Donnerstag, 25. Oktober 2012
Willkommen im politischen Nirgendwo
Österreichs Politik ist international nirgendwo. Und die, die in diesem Land diese Politik machen, sind es erst recht. Das verwundert nicht, wenn man das heimische Politikpersonal in TV-Diskussionsrunden, in den Zeitungen, über Presseaussendungen oder im Bierzelt verfolgt. Da ein paar lockere Auslassungen gegen den Euro, dort ein paar kräftige Worte gegen Brüssel, forsche Forderungen selbst in sensiblen und vielschichtigen Themenbereichen. Draufhauen ist allerorten die Devise, Hauptsache laut, Hauptsache deftig, Hauptsache untergriffig
Es bleibt ihnen auch gar nichts anderes übrig, sie können gar nichts anderes, ist der Eindruck, den sie dem Beobachter oft nahelegen. Das Niveau, auf dem hierzulande Politik betrieben wird und das Niveau, mit dem hierzulande Politik betrieben wird, ist zuweilen beängstigend und beschämend. Es ist erstaunlich, wie wenig Wissen und Fachwissen oft dahinter stehen. Nach zwei, drei Stehsätzen ist es bei vielen, die meinen, in der Politik mitmischen zu müssen, aus. Mehr braucht man offenbar auch gar nicht zu wissen in diesem Land. Zum Mitreden reicht es allemal.
Und es ist erstaunlich, wie wenig man sich um eine tief gehende Kenntnis der Zusammenhänge und Hintergründe bemüht, und um wie viel wichtiger es ist, dem politischen Gegner und dessen Klientel Schaden zuzufügen, als ehrliche und offene Diskussionen zu führen. Da reden Leute mit dem Brustton der Überzeugung über Themen, von denen sie nicht die geringste Ahnung haben. Sie führen ihre Vorurteile äußerln, ohne sich je mit der Materie auseinanderzusetzen. Und, was vielleicht noch schlimmer ist: Nicht nur, dass ihnen das Wissen fehlt, es fehlt ihnen auch jeder Respekt vor dem Wissen um Fakten und Zusammenhänge.
Dementsprechend flach, fad und eintönig ist in Österreich die politische Diskussion. Nirgendwo Esprit, nirgendwo intellektuelle Ansprüche. In der politischen Arena wird nicht mit dem Florett gekämpft, sondern mit dem Holzprügel.
Dass Österreich und seine Politiker international und mitunter der Lächerlichkeit preisgegeben im Abseits stehen, verwundert da nicht. Es reicht, ab und an deutsche Diskussionsrunden im TV zu verfolgen und man erkennt den Unterschied. Dort geht es auf einem ganz anderen Niveau zur Sache als hierzulande. Besonders augenscheinlich wird der Unterschied, wenn dort, was wohl nicht ohne Grund selten genug vorkommt, ein Österreicher in der Runde sitzt.
Erst jüngst schüttelte ganz Deutschland den Kopf über einen Auftritt von Frank Stronach in Sandra Maischbergers Talk-Show. "Falls Maischberger demonstrieren wollte, auf welch niedrigem gedanklichen Level sich jemand über die Eurokrise auslassen kann, ist ihr das vollauf gelungen“, lästerte "Der Spiegel“ über den Milliardär, der glaubt die österreichische Politik kaufen zu müssen. Gegen das rhetorische Niveau und die Sachkenntnis, die dort Thilo Sarrazin und Oskar Lafontaine, beide in ihrer Heimat zumindest so umstritten wie Stronach hierzulande, an den Tag legten, nahmen sich die Stehsätze des Austro-Kanadiers beschämend aus. "Und irgendwann lief die Diskussion über die Zukunft des Euro einfach an Stronach vorbei“, notierte ein Kommentator.
Diese Einschätzung passt nicht nur auf Stronach, sondern auf Österreichs Politik insgesamt. Sie steht im Abseits, europäische Bekanntheit erlangen österreichische Politiker allenfalls durch forsche Sager und die Verbreitung von Tratsch. Die österreichische Finanzministerin hat so zu internationaler Beachtung gefunden. Von den allermeisten anderen ist nicht einmal das zu berichten.
Österreichs Politikerinnen und Politiker sind auf den internationalen Bühnen allenfalls Randerscheinungen. Das hat viel weniger mit der Kleinheit des Landes zu tun, sondern ist viel mehr eine unmittelbare Folge des politischen Klimas und der politischen Kultur in Österreich, in dem Mittelmaß, Feigheit, Bequemlichkeit und Bosheit die Eckpfeiler zu sein scheinen. Fachwissen, Sachkenntnis und Respekt vor der Materie und den Themen, mit denen umzugehen ist, gehören nicht dazu.
Da nimmt es nicht Wunder, dass es diesem Land seit Jahren an Politikern von internationalem Format fehlt. Und es nimmt auch nicht Wunder, dass sich kaum mehr jemand für die Politik hergeben will. Denn dieses Umfeld, das die Politiker und die Politik in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten geschaffen haben, erstickt alles, was sich ihr interessiert nähert.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 25. Oktober 2012
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