Mittwoch, 31. Oktober 2012

Scharfmacher gehören an die Leine





Steuerreform, Budgetsanierung, Pensionsreform, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Schule, Bundesheer, Sozialversicherungen, Bundesstaatsreform, Frauen, Familie. Es gibt politische Themen, die begleiten einen in Österreich ein Leben lang. Gemeinsam haben sie, dass sie zu den großen Herausforderungen im Staatswesen zählen, zu großen Kostenfaktoren meist, zu Themen, die entscheidend sind für das Fortkommen des Landes und seiner Bürgerinnen und Bürger und wichtig für die wirtschaftliche Leistungskraft.

Gemeinsam haben diese Themen, deren Aufzählung alles andere als vollständig ist, auch, dass die Fortschritte, die gemacht werden, bescheiden und die Erfolge auf diesen Gebieten enden wollend sind. Einmal geht es hin, einmal her. Zumeist geht gar nichts.

Und das, obwohl diese Themen immer wieder auf der politischen Agenda stehen, obwohl dazu immer wieder dicke Programme und Konzepte geschrieben werden, sich allerhand gescheite Menschen zu Symposien treffen, und obwohl so viel versprochen wird.

Aber dann vertauschen sich mit einem Mal die politischen Positionen oder es steht wieder irgendeine Wahl vor der Tür, die alles blockiert, vor allem jede Vernunft in der Findung von Entscheidungen.

Jetzt gerät Österreichs Innenpolitik wieder in so eine Phase. In einem Jahr stehen schon die nächsten Nationalratswahlen an, und wenn man bisher sagen muss, dass nicht viel gegangen ist, dann kann man jetzt sicher sein, dass gar nichts mehr gehen wird. Stillstand steht an. Endgültiger Stillstand. Was uns bevorsteht, ist ein Jahr mit nichts anderem als Polit-Folklore, ein Jahr, in dem es sich nicht einmal lohnt auch nur ein Wort auf die politische Waage zu legen. Ein lähmendes Jahr, in dem nur eines sicher ist - das Land wird nicht vorankommen und die Probleme, die man seit Jahren zu lösen versucht, werden nicht kleiner werden.

Die Politik setzt den Stahlhelm auf, um ihre Klientel zu verteidigen, auf dass sie im kommenden Herbst die Partei bei den Wahlen unterstützt. Und sei‘s nur darum, dass man der politischen Konkurrenz respektive deren Wählerschaft ein paar Prügel vor die Füße wirft. Allerorten werden die Scharfmacher in Stellung gebracht. Die einen piesacken die "Reichen“, die Banken und die Bauern, die anderen die Eisenbahner und die Wiener Beamten. Da macht man die Schule zur ideologischen Bühne und dort die Familien. Da die Migranten, Flüchtlinge und Gastarbeiter und dort die Sozialhilfeempfänger und die Pensionisten. Hinter einem Schild, dass sie der Wählerschaft als Ideologie, respektive ideologische Festigkeit und Linientreue verkaufen, tun sie freilich nichts anderes, als das Klima in diesem Land zu vergiften.

Die Welt wird in Schwarz und Weiß geteilt, in Gut und Schlecht, in On und Off. So, als gäbe es dazwischen nichts. Dass sich aber genau dort, zwischen den Extrempositionen, das Leben abspielt, dass dort der Großteil der Bevölkerung mit seinen vielschichtigen Bedürfnissen lebt, wird von diesen Leuten, die sich so gerne als Rechthaber aufführen, nicht zur Kenntnis genommen. Da spielt man lieber Krieg. Koste es, was es wolle, und mache es kaputt, was es wolle. Selbst wenn es das gesellschaftliche Klima im Land ist.

Dass die Leute, respektive die Wählerinnen und Wähler, dieses Treiben längst satt haben, wird nicht zur Kenntnis genommen. Denn die wollen keine ideologische Show, sondern Arbeit sehen. Möglichst pragmatische Arbeit, bei der Ergebnisse herauskommen. Freilich wollen die Menschen in diesem Land von den Parteien Profil sehen und Kanten. Sie wollen aber kein Gezänk, sondern einen Ausgleich und pragmatische Lösungen.

Die ÖVP muss, um ein Beispiel zu nennen, zur Kenntnis nehmen, dass heute Familien auch andere Bedürfnisse haben, als alles danach auszurichten, dass die Mutter möglichst lange daheim bleiben kann. Und die SPÖ muss, um ein anderes Beispiel zu nennen, zur Kenntnis nehmen, dass es durchaus auch das Bedürfnis von Eltern gibt, die Kinder in Schulen unterzubringen, die deren Fähigkeiten besonders fördern.

Noch ist man nicht nur bei diesen Themen weit davon entfernt, auf einen Nenner zu kommen. So weit, dass sich die potenzielle Wählerschaft abwendet. Denn die hat oft andere Bedürfnisse als jene, die ihnen die als Ideologen daherkommenden Scharfmacher der Parteien, weismachen wollen. Und andere Bedürfnisse auch, als ein Leben lang von den immer gleichen ungelösten Themen begleitet zu werden.
Meine Meinung, Raiffeisenzeitung, 31. Oktober 2012

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