Donnerstag, 17. Januar 2013

Direkte Demagogie



Viele in Österreich sind mit der Politik unzufrieden. Laut sind ihre Klagen oft, groß ihr Ärger. Sie fühlen sich hilflos, machtlos und was die Umsetzung ihrer Vorstellungen und Wünsche betrifft, chancenlos. Alle vier, fünf Jahre ein Kreuzerl in der Wahlzelle als einzige Möglichkeit ins politische Rad zu greifen und "denen da oben“ in der Politik zu signalisieren, was man denkt, ist für viele unbefriedigend.

Der Ausbau der direkten Demokratie schien da als ein Ausweg, als interessante und starke Alternative. Ein durchaus lauteres Ansinnen, das freilich einen Haken hat, zumal in Österreich. Denn die sich da für den Ausbau der direkten Demokratie stark machen, haben die Beharrlichkeit und Dreistheit der heimischen Politik, respektive des heimischen politischen Personals, nicht in ihrem Kalkül gehabt. Und auch nicht den Boulevard, der sich gerne und ungeniert, oft verantwortungslos, manchmal nachgerade lüstern und immer unkontrolliert als vierte Macht im Staat geriert.

Denn die, wir erleben in diesen Tagen ganz augenscheinlich und ertragen es kaum mehr, zertrampeln in verantwortungsloser und empörenderer Weise das zarte Pflänzchen, das mit einem eigenen Demokratiepaket zu stärken sie im vergangenen Herbst noch vorgaben.

Nach allem, was da in diesen Tagen rund um die Bundesheer-Volkbefragung passiert, wie da die Hackeln fliegen und wie mit Untergriffen aller Art das ganze Land gespalten wird, mag man sich gar nicht vorstellen, dass das Instrument der Volksbefragung in Zukunft im Sinne eines Ausbaues der direkten Demokratie öfters eingesetzt wird. "Nein, danke“ ist das Erste, was einem dazu einfällt. Permanenter Wahlkampf, Agitation überall und aufgeblasene Aufgeregtheit wären nicht zu ertragen. Das Land, in dem der politische Stillstand ohnehin längst ein Problem ist, würde wohl endgültig unter einer politischen Blockade erstarren.

Die Bundesheer-Volksbefragung wäre eine Chance gewesen, das heimische Wahlvolk an mehr Mitbestimmung und an eine stärkeren Anteilnahme am politischen Prozess heranzuführen, das Interesse an Politik wieder hochzupäppeln, Vertrauen und vielleicht sogar Achtung zurückzugewinnen. Die heimische Politik hätte das so notwendig gebraucht. Nach dem, was in den vergangenen Wochen geschah, ist zu befürchten, dass man genau das Gegenteil erreicht hat. Selten war so viel Falschheit in einer politischen Diskussion, selten so viele Finten und selten so viel Chuzpe.

Die beiden Großparteien und der Boulevard aber haben die direkte Demokratie als zusätzliche Spielwiese gekapert. Routiniert haben sie mit dem, was sie politisches Verständnis nennen und von dem sich immer mehr Österreicher abwenden, eine Option in den Geruch der Lächerlichkeit gebracht, auf die so viele in Österreicher setzten.

Das begann schon damit, dass die beiden Großparteien ihre Positionen zum Bundesheer mir nichts dir nichts und getragen rein vom politischen Kalkül, aber ganz offenbar nicht von politischer Verantwortung, austauschten. Die Wehrpflicht, für die Sozialdemokraten spätestens seit ihren Erfahrungen, die sie 1934 und in den darauffolgenden Jahren machen mussten, tatsächlich immer in Stein gemeißelt, ist nun mit einem Mal obsolet. Für die Konservativen hingegen, die noch vor gar wenigen Jahren in jedem Zivildiener einen Staatsfeind, wenn nicht gar einen verkappten Terroristen sahen und ihm alle Prügel dieser Welt in seinen Weg ins Leben schmissen, sind nun ausgerechnet die Zivildiener offenbar das wichtigste Argument für die Beibehaltung der Wehrpflicht, die sie noch vor zwei Jahren am liebsten abgeschafft hätten.

Dass eine Volksbefragung zum Bundesheer zu einer Befragung über die Gestaltung der Sozialdienste und des Katastrophenschutzes gemacht wird, die Sache selbst, das Heer, seine Bedürfnisse und seine Bedeutung aber gar keine Rolle spielen, muss Österreich erst jemand nachmachen. Aber es ist typisch für die Art und Weise, wie man hier Politik versteht. Die Frage rot oder schwarz ist da in jedem Fall wichtiger als jede Sachfrage.

Genau die, die schon das Ansehen der repräsentativen Demokratie seit Jahren ramponieren und Wählerinnen und Wähler vertreiben, sind nun dabei auch die direkte Demokratie, die das Wahlvolk als Ventil sah, zu ruinieren. "Direkte Demagogie“ wäre wohl der bessere Ausdruck für die österreichische Variante. Die Fortsetzung steht Anfang März in Wien an.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 17. Jänner 2013

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