Montag, 30. Januar 2017

Ein Schnitzel zum Wohlfühlen



Freiwillige Programme, die die Herkunft des Fleisches betonen und mehr Platz sowie spezielle Fütterung vorschreiben, boomen. Bei Fleisch entsteht zwischen konventionell und bio ein neuer Markt.

Hans Gmeiner

Salzburg. Das Wohl der Nutztiere ist in Deutschland seit Monaten ein großes Thema. Handelsketten gründeten im Vorjahr die „Initiative Tierwohl“ und zahlen den Bauern für ihre Schweine und Rinder mehr, wenn sie sich an bestimmte Vorgaben halten, die über die gesetzlichen Vorschriften hinausgehen. Der deutsche Landwirtschaftsminister will darüber hinaus spätestens im kommenden Jahr ein staatliches Tierwohl-Siegel einführen.

Die österreichische Landwirtschaft will sich deswegen nicht ins Bockshorn jagen lassen. Weder vom Handel noch aus der Politik gibt es Signale, den deutschen Weg einschlagen zu wollen. „Wir sind schon einen Schritt weiter“, sagt Österreichs Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter. Er verweist auf die in Österreich in vielen Bereichen tierfreundlicheren Vorschriften und auf das AMA-Gütesiegel, das zentrale Instrument in der heimischen Qualitätsstrategie, nach dessen Richtlinien rund 40 Prozent des Rind- und Schweinefleischs erzeugt werden.

Mit einem eigenen „Tierwohl-Siegel“ arbeitet in Österreich nur „zurück zum Ursprung“, die Biomarke von Hofer, bei Rindfleisch, Eiern und Geflügel. Und das seit Kurzem. Die Kriterien dafür stammen vom Verein gegen Tierfabriken und dem Wiener Tierschutzverein.

Hofer könnte bald Nachahmer bekommen. Seit dem vergangenen Herbst werden den Bauern im Rahmen des Agrarumweltprogrammes spezielle Förderungen angeboten, wenn sie sich verpflichten, den Tieren mehr Platz zu bieten und auf den Liegeflächen Einstreu zu verwenden. Bei Schweinen etwa macht das sechs bis sieben Euro je Tier aus. Ergänzend dazu bietet die AMA-Marketing seit Kurzem als Erweiterung des AMA-Gütesiegels Schweinehaltern ein sogenanntes „Modul Tierwohl“. Es schreibt den Bauern vor, den Schweinen um 60 Prozent mehr Platz als gesetzlich verlangt, eingestreute Liegeflächen und Spielmaterial zu bieten. Schon bald soll es das Modul auch für Mastrinder und Geflügel geben. „Da ist Potenzial drinnen“, sagt Martin Gressl, Qualitätsmanager der AMA-Marketing. „Die Differenzierung hilft den Bauern, die Wertschöpfung zu erhöhen.“ Das Interesse ist groß. Bei der AMA-Marketing spricht man von 900 Interessenten für das neue Gütesiegel-Modul. Für die Agrar-Umwelt-Maßnahme haben sich mehr als 1000 Schweinehalter und mehr als 2500 Rinderhalter angemeldet.

Das überrascht nicht. Angesichts der gedrückten Preissituation suchen die Bauern nach besseren Verwertungsmöglichkeiten. Allerorten schießen seit einigen Jahren eigene Spezial- und Regionalprogramme aus dem Boden. Es gibt zahllose Varianten. Neben der Herkunft stehen dabei Fütterung und Tierwohl meist im Mittelpunkt. Ein „Salzburger Jungrind“ oder ein „Tullnerfelder Schwein“ verkauft sich eben besser als ein No-Name-Rind oder -Schwein, das nur den gesetzlichen Vorschriften entsprechend gemästet wurde. Viele Beobachter sehen diese Programme als künftige dritte Schiene auf dem Markt zwischen konventionell erzeugter Ware und Biofleisch, dessen Marktanteil wegen der sehr hohen Preise bei nicht mehr als zwei Prozent liegt. Grundlage für die Programme ist zumeist das AMA-Gütesiegel, das Herkunft, Haltungsform, tierärztliche Betreuung und andere Qualitätsparameter sowie einen offiziellen Rahmen garantiert. Aufbauend darauf versucht man sich mit speziellen Haltungs-, Fütterungs- und Herkunftsvorschriften von der Konkurrenz abzuheben. Zuweilen arbeitet man dabei mit Nichtregierungsorganisationen und Tierschutzorganisationen zusammen, für die das ein Geschäft ist.

Auf solche Programme, hinter denen zumeist Handelsketten und bäuerliche Gruppierungen stehen, entfallen mittlerweile Schätzungen zufolge rund 15 Prozent des heimischen Marktes. Bei Rindfleisch begleitet die AMA-Marketing mit den Qualitätssicherungssystemen bereits 62 unterschiedliche Regional- und Markenprogramme. Bei Schweinefleisch sind es 20. „Tendenz stark steigend“, heißt es. Erst jüngst sorgte die Marke „FairHof“ der Handelskette Hofer und des oberösterreichischen Fleischverarbeiters Hütthaler für Aufsehen. Dabei müssen die Bauern den Schweinen doppelt so viel Platz wie gesetzlich vorgesehen und Auslauf ins Freie bieten, dürfen nur heimisches Futter und gentechnikfreies Soja verwenden. Dafür verspricht man den Landwirten einen um rund 30 Prozent besseren Preis.

In den Verbänden der Erzeuger beobachtet man die Entwicklung nicht nur wegen des rasant wachsenden Gütesiegel-Dschungels mit Zurückhaltung. „Manche machen das eher zur Behübschung ihres Sortiments“, sagt Johann Schlederer von der österreichischen Schweinebörse. Auch wenn den Bauern mehr bezahlt werde, sei der wirtschaftliche Anreiz oft sehr bescheiden, „weil die zusätzlichen Kosten nicht immer gedeckt sind“.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 30. Jänner 2017

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