Donnerstag, 21. Juni 2012
Die Griechen in uns ...
Es waren bange Tage und es sind bange Tage. Was von Griechenland kommt, geht trotz des Wahlergebnisses, das alle aufatmen ließ, ans europäische Geld und belastet die wirtschaftliche Zukunft. Was vom Umweltgipfel in Rio kommt, geht an die Lebensgrundlagen schlechthin.
Die Lage in Griechenland und die Situation der Menschen dort und die Datenreihen, Charts und Bilder aus Rio haben eines gemeinsam: sie sind Mahnmale für von Interessen und Gier getragene Politik, für das Versagen nationaler und internationaler Strukturen und für das Scheitern nicht nur der gewählten Politik, sondern auch derer, die sich ungefragt und oft mit viel Geld zu Volksvertretern und Anwälten von Interessen aufplustern. Im Kern sind sie aber vor allem Mahnmale für das Unverständnis und die Bequemlichkeit der Menschen, für unser aller Unverständnis und Bequemlichkeit - Folgen einer immer kostspieliger werdenden Leichtigkeit des Seins, die zur Last für kommende Generationen wird.
Es ist ja nicht so, dass wir nicht wissen, was wir tun. Wir wissen, dass man nicht über die Verhältnisse leben kann, wir wissen, dass sich das mit den Pensionen nie ausgehen wird, wenn wir nicht länger arbeiten werden, genauso wie wir wissen, dass es den Staatshaushalt zerreißt, wenn wir uns nicht von unserem Anspruchsverhalten, das sich mit allem und jedem an den Staat wendet, trennen. Wir wissen um die Endlichkeit der Ölvorräte und um die Luftverschmutzung und fahren dennoch um keinen Kilometer weniger. Und wir wissen, dass unser Energieverbrauch noch zu den größten Problemen führen wird.
Genau so, wie wohl auch die Griechen nicht ernsthaft geglaubt haben, sie lebten im Himmel, wo es ohne das Bezahlen von Steuern geht und wo der Staat und sein unfassbar großes Beamtenheer die Dinge schon richten werden.
Die Griechen haben gewusst, das das nicht geht. Und wir wissen das auch. Man weiß es überall. Aber man tut es dennoch. Man will darüber lieber nicht nachdenken und hofft, dass man schon durchkommen wird, dass all das, vor dem die Bedenkenträger allerorten warnen, einen persönlich nicht treffen wird.
Auch wir sind Griechen. Vor allem ganz besonders viele von denen, die da jetzt so alles wissend und von oben herab auch bei uns auf die Griechen zeigen, verhalten sich im Grunde um keinen Deut anders. Durchschlüpfen, ausnutzen, abzocken als Lebensmotto. Und möglichst keine Anstrengung dabei.
Da lauscht man allemal lieber den Schalmeientönen von Politikern und Finanzexperten, die einfache Lösungen in Aussicht stellen und glauben machen, dass alles so weitergehen könne wie bisher. Und weil es in Sachen Umwelt im Kleinen auch um keinen Deut anders läuft als in der Finanzwelt, klammert man sich lieber an Einschätzungen von Technokraten, die Ozonlöcher in der Atmosphäre, miserable Luftwerte oder zerberstende Atommeiler als Betriebsunfälle verniedlichen.
Hauptsache, man muss nichts verändern, Hauptsache, es kann alles beim Alten bleiben, Hauptsache man muss nichts hergeben. Bisher sind wir ja gut gefahren damit - die Luft ist immer noch halbwegs gut, das Wasser auch und Geld ist auch immer noch da. Warum also verändern?
Wir sind dabei, uns an die Krisenszenarien zu gewöhnen, die uns da in immer deftigeren Farben und immer öfter vor Augen geführt werden, und verlieren dabei die Fähigkeit, Dinge richtig einzuschätzen. Möglicherweise liegt genau darin das Problem. Im Übereifer haben die Mahner und Warner das Maß verloren und erreichen die Menschen nicht mehr. Und mit jeder Katastrophenprophezeiung, die nicht eingetroffen ist, ist auch ein Stück ihrer Glaubwürdigkeit verschwunden.
Die Muster, mit denen die Mahner und Warner scheitern, ähneln denen, die für das Scheitern der Politik, die sie kritisieren, verantwortlich sind. Da wie dort wird überzeichnet, um gehört zu werden. Da wie dort will man seine Standpunkte durchsetzen, ohne den anderen zu hören oder gar ernst zu nehmen. Da wie dort wird die Zeit kürzer und der Druck höher, wenn es darum geht, meßbare Erfolge vorzuweisen.
Nachhaltigkeit ist der Begriff für das Handeln, das da wie dort abgeht. Er hat seinen Platz verloren in all den Krisengewittern, die in den vergangenen Jahrzehnten um die Welt fegten. Die Ergebnisse sind wenig befriedigend und die Folgen oft so erschütternd wie dieses: 15 Monate nach Fukushima nimmt Japan in dieser Woche wieder drei Atomkraftwerke in Betrieb.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 21. Juni 2012
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