Donnerstag, 31. Oktober 2013

Gutheits-Müll



In diesen Wochen wird man wieder von Gutheit - man kann es angesichts der Lawine nicht mehr anders sagen - zugemüllt. Im Dutzend bringt der Briefträger Kuverts der Spendenorganisationen ins Haus. Das "wertvolle Engagement" des präsumtiven Spenders lobt man da, und dass man "durch die bisherigen Spenden" gezeigt habe, dass man gerne helfe. Und man bittet das Nämliche weiter zu tun. "Denn nur, wenn Sie nicht wegschauen, können wir helfen."

Immer dicker werden die Kuverts, die geschickt werden, immer mehr Informationen werden hineingepackt. Und immer mehr von dem, was als nichts anders denn als Schrott

zu bezeichnen ist. Von Lesezeichen angefangen über Schlüsselanhänger bis hin zu Weihnachts-Postkarten reicht die Liste der Artikel, die sehr viel mehr auf die Nerven gehen und die zuweilen das Gefühl vermitteln, mit einer kommunalen Entsorgungsstelle verwechselt geworden zu sein, als dass sie einen erfreuen. Den Vogel schoss heuer die Organisation "Gemeinsam gegen Landminen" ab, die Kuverts verschickte, die daherkamen wie die seinerzeitigen Briefbomben-Briefe. "Ausgerechnet", dachte man sich dabei. Dabei war es nichts als ein wohl gut gemeinter Kugelschreiber, den man freilich ohnehin nicht brauchte, der dem Kuvert die Briefbomben-typische Anmutung gab.

Mehrmals jährlich gehen solche Spendenaufrufs-Wellen durchs Land. Immer größer ist die Perfektion, die von den Spendenorganisationen an den Tag gelegt wird. Immer persönlicher werden die Spenderinnen und Spender angesprochen, immer eindringlicher die Geschichten, die präsentiert werden, auf dass man die Brieftasche aufmache.

Wer einmal in die Adressdatei einer Spendenorganisation geraten ist, für den gibt es kein Entkommen mehr. Selbst für Hinterbliebene ist es oft schwierig, die Löschung der Adressen verstorbener Angehöriger zu erwirken -so als wolle man es bei manchen Organisationen nicht glauben, einen Spender für immer verloren zu haben.

Der Kampf um die Spendengelder scheint groß zu sein. Die Mittel, mit denen er geführt

wird, sind freilich immer öfter zu hinterfragen. Mitunter drängt sich der Eindruck auf, dass man dem Lebensmittelhandel kaum mehr nachsteht.

Man möchte spenden, aber man möchte kein Lesezeichen und keinen Schlüsselanhänger. Man möchte, dass das Geld jenen hilft, für die man es spendet. Möglichst rasch, möglichst unbürokratisch, möglichst direkt und möglichst zu 100 Prozent. Dass man Geschenkartikelhersteller fördert, will man hingegen nicht. Ganz sicher nicht. Davon aber scheint man sich immer weiter zu entfernen. Man staunt und fragt sich, wieviel von dem, was man spendete, inzwischen für all das aufgewendet wird, was einem da immer öfter zuwider ist.

Und man fragt sich, warum die Organisationen das überhaupt nötig haben. Ihre Arbeit ist durch die Bank großartig, was sie leisten höchst respektabel. Da nimmt sich eine Anstecknadel oder ein Schlüsselanhänger allenfalls ärmlich aus, wenn man glaubt, damit Danke sagen zu müssen. Nicht anders verhält es sich mit den in namentlich und vorgeblich

in persönlicher Anrede gehaltenen Dankesschreiben, von denen man weiß, dass sie heute jeder Computer zusammenmixen kann.

Da zeigt man sich angekränkelt von den Usancen einer Konsumgesellschaft, die freilich in diesem speziellen Segment gar keiner will.

Professionalisierung ist schön und gut. Wenn sie aber bei den Zielgruppen nachgerade Verfolgungsgefühle weckt, weil es kein Entkommen zu geben scheint, hat man nur einmal 10 Euro hergeben, ist sie wohl überzogen.

Gut 460 Millionen Euro spenden die Österreicherinnen und Österreicher jährlich. "Spendenweltmeister", wie man sich gerne bezeichnet, ist man damit zwar nicht, aber die Summe ist durchaus respektabel. 50 Euro sind das pro Nase. Acht von zehn Österreichern greifen in ihre Brieftasche, um zu helfen. "Beim Spenden unterstützen die Österreicher am liebsten Kinder, behinderte Menschen und die Katastrophenhilfe im Ausland", heißt es im jüngsten Spendenbericht der Organisation Fundraising Austria. "Gefolgt werden diese von Tieren, Sozial Benachteiligten und der Katastrophenhilfe im Inland."

Darauf und darauf, was man daraus macht, dürfen die Verantwortlichen der Organisationen durchaus stolz sein. Die Methoden, die in den vergangenen Jahren üblich geworden sind, mögen sie aber überarbeiten. Andernfalls könnte sich die Spendenfreudigkeit sehr rasch aus Verärgerung ins Gegenteil verkehren.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 31. Oktober 2013

1 Kommentar:

  1. besonders beliebt sind die schnorreranrufe, insbesondere bei angehörigen der potentiellen spender. dazu kommen die berufserbschleicher. immerhin haben sie die einmalige chance, sich auch über ihren tod hinaus ein denkmal zu setzen.

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