Donnerstag, 16. August 2012
Mut zum aufrechten Gang
Die Landwirtschaft hat's wohl schon sehr klein beisammen. Wie klein, zeigt ein gut gemeinter Film aus der Werbekampagne der LK Niederösterreich. Unter dem Motto "Landwirtschafft's" will man die Leistungen der Landwirtschaft aufzeigen. Mehr als drei Minuten lang werden zwar jede Menge Zahlen und Schönbilder von Landschaften und aus der bäuerlichen Welt aufgeboten. Bis auf ein paar Sekunden mit einer Kuh auf einer Wiese ist aber kein einziges Tier zu sehen. Kein Schwein, kein Huhn, nichts -ganz so, als ob man sich nicht getraut, zu zeigen, wie die Tiere gehalten werden, um nicht die Konsumenten zu verschrecken.
Die Verunsicherung ist offenbar groß und grenzt immer öfter an Selbstverleugnung. Kein Wunder. Denn längst haben andere das Heft in der Hand und zeichnen bei den Konsumenten ein Bild, das mit der Landwirtschaft, wie sie heute betrieben wird, kaum etwas zu tun hat. "Ja! Natürlich" schickt ein munteres Schweinderl mit flapsigen Sprüchen in die Werbeschlacht. Im Schärdinger-TV-Spot wärmt ein schlaftrunkener Milchbauer mit seinem Atem die Hände, eher er der Kuh ans Euter greift, um sie per Hand zu melken. Und auf schier jeder Verpackung von Lebensmitteln finden sich Fotos von Bergpanoramen, Bauernhäusern und glücklichen Tieren.
"Diese Werbung funktioniert", rechtfertigt man sich bei Verarbeitern und im Handel. "Die Konsumenten fahren drauf ab."
Auch die Bauern machen mit. Vom Ministerium abwärts bis zu den Ortsbauernschaften und Direktvermarktern wird mit Bildern von einer Landwirtschaft geworben, die es längst nicht mehr gibt. Kuschelig, klein, sauber und soooo natürlich.
Was den Konsumenten vorgegaukelt wird, ist, allen Werbeerfolgen zum Trotz, längst zur Bedrohung für die Landwirtschaft geworden. Denn die Landwirtschaft wird daran gemessen. Das Bild aber, das die Konsumenten von den Produktionsweisen in der Landwirtschaft haben, und die tatsächlichen Verhältnisse in den Ställen und auf den Feldern driften immer schneller auseinander. Kein Wunder, dass Konsumenten, die von den Werbebildern eingelullt werden, heftig reagieren, wenn sie erkennen müssen, dass sie eigentlich hinters Licht geführt wurden.
Den Schwarzen Peter haben dann immer die Bauern. Ihnen fällt diese Art der Werbung auf den Kopf. Die heftige und langwierige Diskussion um die Kastenstände bewies das in den vergangenen Monaten eindrücklich. Die Schweinezüchter hatten alle Hände voll zu tun, sich dafür zu rechtfertigen, wie sie Zuchtsauen halten.
Auch in der Agrarpolitik werden die falschen Bilder zu einer zunehmenden Gefahr. Für sie wird es immer schwieriger, gegen Forderungen anzukämpfen, die von den Bildern der Heile-Welt-Landwirtschaft genährt sind. Der Bogen reicht von immer neuen Auflagen und Beschränkungen bis hin zu immer mehr Kontrollen.
Die Bauern sind in der Defensive. Der Druck, zu einer selbstbewussten Darstellung zu finden, die der Realität entspricht, wächst. Sonst geht die Landwirtschaft auch in Zukunft in jeder Diskussion unter.
Die Linie, an die sie sich dabei halten sollte, ist eigentlich einfach. Wenn man was Schlechtes macht, das man sich nicht herzuzeigen traut, soll man es nicht machen. Wenn man davon überzeugt ist, nichts Schlechtes zu machen, dann soll man auch den Mut haben, es zu vermitteln. Auch wenn das ein sehr mühsamer Prozess sein kann. Handlungsbedarf besteht jedenfalls. Wegen der Konsumenten, aber auch wegen der Bauern selbst. Es ist ja kein Zustand, dass immer öfter so getan wird, als sollten sie sich für ihre Produktionsweisen schämen müssen.
Gmeiner meint - Blick ins Land, 16. August 2012
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