Dicke Krokodilstränen kullern allerorten. 20 Prozent weniger Bauern seit 1999, mehr als 25 Prozent weniger seit dem EU-Beitritt. Vor allem die ganz kleinen Betriebe, die mit weniger als fünf Hektar hörten auf. Überall große Aufregung und hohle Phrasen.
Dabei kann das gar nicht anders sein. Die Verhältnisse auf den internationalen Agrarmärkten lassen keine Chance, die niedrigen Preise nicht und Handel und Konsumenten, die für Lebensmittel nichts zahlen wollen, schon gar nicht. Von den Traumvorstellungen, man in der Stadt von der Landwirtschaft hat, können die Bauern nicht leben.
Vor diesem Hintergrund verläuft der Strukturwandel in der
heimischen Landwirtschaft viel zu langsam. Das freilich will in Österreich
niemand zur Kenntnis nehmen. Wie zum Trotz singt man - in allen politische
Parteien, sei ausdrücklich angemerkt - das hohe Lied des Strukturerhaltes und
macht den Bauern Hoffnungen.
Aber warum eigentlich das? Warum stellt man den Erhalt der
Struktur in den Mittelpunkt allen agrarpolitischen Strebens und warum nicht die
Konkurrenzfähigkeit?
Bisher jedenfalls verlor man auf allen Seiten. Die Mittel, die auf der einen Seite nichts halfen, um den Strukturwandel auszuhalten, fehlten auf der anderen Seite, um eine konkurrenzfähige Landwirtschaft aufzubauen. Die Folgen: Die Bauern geben dennoch zu tausenden auf und Österreichs Landwirtschaft zählt im europäischen Vergleich immer noch zu den Hinterbänklern. Scheitern auf der ganzen Linie also. Kein Wunder, wenn da Zyniker all die Milliarden, die seit Jahren in die heimische Landwirtschaft fließen, "aktive Sterbehilfe" nennen.
Der Handlungsbedarf ist groß. Ein österreichischer
Agrarpolitiker aber, der das auch nur in Diskussion bringen will, unterschreibt
damit automatisch sein politisches Todesurteil. Immer noch. Das darf nicht mehr
sein. Denn das nicht zu diskutieren schadet der heimischen Landwirtschaft
längst viel mehr, als es ihr hilft.
Die heimische Landwirtschaft braucht starke Betriebe, sie
muss eigene Kraft gewinnen und sie muss sich von allzu vielen allzu romantischen
Vorstellungen und Hoffnungen lösen. Dazu gehört auch, sich davon zu lösen, dem
Erhalt der bäuerlichen Strukturen alles und jedes unterzuordnen. Strukturwandel
per Se als schlecht zu sehen ist falsch. Denn der Strukturwandel gibt auch
Chancen. Ein Bauer der aufhört, weil er sich nicht mehr mit seinen paar Hektar
und wenigen Tieren herumfretten mag, ermöglicht einem anderen besser mit den
Herausforderungen zurecht zu kommen. Diesen Wandel aber unterstützend zu
begleiten, zu fördern gar, ist absolut tabu.
Es gilt sich dennoch sich von dieser Geisel, die das Ringen um den Erhalt der agrarischen Strukturen zweifellos ist, endlich zu lösen und das Thema offen zu diskutieren. Freilich ist bei all dem Maß und Ziel zu bewahren. Aber die österreichische Landwirtschaft und die Regionen, denen wegen des grassierenden Bauernsterbens Entvölkerung und wirtschaftliche und landschaftliche Verkarstung droht, brauchen andere Antworten als die bisherigen, denen ein hohes Maß an Bequemlichkeit und Realitätsverweigerung eigen ist.
Und auch die kleinen Bauern brauchen andere Antworten. Denn
schon jetzt sind die Förderungen oft größer als das Einkommen, das nach einem
Jahr bleibt und es für sie mithin wirtschaftlicher gewesen wäre die Arme in den
Schoss zu legen und dem Herrgott einen guten Tag sein zu lassen.
Geld allein reicht jedenfalls längst nicht mehr um ihnen
wirksam zu helfen. Und die Krokodilstränen schon gar nicht.
Gmeiner meint - Blick ins Land 8. Juni 2012
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