Freitag, 25. Januar 2013

Landwirtschaft sucht neues Maß



 

Bei der "Wintertagung" des Ökosozialen Forums suchten in dieser Woche die heimischen Agrarier ihre Zukunft

WIEN (SN). Vor wenigen Jahren noch bemitleidet gilt die Landwirtschaft heute als einer der wichtigsten Wirtschaftszweige der Zukunft. Die heimischen Agrarier versuchen den Rückenwind für sich zu nutzen. "Intensivierung? Ja, aber nachhaltig!"-das Generalthema der Wintertagung des Ökosozialen Forums zeigt, wo es hingehen soll. Aber, wie viel Landwirtschaft braucht Österreich überhaupt? Und welche? Dabei zeigt sich immer klarer, dass die Standardantworten kaum mehr reichen.

Dass die Bauern und ihre Vertreter unter "viel Landwirtschaft" vor allem eine große Zahl an Bauern verstehen und auf die Frage nach der Form der Landwirtschaft wie aus der Pistole geschossen "Familienbetriebe" und "nachhaltige Produktion" antworten, ist verständlich. Der Wandel auf den Märkten, aber auch die anstehende EU-Agrarreform verlangen, das zu hinterfragen. Denn in der Vergangenheit hat man es sich mitunter allzu bequem eingerichtet. "Es ist, was uns betrifft, alles bestens, die Bösen sitzen woanders",hielt man allen Kritikern entgegen.
"Viele Bauern" bedeuten aber nicht automatisch "viel" und "gute" Landwirtschaft. Kleine Bauern produzieren nicht automatisch nachhaltig und umweltfreundlich, große belasten nicht automatisch die Umwelt und erzeugen schlechte Produkte. Und Familienbetriebe sind nicht per se Garanten für hohe Qualität.

Seit Jahren vermeidet man, sich wichtigen Fragen zu stellen. Wie gut sind die Produkte im Verhältnis zu denen aus anderen Regionen wirklich? Wie umweltfreundlich erzeugen Österreichs Bauern? Was unterscheidet sie von Landwirtschaften in anderen Ländern? Wie könnte sich die österreichische Landwirtschaft weiterentwickeln? Und wie geht das alles mit den Anforderungen der Märkte zusammen? Österreichs Landwirtschaft und ihr Selbstverständnis beruht auf 30 Jahre alten Ideen. Dass Landwirtschaft über die Nahrungsmittelerzeugung hinaus auch für Umwelt und Regionalentwicklung von Bedeutung ist, ist inzwischen aber Allgemeingut der europäischen Agrarpolitik und wichtiger Teil der geplanten Agrarreform.

Österreichs Landwirtschaft muss wieder unterscheidbarer werden. Will man sich erfolgreich behaupten, ist die Argumentation, auf der sie ihre Stellung auf den Märkten aufbaut und ihren Anspruch auf Förderungen begründet, nachzuschärfen. Und wenn es Österreichs Landwirtschaft tatsächlich gelingt, sich abzuheben, muss das besser verkauft werden und sich, anders etwa als der bisher verschenkte Verzicht auf Gentechnik, für die Bauern bezahlt machen.

Dabei ist das richtige Maß zu finden. Beeinflusst von oft realitätsfernen Werbebotschaften von Handel, Verarbeitern, aber auch der Agrarvertretung selbst sympathisiert die nicht landwirtschaftliche Öffentlichkeit mit einer Art Landwirtschaft, die im Vergleich zu den tatsächlichen Verhältnissen nichts anderes ist als Subsistenz-oder Hobby-Landwirtschaft. Für die Bauern ist das zur Last geworden. In der Realität haben sie mit Preisdruck zu kämpfen und müssen zusehen, wie in den Supermärkten allen Beteuerungen zum Trotz oft zur Billigmarke gegriffen wird.

Für Bauern und Öffentlichkeit geht es vor allem um die Glaubwürdigkeit. Erst wenn man die gewonnen hat, kann man beantworten, wie viel Landwirtschaft man braucht.

Salzburger Nachrichten, Wirtschaft, 25. Jänner 2013

 

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