Freitag, 1. Juni 2012
Jeder fünfte Bauer sperrte zu
Österreichs Landwirtschaft befindet sich in tief greifender Veränderung.
Wien (SN-gm). Die jüngste Agrarstrukturerhebung der Statistik Austria macht amtlich, wovor die Agrarier seit Jahren zu warnen versuchen. Viele Bauern kommen mit den niedrigen und unsicheren Preisen für ihre Produkte, den wachsenden Kosten, dem Marktdruck und den immer neuen Produktionsauflagen und bürokratischen Vorschriften nicht mehr zurande. Weil sich aller Voraussicht nach daran so rasch nichts Grundlegendes ändern wird, sperrte zwischen 1999 und 2010 jeder fünfte Bauer in Österreich Stall- und Hoftür für immer zu.
„Vor allem Betriebe mit weniger als fünf Hektar gaben in den vergangenen zehn Jahren auf“, sagt Konrad Pesendorfer, Generaldirektor der Statistik Austria. „Mit 47 Prozent gab es in dieser Größenkategorie den stärksten Rückgang.“
Im Vergleich der Bundesländer weist das Burgenland mit 39 Prozent das größte Minus auf. Dahinter folgen Wien und Niederösterreich mit minus 23,8 Prozent und die Steiermark. Deutlich geringer war der Rückgang in den westlichen Bundesländern. Am geringsten war er in Salzburg. Dort sank die Zahl der Bauern in den vergangenen zehn Jahren nur um neun Prozent auf knapp 9800. Pesendorfer bringt das mit dem hohen Anteil an Biobauern zusammen. „Mit 40 Prozent liegt der Anteil der Biobauern in Salzburg weit über dem Schnitt.“
Insgesamt ging die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe zwischen 1999 und 2010 in Österreich um 20,3 Prozent auf 173.300 zurück. Gegenüber 1995, dem Jahr des EU-Beitritts, beträgt der Rückgang sogar 27,5 Prozent. „Seit 2003 hat sich der Rückgang allerdings verlangsamt“, sagt Pesendorfer.
Im Zuge dieser Entwicklung gingen in den vergangenen 15 Jahren in der Land- und Forstwirtschaft 29 Prozent der Arbeitsplätze verloren. Heute sind die Bauernhöfe Arbeitsplatz für knapp 421.000 Menschen.
Diese Entwicklung hat weitreichende Auswirkungen auf die Struktur der Landwirtschaft in Österreich. Die Flächen, die ein Landwirtschaftsbetrieb bewirtschaftet, wurden genauso größer wie die Tierbestände. Im Durchschnitt bewirtschaftet ein Bauer heute samt Wald 42,4 Hektar. 1999 waren es 32,5. Auf Acker- und Grünland entfallen davon 18,8 Hektar (15,3). Mit plus 38 Prozent gab es die stärksten Zuwächse in der Kategorie zwischen 50 und 100 Hektar (auf 11.700 Betriebe) und 100 bis 200 Hektar (plus 39 Prozent auf 5100 Betriebe). Dabei gewann die Zupacht stark an Bedeutung. Wurden in der Agrarstrukturerhebung 1999 noch 811.000 Hektar als Zupachtfläche angegeben, so waren es elf Jahre später mit 1,04 Mill. Hektar um 25 Prozent mehr.
Besonders heftig war der Strukturwandel bei den Tierhaltern. Die Zahl der Schweinehalter ging binnen elf Jahren von 106.900 auf 38.000 zurück, die Zahl der Rinderhalter von 115.000 auf 72.000. Im Gegenzug erhöhten sich die durchschnittlichen Tierbestände bei Schweinen von 35 auf 85 und bei Rindern von 18 auf 27 Stück.
Von den Größenordnungen in den großen EU-Agrarländern sind die heimischen Bauern dennoch nach wie vor weit entfernt. In Deutschland, Frankreich und Tschechien sind Flächen und Tierbestände, die von den Bauern bewirtschaftet werden, um ein Vielfaches größer.
Salzburger Nachrichten Wirtschaft, 1. Juni 2012
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen