Donnerstag, 14. Juni 2012
Ohne Erbarmen gegen gemeinsame Ziele
Dass sich in Österreichs Bildungspolitik nichts bewegen mag, wird mit dem hohen Maß an Ideologisierung, das diesem Thema eigen ist, in Zusammenhang gebracht. Seit Jahrzehnten tobt die Schlacht um die Gesamtschule, seit Jahrzehnten wird jeder Vorstoß in Sachen Schul-und Bildungspolitik entweder von der einen oder von der anderen Seite blockiert, jüngst kippte die zentrale Matura. Dabei geht es längst nicht mehr um die Sache, sondern darum, herumwabernde Fragmente längst überkommener Ideologien oder was dafür gehalten wird, zu verteidigen. Das freilich tut der Verbissenheit, mit der die Dinge verfolgt werden, keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil.
Schule und Bildung sind nicht der einzige Bereich, in dem uralte ideologische Kämpfe aus längst vergangenen Zeiten ausgetragen werden. Die Gräben werden nachgerade hingebungsvoll von Leuten gepflegt, die man gerne Ewig-Gestrige nennen möchte, wäre dieser Terminus nicht schon einschlägig besetzt.
Rot gegen schwarz, grün gegen blau, links gegen rechts. Da kennt man kein Erbarmen. Auch wenn die Probleme, die zu lösen sind, ganz andere Kategorien verlangen würden und die meisten Leute dieser Schwarzweißmalerei, die oft so trotzig daherkommt, längst überdrüssig sind.
Und da ist nicht nur die hohe Politik gemeint, die Tag für Tag aus Radio, Fernsehen und Zeitungen quillt. Diese Scharmützel, die oben alles lähmen und blockieren und alle ärgern, werden auch in kleinsten Gemeinden geführt. Zuweilen mit noch größerer Bissigkeit und Verbissenheit, ganz so als ginge es wie weiland zwischen den USA und Russland um die Vorherrschaft auf der Welt. Selbst in den Gemeindestuben der kleinsten Dörfer befetzt man sich lieber bis aufs Blut, als gemeinsame Sache zu machen und das Dorf respektive die Gemeinde, in der man zusammen lebt, nach vorne zu bringen. Bevor man den gemeinsamen Weg sucht, macht man es sich allzuoft allemal lieber gegenseitig so schwer wie es nur irgend geht. Bis zur Lächerlichkeit.
Dass die Ergebnisse solcher Umgangsformen dann zuweilen genau dem entsprechen, ist nur logisch - sie sind lächerlich. Ganze Dorfzentren etwa wurden schon geopfert, weil es Bürgermeister, die sich ideologisch besonders stramm fühlen, nicht ertrugen, in der Nähe einer Kirche zu residieren. Da musste es schon ein paar hundert Meter weiter ein neues Gemeindezentrum sein, um ein Signal zu setzen. Oder, wenn es sich gar nicht verhindern ließ, dann, wie etwa in einer oberösterreichischen Kleinstadt, zumindest in einem Rathaus, das die Kirche völlig zudeckt.
Beispiele wie diese gibt es viel zu viele in diesem Land. Und sie werden von allen am politischen Prozess Beteiligten geliefert. Nicht wenig sind die Projekte, die deswegen den Bach hintergingen, und nicht wenig die Orte, deren Zusammenhalt und Vorankommen an solchen "ideologischen“ Bedürfnisbefriedigungen von politischen Gruppen und deren Repräsentanten zugrunde ging.
"Ideologisch“ ist dabei ganz bewusst in Anführungszeichen gesetzt, wird doch Ideologie, oder besser, das was man darunter versteht, von vielen oft nur als Freibrief dafür verstanden, dem politischen Konkurrenten eins auszuwischen. Viel zu oft nimmt man lieber in Kauf nichts zusammenzubringen und die Bürger zu enttäuschen, als zusammenzuarbeiten.
Genau das vermiest den Österreicherinnen und Österreichern die Politik, das öffentliche Leben und das persönliche Engagement. Das empfinden viele nur mehr als Zumutung. Warum diese Kultur des gegenseitigen Schlechtmachens, dieses Pflegen der ideologischen Gräben nicht zu überwinden ist, ist die Frage.
Unterschiedliche Weltanschauungen sind Teil der Kultur, des Lebens, der Zivilisation. Zu letzterer gehört freilich auch der geordnete Umgang damit. Und der sollte von gegenseitiger Wertschätzung getragen sein und nicht von Bosheit und Geringschätzung.
Hierzulande überwiegt Letzteres. Das ist nicht der richtige Weg. Denn die Durchsetzung von Ideologien und ideologischen Standpunkten ohne Wenn und Aber und ohne Abstriche hat den Menschen noch nie gut getan. Gute Ergebnis kamen nur dann zustande, wenn es zu einem entsprechenden Ausgleich kam. Das gilt in Washington und in Moskau genauso wie in Wien und in Brüssel. Und viel öfter als man glaubt, gilt es auch im niederösterreichischen Grammatneusiedel, im salzburgischen Wald im Pinzgau oder im oberösterreichischen Oftering.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 14. Juni 2012
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