Donnerstag, 3. Oktober 2013
Unter Druck
Bundeskanzler Werner Faymann tat es, obwohl er sein Wahlziel nicht erreichte. Sein Vize Michael Spindelegger tat es, obwohl er für seine Partei das schlechteste Ergebnis der Geschichte einfuhr. Und schon vor ihnen taten es Legionen von Politikerinnen und Politikern. Sie allesamt bissen nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses wacker die Zähne zusammen, lächelten in die Kameras, dankten pflichtschuldigst den Wählerinnen "für das Vertrauen“ - um dann im Handumdrehen zu tun, als sei nichts geschehen. Da legt man mitunter seltsame Maßstäbe an, um das Ergebnis, und ist es auch noch so schlecht, nach allen Regeln der Kunst schönreden zu können. Da verbeißt man sich gleich wieder in den politischen Gegner, gibt sich überzeugt von sich selbst und seinen Positionen, geißelt politische Ideen der Konkurrenz und macht den Gegner nach Strich und Faden madig. Ganz so, als ob man noch im Wahlkampf stünde.
Es ist immer spannend, Wahlverlierern zuzuschauen, amüsant zuweilen und oft mitleidserregend. Wie sie hadern, wie sie nach Formulierungen ringen, wie sie Ergebnisse als Missverständnis interpretieren und sich zuweilen sogar dazu versteigen, sie als Irrtum der Wählerinnen und Wähler zu erklären.
Es muss bitter sein, zur Kenntnis zu nehmen, mit seinen Vorstellungen bei den Menschen, für die sich einzusetzen man immer so sehr betonte, nicht angekommen zu sein. Noch bitterer muss sein, wenn man zur Kenntnis nehmen muss, dass die Vorschläge und Vorstellungen regelrecht abgelehnt wurden. Und am bittersten muss sein, was Josef Bucher passiert ist - abgewählt zu werden und damit vom Wähler die Bescheinigung des Unvermögens ausgestellt zu bekommen.
Mit Niederlagen umzugehen ist menschlich eine enorme Herausforderung. Viele Politikerinnen und Politiker, die wegen ungebührlich hoher Mandatsverluste aus Parlamenten fliegen, zerbrechen daran, weil Niederlagen oft auch das Ende ihrer politischen Ambitionen, Pläne und Karrieren bedeuten.
Mit Niederlagen umzugehen ist aber auch eine Herausforderung für die Parteien, mit denen die gestrandeten Politikerinnen und Politiker ihr Glück versuchten und ihre politischen Ambitionen lebten. Das verlangt Offenheit und Fingerspitzengefühl, Ehrlichkeit und eine scharfe, schonungslose und vor allem richtige Analyse. Da geht es darum, die Motivation aufrecht und die Mitarbeiter und Parteigänger bei der Stange zu halten.
Die Parteien tun sich oft schwer damit, die richtigen und nötigen Konsequenzen zu ziehen. Zu sehr ist man in die eigene Vergangenheit verliebt, zu sehr in die eigenen Ideen, und will nicht zur Kenntnis nehmen, dass man genau deswegen längst den Kontakt zu denen verloren hat, die man für seine Wähler hielt und die man vertreten wollte.
Wahlen sind aber nicht nur für die Parteien und ihre Politiker, die sie verlieren, eine Herausforderung. Auch den Siegern machen sie Druck, liegt doch in jedem Sieg, der die Latte für den nächsten Wahlgang hoch legt, der Keim der Niederlage. Insbesondere die NEOS und das Team Stronach sehen sich dieser Herausforderung gegenüber. Sie müssen das Vertrauen, das ihnen die Wähler gaben, erst einmal rechtfertigen. Und das ist für politische Newcomer alles anderes als einfach. Versprechen einzuhalten, ist für sie eine wesentlich größere Herausforderung als für etablierte Parteien - und wesentlich schwieriger, als sie im Wahlkampf vollmundig abzugeben.
Nur ganz wenige Parteien und Politiker verstehen sich darauf, mit diesen Gefahren umzugehen und über lange Zeiträume oben zu bleiben. In Österreich sind das allen Anfeindungen zum Trotz immer wieder Landeshauptleute wie Niederösterreichs Erwin Pröll oder Oberösterreichs Josef Pühringer. Politische Seiltänze sind ihnen fremd, sie halten auch schwere Stürme aus und verstehen sich darauf, das Vertrauen der Menschen über lange Zeiträume zu rechtfertigen.
In Deutschland ist es die CSU in Bayern, der es immer wieder, und über mittlerweile sehr lange Zeiträume, gelingt, in der Wählergunst ganz oben zu stehen. Aller Häme der Medien und aller Untergriffe von politischen Gegnern zum Trotz.
In Österreich gelingt das SPÖ und ÖVP kaum mehr. Ihr Niedergang ist ein konstanter. Das Wahlergebnis vom Sonntag gilt vielen als allerletzter Warnschuss. Ob sie recht haben, zeigen die kommenden fünf Jahre.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 3. Oktober 2013
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