werden die Positionen unter dem Vorwand, das politische Profil zu schärfen, weiter zugespitzt. Der am Wochenende anstehende Parteitag der Sozialdemokraten ist da keine Ausnahme. Und bezeichnend für die Politik in diesem Land und was damit angerichtet wird. Bei den Anträgen dort geht es, so weit bereits im Vorfeld bekannt geworden, sehr oft weniger um das gemeinsame Österreich und um das Fortkommen der Gesellschaft, sondern darum, den politischen Gegnern möglichst eins auszuwischen und ihnen weh zu tun.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 11. Oktober 2012

Donnerstag, 4. Oktober 2012

Das Land braucht mehr Sorgsamkeit





Die Österreicher halten ihr Land für schön und sich für freundlich. "Warum das?“, fragt man sich freilich, wenn man Kilometer für Kilometer durch die Fertigbeton- und Supermarktwüsten der Vorstädte, durch Dörfer mit in grellen Farben in einer oft seltsamen Art und Weise angestrichenen Häuser, die für modern und Design gehalten wird, fährt, wenn man in ausgestorbenen und verfallenden Ortszentren strandet oder sich mit dem Auto durch von oft aberwitzigen Skulpturen verstellte Kreisverkehre windet. Und man fragt sich das auch, wenn man von rüden Kellnern, herablassenden Beamten oder einer gelangweilten telefonierenden Kassierin beamtshandelt wurde .

Zuweilen machen das Land und seine Bewohner den Eindruck, als seien sie nichts anderes, als die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Ohne Linie und Konzept, selbstherrlich, undurchsichtig und oft wirr. Man nimmt sich das heraus, vom dem man überzeugt ist, dass es einem zusteht. Man druckt sich um Dinge herum, man tut Sachen wider besseres Wissen, man hofft, dass niemand draufkommt und nichts auffällt.

Statt Schönheit und Freundlichkeit gibt es oft nur Hässlichkeit, Sorglosigkeit, Präpotenz und Bosheit. Allzu oft.

Österreich muss auf sich aufpassen. Die Landstriche, um die man am besten einen Bogen macht, werden mehr. Die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft, auf die man vor allem in Fremdenverkehr und Tourismus so gerne setzt, werden hingegen immer weniger. Und der Service, auf den man nicht weniger stolz ist, immer öfter schlechter.

In vielen anderen Ländern, über die man sich immer noch oft und gerne mokiert, ist das zuweilen längst ganz anders. Das gilt auch und ganz besonders für unsere Lieblingsnachbarn, die Deutschen.

Wer sich je in Berlins Gastronomie herumtrieb, wird das bestätigen. Und wer je mit dem Auto durch Bayern kurvte, auch. In Sachen Freundlichkeit und Service ist man dort vielerorts längst sehr viel weiter als bei dem oft so zuckersüßen und gerne in Tracht gewandeten Getue hierzulande. Das nämlich stellt sich oft sehr schnell als nichts anderes als dünne Maskerade heraus, hinter der sich Bosheit und Verachtung verstecken, wenn man als Gast und Kunde nicht spurt * und oft nicht nur dann.

Und während es die Bayern geschafft haben, ihre Orte nicht bis hinter den Horizont ausfransen zu lassen, nimmt sich die Raumordnung bei uns in manchen Gegenden aus, als sei sie weit nach Mitternacht in Wirtshäusern entworfen worden.

Das Land muss aufpassen, dass es in seiner Selbstverliebtheit, die in vielen Bereichen längst jede Kritikfähigkeit aufgefressen hat, nicht die Überfuhr verpasst. Das gilt nicht nur für die Bildung, die sozialen Standards, die Wirtschaft. Das gilt auch und vor allem für das Umfeld, in dem sich das tägliche Leben abspielt.

Viele Menschen müssen immer weiter fahren, bis sie dort sind, wo sie das Österreich finden, auf das sie stolz sind und das sie lieben. Immer länger werden die Ausfahrtschluchten der Städte, immer dicker die Speckgürtel, die zu überwinden sind. Und dann haben sie noch lange keine Garantie, dort zu finden, was sie suchen. Abseits von Seen und Sehenswürdigkeiten kämpfen viele Gemeinden und Dörfer gegen den Untergang. Keine Arbeit, keine Mittel, keine Ideen. Und immer öfter als Folge davon auch keine Menschen mehr, die dort leben.

Die Gestaltung der Umwelt und die Dörfer am Leben zu halten ist eine der größten Herausforderungen, vor denen Österreich steht. Viel zu oft wird etwa Dorferneuerung immer noch mit Behübschungs- und Blumenschmuckaktionen verwechselt. Wo sie aber ernsthaft angegangen wird, gibt es zwar oft großartige und beeindruckende Ideen und Konzepte. Die Bewohner werden damit aber allzu oft allein gelassen und scheitern prompt an der Umsetzung.

Die Beispiele häufen sich, wo sich rasch zeigt, dass die tollen Pläne für den Ortskern nicht das Papier wert sind, auf dem sie gezeichnet wurden, während den Bewohnern nichts anderes bleibt, als das Dorf zu fliehen und am Ortsrand die Tankstellen, Schnellbäckereien und Buffets weiterwuchern.

Das Land, in dem so viele die Schönheit des Landes und die Freundlichkeit seiner Bewohner als dessen größtes Kapital schätzen, sollte sich angewöhnen, ehrlicher mit sich umzugehen. Und sorgsamer. Die Schönheit des Landes droht verbraucht zu werden. Und die Freundlichkeit der Menschen auch. Zumal der Zusammenhang zwischen beiden nicht zu leugnen ist.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung  4. Oktober 2012

Montag, 1. Oktober 2012

Bauern kämpfen um finanzielle Zukunft




Das EU-Parlament will bei Agrarreform keine Kürzungen für die Bauern akzeptieren
 
HANS GMEINER Linz (SN). In Brüssel gehen die Verhandlungen um die EU-Agrarreform in die entscheidende Phase. Bei den Bauernvertretern wächst die Zuversicht, dass die Landwirtschaft in der Budgetperiode von 2014 bis 2020 ohne Kürzung davonkommt. Bei einer Diskussion Freitagabend in Linz zeigte sich Joseph Daul, Fraktionsführer der Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Parlament, sehr optimistisch. „Wir sind in eine gute Richtung unterwegs“, sagte er zu den Gesprächen über den künftigen EU-Finanzrahmen.
 
Über alle Fraktionen hinweg habe sich das EU-Parlament darauf geeinigt, einer Kürzung des Agrarhaushalts nicht zuzustimmen. Man werde nicht abstimmen, „bevor wir nicht wissen, was für die Landwirtschaft da ist“, sagte Daul. Über die Verwendung des Geldes gehen indes die Meinungen der Fraktionen auseinander. Umstritten ist vor allem der Bereich Ländliche Entwicklung. Die Gelder aus diesem Topf kommen bisher vor allem den Bauern für das Umwelt- und Investitionsprogramm und die Bergbauernförderung zugute. In Zukunft sollen die Gelder auch verstärkt in andere Bereiche als die Landwirtschaft fließen. „Dafür habe ich Verständnis“, sagte Daul.
 
Auch inhaltlich ist die Agrarreform noch offen. Das EU-Parlament muss in den nächsten Wochen rund 8000 Änderungsanträge bearbeiten. Zu stehen scheinen nur die großen Linien. Die Teilnahme an speziellen Umweltprogrammen, wie es sie in Österreich für das sogenannte Greening gibt, sei genauso fix wie die Bergbauernförderung, sagt EU-Parlamentarierin Elisabeth Köstinger (ÖVP), die Chefverhandlerin der EVP für die Ländliche Entwicklung. Bei der Neuabgrenzung benachteiligter Gebiete, die in Österreich rund 30.000 Bauern um Sonderzahlungen ähnlich der Bergbauernförderung bringen könnte, zeichne sich ein Aufschub ab, sagt sie. Indes steht auf einmal eine Fortführung des Milchquotensystems im Raum, freilich anders als bisher. Vor allem Frankreich drängt laut Daul auf eine Mengensteuerung.
 
Auch in Österreich haben die Bauern längst nicht alles im Trockenen. Das Bauernbund-Modell zur Angleichung der Hektarprämien stößt auf heftigen Widerstand der SPÖ. Statt der geplanten Übergangsfrist bis 2019 verlangt sie eine sofortige Umstellung. Weit entfernt von einer Einigung sind die Koalitionspartner auch bei Einheitswert und Besteuerung der Landwirtschaft. Morgen gehen die Gespräche weiter.
 
Salzburger Nachrichten - Wirtschaft 1. Oktober 2012
 
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