Donnerstag, 11. September 2014
Wiener Dreistigkeiten
Dass Politiker ziemlich dreist sein können, ist nicht neu. Eher wundert man sich immer wieder, wozu sie noch fähig sind, zumal jene, deren Dreistigkeit und in Selbstbewusstsein mitunter ertrinkenden Bräsigkeit im ganzen Land berüchtigt sind. Es gibt solche in der SPÖ, in der ÖVP und auch in allen anderen Parteien. Der Wiener Bürgermeister Häupl ist so ein Vertreter dieser Spezies, die glaubt sich um nichts scheren zu müssen und sich alles herausnehmen zu können. Er lieferte dieser Tage einen schier atemberaubenden Beleg dafür.
Just zu dem Zeitpunkt, als ruchbar wurde, dass die Stadt Wien eine ganze Reihe von Gebühren wieder einmal kräftig anhebt und die Preise für Fernwärmekunden gar um neun Prozent erhöht gab er in Interviews zu Protokoll, dass jetzt nach dem Abgang Spindeleggers eine Lohnsteuersenkung "das Wichtigste" sei. "Eine Steuerrefom muss her. Punkt", tönt er selbstbewusst und -Häupl ist ja schließlich Häupl -legt gleich noch ordentlich drauf. "Die Menschen brauchen eine Kaufkraftstärkung", sagt er, sie wollten "mehr im Brieftaschl" sehen.
Er sagt das ganz ungeniert, während er genau diesen Menschen, für die stark zu machen er vorgibt, mit beiden Händen in die Taschen greift. Und das gar nicht zu wenig. Seit 2010 seien die Gebühren um 17,7 Prozent auf durchschnittlich 2670 Euro pro Familie und Jahr gestiegen, wettern die Wiener Stadt-Schwarzen. "Eine Wiener Familie muss nun 400 Euro mehr zahlen als vor Rot-Grün."
Das stellt die Notwendigkeit einer Steuerreform freilich in ein neues Licht. In Wien jedenfalls scheint sie die Bevölkerung zu brauchen, um die Gebührenerhöhungen, die ihnen die Stadt mit dem Bürgermeister, der so laut nach einer "Kaufkraftstärkung" ruft, zahlen zu können.
Häupl wird das herzlich egal sein. Er macht das gerne so. Nicht anders war es jüngst, als just er die Mietpreisanstiege attackierte und gemeinsam mit seinen grünen Regierungskollegen nach einer Mietzinsobergrenze rief. Ausgerechnet Häupl und sein Koalitionspartner.
Häupl freilich weiß sich eines Sinnes mit seinen Parteikollegen. Von oben bis unten und quer durchs Land. Man zeigt allerorten mit den Fingern auf die anderen, um von sich selbst abzulenken. Ungeniert tut man so, als hätte man Weisheit und Moral gepachtet und als seien alle anderen Gauner und soziale Miesepeter, die sich ihr Geld erschleichen, wenn sie denn überhaupt Steuern zahlen. In der Steiermark sitzt auch so einer, der gerne austeilt. Ohne genau hinzuschauen. Um des eigenen Vorteils und der Schlagzeile willen. Der Herr Landeshauptmann Voves hat keine Scheu davor, gleich den ganz großen Prügel auszupacken, wenn er vor ein Radiomikrofon gebeten wird. "Wenn jene, die wohlstandsverwöhnt sind, die reich sind, nicht bereit sind, Solidarität zu zeigen mit den arbeitenden Menschen, die immer weniger netto im Börsel haben, dann werden sie hohe Stacheldrahtzäune um ihre Vermögen bauen müssen", tönt er. Den Prügel hat er offenbar nicht nur im bildlichen Sinn in der Hand. Wenn man jetzt "als reicher Mensch" nicht bereit sei zur Solidarität, könne das auch bedeuten, "dass man mit diesem Reichtum auf Zeit keine Freude mehr hat".
Man kommt aus dem Staunen nicht heraus. So reden zwei der führenden Politiker in einem Land, das seinen Bürgern so viel Geld wie kein anderes aus den Taschen zieht und ihnen dafür mitunter ziemlich wenig bietet. So reden zwei Spitzenpolitiker einer Partei, die seit 60 Jahren in der Regierung sitzt und die ganze Gesellschaftsbereiche unter Kontrolle hält.
Und so reden zwei Spitzenpolitiker, die sich nicht scheuen ordentlich in die Taschen ihrer Bürgerinnen und Bürger zu greifen, wenn sie es sich in der Verwaltung ihrer Länder kommod machen wollen.
Die Doppelbödigkeit und die Unverfrorenheit sind atemberaubend. Aber sie sind ein Teil der österreichischen Gesellschaftskultur, in der alle die Fehler und Verfehlungen bei den anderen sehen und zu der gehört, sich selbst immer als Unschuldslamm hinzustellen. Häupl und Voves sind nur zwei von ihnen. Und es sind nicht nur Politiker. Diese Doppelbödigkeit, diese Unverfrorenheit und die unterschiedlichen Maßstäbe, die man hierzulande so gerne anlegt, gibt es überall.
Sie machen es schwierig. Und sie tragen viel zu dem bei, wie Österreich von außen gesehen wird -als "wackelige Mitte Europas", wie jüngst in der FAZ.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 11. September 2014
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