Dienstag, 9. September 2014

Der Boom der Wunderpflanze



Mais ist die Pflanze mit den weltweit stärksten Zuwachsraten, die Anbaufläche wächst. In Oberösterreich investiert man in die Entwicklung von Saatgut.

Hans Gmeiner
Geinberg. Nur wenige Quadratmeter groß sind die Flächen mit den kleinen Maispflanzen im Saatzuchtzentrum der Saatbau Linz im oberösterreichischen Schönering. 80.000 solcher Versuchsparzellen, auf denen Sorten in zahllosen Varianten ganz konventionell und ohne Gentechnik gekreuzt werden, betreuen Robert Taucher von der Saatbau Linz und seine Mitarbeiter praktisch rund um die Uhr. Das Ziel ist die Entwicklung neuer Maissorten, die bessere Eigenschaften für die Fütterung bieten, resistenter gegen Krankheiten sind und auch noch höhere Erträge bringen.

Der enorme Aufwand lohnt sich. Die Saatbau Linz hat sich im Konzert der großen Maiszüchter einen guten Ruf verschafft. 50 Sorten wurden allein im vergangenen Jahr neu zugelassen, in 15 europäischen Ländern treibt man derzeit Zulassungsverfahren voran, der Absatz konnte in den vergangenen fünf Jahren verdreifacht werden. Der Anteil des Geschäfts mit Maissaatgut an den 150 Mill. Euro Gesamtumsatz schnellte auf fast 40 Prozent, der Exportanteil in dieser Sparte auf 80 Prozent. Für rund 300 Bauern ist die Vermehrung des Maissaatguts ein attraktives Zubrot.

Das macht Lust auf mehr. Vor wenigen Tagen eröffnete die Genossenschaft in Geinberg im Innviertel eine der modernsten Aufbereitungsanlagen für Maissaatgut in Europa. „Damit können wir unsere Produktion von derzeit 750.000 Saatgut-Packungen auf 1,1 Millionen fast verdoppeln“, sagen die beiden Geschäftsführer Karl Fischer und Josef Fraundorfer. Das ist Saatgut für gut 800.00 Hektar.

Vor den Großen der Branche wie Monsanto und Pioneer hat man genauso wenig Angst wie vor den Pharmariesen Syngenta und Bayer, die sich in den vergangenen Jahren in die Maissaatgutbranche eingekauft haben. Dass Gentechnikmais weltweit immer größere Bedeutung gewinnt, nehmen die konventionellen Züchter aus Linz in Kauf. „Wenn wir unsere Arbeit weiter konsequent und gut machen, bestehen wir auch in Zukunft gegen die Großen“, sagen die beiden Saatbau-Geschäftsführer. In der Region von Nordfrankreich bis hin nach Russland macht ihnen keiner etwas vor. „Da sind wir vorn dabei, und in Russland trifft uns die Importsperre bisher nicht.“

Diesen Boom will man nutzen. „Mais ist weltweit zur Pflanze mit den höchsten Zuwachsraten geworden“, sagt auch Agrana-Vorstand Fritz Gattermayer. Sein Unternehmen baute in den vergangenen Jahren mit dem Stärkewerk in Aschach (OÖ) und in der Bioethanolanlage in Pischelsdorf Verarbeitungskapazitäten von insgesamt rund 750.000 Tonnen auf. „Ausweitung nicht ausgeschlossen“, heißt es hinter vorgehaltener. Hand. Das gilt auch für das Werk der Jungbunzlauer bei Laa/Thaya, in dem derzeit rund 250.000 Tonnen Mais zu Zitronensäure verarbeitet werden. Dort denkt man dem Vernehmen nach über eine Ausweitung auf 600.000 Tonnen nach.

Mais gilt als wahre Wunderpflanze. Längst dient sie nicht mehr nur als Futtermittel und Nahrungsmittel. Vor allem die darin enthaltene Stärke macht sie auch für die industrielle Verwertung interessant. Nach vorsichtigen Schätzungen soll es inzwischen rund 20.000 Produkte geben, in denen Mais enthalten ist. Der Bogen reicht vom einfachen Fladenbrot, das in vielen Ländern Nahrungsmittelgrundlage ist, über Verpackungsmaterial und Einweggeschirr, Zusätze in Farben oder Spritzbeton und zahllose andere Stärkeprodukte bis hin zu Biogas und Treibstoffen.

Mais ist in den vergangenen Jahren weltweit zur wichtigsten Kultur geworden. Heuer werden erstmals eine Milliarde Tonnen geerntet. Vielerorts wurde der Boom freilich längst zum Problem. So wächst in Deutschland seit Jahren der Widerstand gegen die rasant zunehmenden Mais-Monokulturen, mit denen Biogasanlagen versorgt werden. Groß ist die Angst vor allem in Europa vor gentechnisch verändertem Mais, dessen Anteil weltweit schon bei mehr als 30 Prozent liegt, der in Europa aber nur in ganz wenigen Ländern angebaut wird – und auch das nur in sehr geringen Mengen.

Auch in Österreich hat sich die Pflanze in den vergangenen Jahrzehnten etabliert. Die Anbauflächen wurden seit Mitte der 1960er-Jahre von 80.000 auf heute rund 300.000 Hektar ausgeweitet. Die Bauern schätzen die einfache Handhabung und die sicheren Erträge.

Die Probleme mit dem Pflanzenschutz, die mit dem Verbot der Neonicotinoide in Zusammenhang gebracht werden, verleiden freilich vor allem im Süden Österreich vielen inzwischen den Maisanbau. In der Steiermark ging die Anbaufläche heuer dem Vernehmen nach um rund 10.000 Hektar zurück. Bald könnte freilich noch ein anderer Grund dazukommen. Wegen der international erwarteten guten Ernte dürfte es für die Maisbauern heuer mit weniger als 10 Cent pro Kilogramm so niedrige Preise wie kaum je zuvor geben.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 9. September 2014

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