Donnerstag, 24. Oktober 2013

Freundliche Nasenlöcher



Zum 13. Mal wird in diesem Land eine große Koalition verhandelt. Und zum 13. Mal ist der Verhandlungsbeginn geprägt von Versprechen, einen neuen Stil pflegen zu wollen. Die Sätze, die Bundeskanzler Faymann und sein Vize Spindelegger in diesen Tagen in jedes Mikrofon sagen, das ihnen hingehalten wird  gleichen denen, die schon ihre Vorgänger wählten. Der neue Stil soll von "vertrauensvoller Arbeit miteinander" geprägt sein, sagt Spindelegger, "ohne Konfrontationen und ohne dem anderen etwas hinterrücks auszurichten". Und Faymann will den neuen Stil als "spürbaren Einsatz für rot-weiss-rot" begriffen wissen.

Man macht freundliche Nasenlöcher, schlägt Schalmeientöne an. Dabei ist man doch längst dabei wieder in den alten Gleisen weiterzufahren. Beschämend ist etwa, wie sich die forschen und vollmundigen Wahlkämpfer dieser Sommermonate abputzen, wenn sie gefragt werden, ob denn das, was sie im Wahlkampf übereinander sagten, nicht die Stimmung trübe und einer gedeihlichen Zusammenarbeit entgegenstehen könnte. "Jeder versteht, dass im Wahlkampf halt emotional anders aufgedreht wird, als in sonst üblichen Sitzungen", spricht etwa Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner nonchalant sich selbst und seine Kolleginnen und Kollegen frei, wenn er auf den einen oder anderen Sager im Wahlkampf angesprochen wird. Und Sozialminister Rudolf Hundstorfer gibt zu "Ja, ich habe auch einiges gesagt über Herrn Spindelegger" und die Cool-Down-Phase nach den Wahlen habe gut getan.

Was kümmern mich die Worte von gestern? So einfach geht das. Und so beschämend ist das. Was soll man von solchen Politikern, solchen Charakteren, halten, was von ihren Versprechen, einen neuen Stil pflegen zu wollen? Was überhaupt von ihren Wahlversprechen? Und warum soll man ernst nehmen, was sie von sich geben?

Über das Team Stronach und seinen Herrscher, der alles, was er vor den Wahlen sagte und versprach vergessen hat und rückgängig macht, erregt sich das ganze Land. Dabei verhalten sich die Politikerinnen und Politiker der  Regierungsparteien im Kern kaum anders. Jetzt sind es die heftigen Sager über die Mitbewerber, die das p.t. Wahlpublikum vergessen respektive nicht ernst nehmen soll. In wenigen Monaten sind es wohl, daran ist kaum zu zweifeln, auch viele der zuweilen mehr als vollmundigen Versprechungen, mit denen die Wählerschaft geködert wurde. 

Und spätestens dann wird man wohl auch wieder endgültig im alten Trott miteinander verkehren, dessen so viele Österreicherinnen und Österreicher längst überdrüssig sind und der der großen Koalition schon bei den letzten Wahlen fast die Mehrheit gekostet hätte.  

Die Aussichten, dass ausgerechnet bei der 13. Auflage der großen Koalition etwas anders wird, sind als nur gering einzuschätzen. Nicht zuletzt, deswegen, weil es die selben Akteure sind, die schon die 12. Auflage verbockt haben, die sich nun anschicken, die Neuauflage zu zimmern. Genau jene Akteure, die nun allerorten mit einer bemerkenswerten Chuzpe wegzuwischen versuchen, was sie noch vor wenigen Wochen übereinander sagten. Da ist niemand neuer an den Verhandlungstischen, da dominieren die, die schon immer den Ton angegebenen haben, jene, die die Zusammenarbeit von Rot und Schwarz so herunterwirtschaftet haben, dass nun von der letzten Chance geredet werden muss.

Da ist kein Wunder, dass die Wählerinnen und Wähler über das verschreckt sind, was sie angerichtet haben. Keine 40 Prozent wollen, ergaben Umfragen in den vergangenen Wochen, wieder eine große Koalition. Und mehr als zehn Prozent, so viele wie nie, würden heute, keine vier Wochen nach der Wahl, ganz anders wählen.

Einstweilen vergreifen die Versprechungen des Rot-Schwarzen-Führungspersonals ganz offensichtlich nicht.  Im Gegenteil. Die Zeichen scheinen auf ein unvermindertes Ansteigen des Politik-Frustes in diesem Land zu stehen. Immer mehr Menschen haben genug von dem Theater, das ihnen Tag für Tag geboten wird. Sie wollen Politik und keine verschmitzt-schmunzelnde Entschuldigungen, die einstmals gesagtes Vergessen machen sollen. Sie wollen, das hält, was die Politikerinnen und Politiker sagen. Und dass sie sich darauf verlassen können. Diesen Beweis anzutreten tut sich die große Koalition freilich schwer. Nicht zuletzt deswegen, weil man jetzt allerorten so tun muss, als hätte man das im Wahlkampf gesagte nicht so gemeint, wie es gesagt wurde. 
 
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 24. Oktober 2013

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

 
UA-12584698-1