Mittwoch, 6. Juni 2012

Wir Super-Österreicher wir ...





Das Bild erregte Mitleid. Da schiebt der eine Popo-Wackler den anderen Popo-Wackler im Rollstuhl aus der Song-Contest-Arena im fernen Baku. Nix war‘s mit den großen Hoffnungen und Erwartungen, den europäischen Musikmarkt aufzurollen. Zerstoben und zerfetzt. Trotz aller großen Töne und obwohl das ganze Land darob in Aufregung geriet. Allerletzter Platz in der Qualifikation. Acht Punkte, so wenig wie sonst niemand. Dabei hat man sich für so gut gehalten.

Das Bild ist symptomatisch für Österreich, das sich so gerne als Weltmeister sieht. Dass doch die Hausmeister herrschen, muss man dann zähneknirschend zur Kenntnis nehmen. Nicht nur in Baku und nicht nur bei Sing-Wettbewerben zeigt sich, dass Österreich im internationalen Vergleich zusehends an Boden verliert, längst Opfer geworden der eigenen Selbstüberschätzung, die zuweilen skurrile Ausmaße annimmt. Längst hat man darüber in vielen Bereichen jedes Gefühl für die Realitäten und ihre Anforderungen und den Blick fürs Wesentliche verloren.

Im ständigen Streben, das Ego unbeschadet der Veränderungen in der Welt hochzuhalten, hat sich ein ganzes Land verstiegen. Da erbaut man sich an den Erfolgen von Skispringern und Skifahrern und pumpt das Selbstbewusstsein damit auf, da eine Weltmacht zu sein, und vergisst über der Begeisterung, dass diese Sportarten nur in ein paar Ländern der Welt bekannt sind. Da werden ein paar Mühlviertler Burschen zu Stars hochgejazzt, weil sie sich gegen eine Person, die sich Conchita Wurst nennt, durchsetzten. Und da heftet man sich an die Fersen von Schauspielern und Musikern, die - wie etwa der darüber alle andere als erbaute Oscar-Preisträger Christoph Waltz - in ihrem Leben irgendeinen Österreich-Konnex hatten und erklärt sie zu "unseren“.

Was bleibt auch übrig. "Wir saufen ab im Mittelmaß“ stand dieser Tage in einer Tageszeitung zu lesen. Treffender kann man es nicht formulieren. Österreich kann es nicht anders. Da wurde doch in der Vorwoche glatt mit großer Attitüde gefeiert, dass die Linzer Uni in einem Ranking unter den "Jung-Universitäten“ weltweit Vierzigsterirgendetwas geworden ist. Ganz abgesehen davon, dass ein derartiger Rang nichts ist, worauf man stolz sein sollte, sondern als Tritt in den Hintern begriffen werden soll - welche Bedeutung, bitte, haben "Jung-Universitäten“?

Österreich ist voll von solchen Einschätzungen, mit denen man sich zufrieden gibt und mit dem viele ihr Tun rechtfertigen. Die Folgen davon zeigen dann andere Rankings. Und die verwundern nicht. In Sachen internationaler Wettbewerbsfähigkeit etwa ist Österreich im Vorjahr wieder ein Stück zurückgefallen. Das bescheinigte uns das Schweizer Managementinstitut IMD in seinem in der Vorwoche veröffentlichen "World Competitiveness Yearbook“. Nach Rang 14 im Jahr 2010 ging es über Rang 18 in 2011 rasant hinunter auf Rang 21 im Vorjahr. Das angeschlagene Irland, nur um die Dinge einordnen zu können, wurde mit Rang zwanzig vor Österreich gereiht. Die Effizienz der Verwaltung drückt das Land nach unten. Und in Sachen Steuerpolitik findet sich unsere kleine Alpenrepublik gar erst auf Rang 56 und zählt damit zu den letzten fünf. Der Grund dafür: Der Staat nimmt sich die Freiheit, mehr als die Hälfte dessen, was Herr und Frau Österreicher erwirtschaften, selbst wieder auszugeben. Dennoch, und das ist bezeichnend für die grassierende Betriebsblindheit in unserem Land, glauben viele weiter an der Steuerschraube drehen zu müssen.

Und, als ob das nicht genug wäre, wird auch vor einer drohenden Abwanderung der Forschungs- und Entwicklungszentren gewarnt. Diese Einschätzung passt just zum Aufschrei des Rates für Forschung und Technologieentwicklung. In der Performance des Innovationssystems liege Österreich im Vergleich relativ weit hinter den führenden Innovationsländern, heißt es da. Aus dem seinerzeitigen Aufholprozess sei längst ein Rückfallprozess geworden, will man sich kein Blatt mehr vor den Mund nehmen.

Viel zu wenige tun das in diesem Land. Mittelmäßigkeit ist das oberste Ziel, Durchschnitt ist zur Kultur geworden, Selbstüberschätzung zur Droge fürs Ego. Ganz oben genauso wie ganz unten. In der hohen Politik wie an der Supermarktkassa. Wer sich bewegt, verliert. Wer etwas will, wird vernadert.

Auch wenn sich viele darin suhlen - das Land leidet zunehmend daran. Und groß ist die Gefahr, nur mehr als Passagier in einem Rollstuhl durch die internationale politische und wirtschaftliche Arena geschoben zu werden - so ähnlich wie die beiden Popowackler, die meinten, sie seien die Größten.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 6. Juni 2012

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