Freitag, 24. August 2012

Bauern vor großen Änderungen


 

Der heimischen Landwirtschaft stehen große Anpassungen bevor. Spannungen zwischen den Bauern sind programmiert.

HANS GMEINER Salzburg (SN). Lang bevor Finanzstaatssekretär Andreas Schieder der Landwirtschaft einen „heißen Herbst“ ankündigte, sprach Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich davon. Er weiß längst um die Herausforderungen, vor denen die Agrarpolitik steht. Vor allem die Anforderungen, die in Österreich selbst zu bewältigen sind, haben großes Sprengpotenzial in der Regierungskoalition und in der Bauernschaft. 


1 Einheitswerte
 Die Voraussetzungen für die bis 1. Jänner 2014 fällige Feststellung der Einheitswerte für die Landwirtschaft sind nur zum Teil erfüllt. Die Landwirtschaft hat zwar ein neues Modell, es fehlt aber an Bewertungsrichtlinien, die bei der Neufeststellung angelegt werden sollen. Nach viel Streit um das Bewertungsgesetz gibt es nun doch Bewegung. Eine Einigung soll bevorstehen.
 Insgesamt soll die Summe der Einheitswerte, die Grundlage für die Festlegung von Steuern, Abgaben und Sozialversichungsbeiträgen gleich hoch bleiben, wünscht sich die Landwirtschaft. Grund und Boden sollen in der Bemessung in Zukunft weniger Gewicht haben, der Tierbestand und die Ausgleichszahlungen aus Brüssel mehr. Tendenziell hätten die Bauern in Ostösterreich Entlastungen zu erwarten, während es im Westen zu größeren Belastungen kommen kann. 

 2 Besteuerung 
 Für heftige Diskussionen sorgt, dass Bauern mit einem Einheitswert von bis zu 100.000 Euro die Möglichkeit haben, ihre Steuern pauschal zu ermitteln. Basis dafür ist ein bestimmter Prozentsatz des Einheitswerts oder der Verkaufserlöse pro Jahr. Kritiker wie die Arbeiterkammer sehen darin ein Steuerschlupfloch und verlangen eine Besteuerung aufgrund einer Einnahmen-Ausgaben-Rechnung. Statt eines Steueraufkommens von derzeit 45 Mill. Euro werden dann 300 bis 400 Mill für möglich gehalten. Die Landwirte wehren sich. „Die meisten Bauern würden auch dann nicht den Schwellenwert von 11.000 Euro erreichen, der die Steuerpflicht auslöst“, sagen sie. Das sei den bürokratischen Aufwand nicht wert. Zudem fürchten sie um die Sozialversicherung. Würde dort das Einkommen und nicht der Einheitswert als Grundlage genommen, gäbe es für viele Bauern kaum eine Pension, so die Bauernvertreter. Das auszugleichen käme den Staat wesentlich teurer als die relativ geringen Steuerzahlungen. Die Fronten sind einstweilen starr. Bei der 100.000-Euro-Grenze signalisiert die ÖVP Bereitschaft zur Absenkung. Die SPÖ-Bauern wollen eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung für alle Bauern.

3 Prämienangleichung
Vor dem EU-Beitritt 1995 wurde die bis dahin übliche Stützung der Preise pro Kilogramm Getreide oder Fleisch und Liter Milch möglichst einkommensneutral als Prämie pro Hektar auf die Flächen der Bauernhöfe umgelegt. Weil etwa die Getreidepreise nach Wegfall der Stützung wesentlich stärker sanken als die Milchpreise, wurden die Prämien pro Hektar entsprechend unterschiedlich festgesetzt. Die EU verlangt ein Abgehen von diesem sogenannten historischen Modell. Jeder Hektar soll möglichst gleich viel wert sein. Die Verschiebungen wären enorm. Den Ackerbauern im Osten drohen Verluste in der Größenordnung von bis zu 50 Prozent. Den Bauern von Salzburg westwärts hingegen winken bis zu 100 Prozent höhere Prämien. Entsprechend groß sind die Spannungen in der Bauernschaft.
Umstritten ist auch der Zeitraum der Umstellung. Die Bauern im Westen und die SPÖ plädieren für eine rasche Änderung schon ab dem Jahr 2014, die westlichen Bundesländer wollen eine Übergangsfrist bis 2019, die
Grünen bis 2017.

4 Agrarreform
Die EU-Agrarreform steht im Wesentlichen. Allerdings ist völlig offen wie viel Geld für die Bauern in Zukunft zur Verfügung stehen wird. Für Österreich geht es vor allem um die Finanzierung der zweiten Säule, der sogenannten ländlichen Entwicklung. Aus diesem Topf werden zum Großteil die Umweltprogramme und die Biobauern- und Bergbauernförderung finanziert. Dafür stand bisher im EU-Vergleich überdurchschnittlich viel Geld zur Verfügung, das in Österreich von Bund und Land verdoppelt wurde. Das gilt es abzusichern. Die Kofinanzierungsmöglickeit von 50 Prozent wackelt. Zudem wird von Arbeitnehmervertretern und Wirtschaft kritisiert, dass zu viel Geld in die Landwirtschaft fließe.
 Nichts als eine vage Hoffnung ist, dass Bauern, die am Umweltprogramm teilnehmen, von den sogenannten Greening-Verpflichtungen ausgenommen sind, einem Kernstück der Agrarreform. Wie das im Detail aussehen könnte, ist völlig ungewiss.
Umstritten sind auch die Stilllegung von sieben Prozent der Flächen und die Obergrenze für die Förderungen. Der Kommissionsvorschlag sieht 150.000 Euro pro Betrieb vor. In Österreich will die SPÖ bei 25.000 Euro eine Grenze einziehen, die Grünen bei 35.000.

5 Zeitdruck
All diese Themen müssen innerhalb der nächsten eineinhalb Jahre gelöst werden. In Brüssel droht zudem eine Verzögerung der Agrarreform, weil kaum damit zu rechnen ist, dass heuer noch eine Einigung auf den EU-Finanzrahmen zustande kommt. Das bedeutet, dass für die Bauern weitreichende Entscheidungen möglicherweise ohne genaue Kenntnis der finanziellen Spielräume gefällt werden müssen.


Salzburger Nachrichten - Wirtschaft 24.August 2012

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