Donnerstag, 5. Dezember 2013

Schicke Schuldner



Österreichs Jugendliche tun sich schwer mit Geld umzugehen, hieß es dieser Tage. Ein Drittel der unter 19-Jährigen findet es völlig normal, Schulden zu machen, fand ein Meinungsforschungsinstitut heraus. Das schicke Smartphone, die coolen Klamotten und die Drinks in der Disco gelten als unverzichtbar. Weil das Taschengeld dafür selten reicht, pumpt man es - bei den Eltern, bei der Oma, bei Freunden. Man lebt ja nur einmal. Und da braucht es nun einmal alles und das möglichst sofort. Da wächst der Schuldenberg schnell. Bei den unter 30-Jährigen, die dann bei der Schuldnerberatung Hilfe suchen, weil's gar nichts mehr geht, beträgt die durchschnittliche Höhe der Verschuldung gut 32.500 Euro.

Das ist nicht nichts. Und es fügt sich in die österreichische Schuldenkultur. Schnurstracks lässt sich eine Linie vom Verhalten und der Sorglosigkeit der Jugendlichen zur Politik ziehen. Bis zu Sozialminister Hundstorfer etwa, der sich erst einmal anschauen will, wie sich die Staatschulden und das Loch, das darin klafft, weiter entwickeln, ehe er handeln will. Und bis zu seinen Parteifreunden von Werner Faymann bis Andreas Schieder, die auf einen Zaubertrick zu setzen scheinen -sparen, ohne dass die Bevölkerung davon etwas spürt. Eine direkte Linie lässt sich wohl auch nach Kärnten und zum Hypo-Desaster ziehen und zu vielen anderen.

Österreich hat beim Schulden machen längst das Maß verloren. Was bei den Jungen die Eltern und die Oma sind, sind beim Staat die Steuerzahler, die herhalten müssen. Die Schuldentürme, die sich aufbauen, haben dabei längst unvorstellbare Dimensionen erreicht. Sie sind nicht mehr überschaubar, nicht mehr einschätzbar und nicht mehr begreifbar.

Die Politik, namentlich die sozialdemokratische Politik in diesem Land, scheint das nutzen zu wollen. Mit Vorsatz und mit Geschick. "Es stimmt einfach nicht, dass nur für die Bevölkerung sehr schmerzhafte Einsparungen und Belastungen zu einem Nulldefizit führen können", sagen sie und bereiten dafür den Boden für ein ungebremstes Weiterprassen auf. Warum sollte dann irgendjemand Verständnis für einen Sparkurs haben? Für Einschränkungen, für Kürzungen?

"Geht ja doch, also gibt es keinen Anlass auf irgendetwas zu verzichten", ist die Botschaft. Und die wird gerne angenommen. Zumal in Österreich, wo der Anspruch auf Alimentation von der Wiege bis zur Bahre längst in Fleisch und Blut übergegangen ist. Zuschüsse, Beiträge, Förderungen, Ausgleichzahlungen. Damit wird man in Österreich groß, damit lebt man, ohne geht gar nichts. Dementsprechend beschränkt ist die Bereitschaft, da auch nur irgendwelche Veränderungen hinzunehmen, schon gar nicht, wenn selbst höchste Politiker des Landes versichern, dass keine "sehr schmerzhaften Einsparungen und Belastungen" erforderlich sind, um auch in Zukunft über die Runden zu kommen. Ob da die Staatsschulden noch ein bisschen mehr werden oder nicht, scheint dann ohnehin egal zu sein. Was soll's. Deswegen will man doch nicht auf etwas verzichten, kürzer treten gar. Deswegen nicht.

Da hält man lieber dagegen. Man will nicht der Verlierer sein und am Ende dumm dastehen, man will nicht zu kurz kommen. Das ist die österreichische Kultur. Von Vertrauen ist sie nicht getragen, vor allem nicht, was die Politik betrifft. Viel eher ist sie getragen von der Angst, zu den Draufzahlern zu gehören.

Der Unterschied zum Verhalten der Jugendlichen ist marginal. Man will alles und das sofort. Was das alles kostet, spielt da genau so wenig eine Rolle wie dort. Und wo die Mittel herkommen auch nicht. "Es geht immer irgendwie", zwinkert man nonchalant. Der junge Möchtegern-Playboy mit dem neuesten iPhone und der teuren Jacke. Und der rote Regierungspolitiker in Zweireiher, Krawatte und genagelten Schuhen. Es leben ja alle gut davon. Der Möchtegern-Playboy, der Regierungspolitiker und die Wirtschaft.

Und die Angebetete und die präsumtiven Wähler natürlich auch - bis der eine bei der Schuldnerberatung oder gar vor dem Konkursrichter steht. Und bis der andere mit dem von ihm und seinesgleichen geführten Staat eine ordentliche Pleite hingelegt hat. Der feine Unterscheid: Während der Möchtegern-Playboy selbst ausbaden muss, was er angerichtet hat, sind es bei den Politikern wir alle. Auch die, die sie immer schon gewarnt haben und die dafür mit Geringschätzung gestraft wurden.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 5. Dezember 2013

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