Donnerstag, 14. Oktober 2010
Landwirtschaft ist kein Platz zum Träumen
Die heimische Landwirtschaft ist in der Defensive. In Österreich gerieten die Bauern und die Gelder die sie bekommen im Gefolge der geplanten Budgetsanierung ins Kreuzfeuer, in Brüssel wird an einer Agrarreform gearbeitet, die nichts Gutes verheißt. Mit einem Mal scheint alles auf dem Prüfstand zu stehen. Das lässt bei den Bauern Zukunftsängste hochkommen. Zu verdenken ist ihnen das nicht, denn schon jetzt ist klar: Die Bauern sind in Zukunft in einem immer komplizierter und komplexer werdenden Umfeld sicherlich noch viel mehr auf sich selbst angewiesen, als sie es derzeit sind.
Auch wenn sich das so viele Bauern und auch Agrarpolitiker so sehr wünschen - einfache Lösungen, wie man in dieser Zukunft bestehen kann, gibt es nicht. Dafür fehlt es in Zukunft schlicht am nötigen Geld, mit dem bisher so viel in Österreich und in Europa zugedeckt wurden.
Die nötige Anpassung stellt an die Bauern große Anforderungen. Die wohl größte dabei: es gilt wirklich das zu werden, als das sich viele eigentlich ohnehin gerne sehen - Unternehmer.
Bauern können diese Empfehlung angesichts der Probleme die sich vor ihnen auftürmen zwar nicht mehr hören, abschauen können sie sich von ihren Kollegen in der Wirtschaft zumindest doch etwas.
Wenn die Bauern an den Stammtischen oder wo immer sie zusammenkommen nur die Hälfte der Zeit, die sie über die Agrarpolitik, die Konsumenten, den Handel und sonst was jammern, sondern über das Geschäft, über die Chancen, über die Zukunft reden würden, wäre schon einmal viel gewonnen.
So wie es Manager eben tun, Leute in der Wirtschaft. Die können auch jammern, keine Frage. Aber sie reden am liebsten von der früh bis spät darüber, was sie tun könnten, über Strategien, über Ideen. Die meisten zumindest.
Statt dessen verhalten sich allzu viele in der Landwirtschaft immer noch oft wie Gewerkschafter oder, wie ein Kollege zugegebenermaßen sehr pointiert aber doch treffend formulierte, „pragmatisierte Keuschler“. Dazu gehört auch immer ein wehleidiger Blick auf die Vergangenheit, bei dem gerne vergessen wird, wie es wirklich war.
Die Getreidebauern seien nur als Beispiel genannt. Es waren nicht viel mehr als zehn, 20 Jahre in den 1950er und 1960ern, in denen sie alleine vom Ackerbau leben konnten. Nicht vorher und nicht nachher. Vorher gab es Kühe und Schweine in den Ställen. Nachher suchte man Mieter, baute Wohnungen oder verdiente sich im Zu- und Nebenerwerb etwas dazu. Und dennoch zerbrechen noch heute viele Leute daran, schimpfen, leiden, hadern mit ihrem Schicksal. Ohne dass das irgendetwas bringen würde.
Dabei gibt es - auch wenn es noch so schwer ist - keine Alternative dazu, die Vergangenheit los zu lassen und ein neues Gedankenkonzept zurecht zu legen. Landwirtschaft ist hartes Brot. Da sollten sich die Bauern sich keiner Illusion hingeben und nicht ihre Energie an wehmütigen Argumentationen vergeuden.
Bei den Betriebsgrößen, wie wir sie in Österreich haben, ändern daran auch Energieproduktion, Vertragsproduktion und viele der Dinge, die die Agrarpolitik verfolgt, nicht wirklich etwas. Sie sind allenfalls geeignet dafür, die Preise nicht weiter rutschen zu lassen, aber keinesfalls dafür, die Einkommenssituation spürbar zu verbessern.
„Ja, aber der Landwirtschaft wird aber eine gute Zukunft vorausgesagt, sie gilt als Schlüsselzweig der Zukunft, da lehne ich mich zurück, bis dahin wird ich es schon aushalten“, heißt es dann. Da kann man nur sagen: Vorsicht! Das mag ja stimmen. Aber, man sollte nicht vergessen zu fragen: Was hilft es einem landwirtschaftlichen Betrieb nachhaltig, wenn die Getreidepreise möglicherweise von 10 auf 20 Cent steigen, der Milchbauer und der Schweineproduzent um ein paar Cent mehr bekommen, aber gleichzeitig die Fördergelder weniger werden oder gar teilweise ganz wegfallen?
Und es wird weniger Geld geben. Die Bauern und ihre Vertreter müssen damit zurande kommen. Das ist der Rahmen in dem sich Landwirtschaft in den nächsten zehn, 20 Jahren abspielen wird.
In Pessimismus zu verfallen wäre dennoch falsch. Bauern wie Agrarpolitiker sollten sich einen realistischen Blick anzugewöhnen. Die Größe eines Betriebes, die vielen als so entscheidend gilt, ist bei der Bewältigung der Zukunft, bei der Entwicklung einer Strategie für die nächsten Jahren sicher nicht das wichtigste Kriterium. Das zeigen viele der kleinen Betriebe, die es eigentlich gar nicht mehr geben dürfte und die für sich dennoch tragfähige Lösungen gefunden haben.
Die sollten sich viele Bauern, die jetzt mit ihrem Schicksal hadern, ruhig zum Vorbild nehmen. Sie müssen zunächst einmal ihre Hausaufgaben machen – sparen, rechnen, kooperieren.
Viele werden ihre Zukunft als Patchwork-Bauern finden, mit Einkommen aus verschiedenen Quellen. Die Landwirtschaft kann eine davon sein, soferne sie sich organisieren lässt und soferne sie sich rechnet.
Es wird aber sicher auch größere Betriebe geben, weil der Stukturwandel durch die Ausbildung der jungen Generation auf der einen Seite und durch die bescheidenen Aussichten für die Landwirtschaft auf der anderen Seite wohl eine andere Qualität und mehr Tempo bekommen wird.
Von vorneherein schlecht ist das nicht: Dieser Strukturwandel bietet immer auch Chancen – Chancen für jene Bauern, die weitermachen wollen, bei denen die Situation besser passt, die sich in der Landwirtschaft etwas sehen.
Und noch etwas sollten Bauern nicht vergessen: sie haben etwas als Bauern, das nicht jeder hat - Grund, Haus, Gebäude. Man kann etwas daraus machen. Man kann sich aber auch ganz bewusst dafür entscheiden, daraus nichts zu machen, wenn glaubt, damit besser leben zu können.
Zugegeben, das alles mag einfach klingen und ist doch so unendlich schwierig. Aber es gibt halt nichts schönzureden.
Raiffeisenzeitung - 14. Oktober 2010
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