Am kommenden Freitag beginnt mit der Angelobung von Donald
Trump als 45. Präsident der Vereinigten Staaten wohl eine neue Zeitrechnung.
Und das nicht alleine, weil da offenbar einer per 140 Twitter-Zeichen die Welt
regieren will. Erst zu Beginn dieser Woche sorgte der Milliardär mit dem ersten
großen Interview für eine deutsche Zeitung für Kopfschütteln. Die Nato sei
"obsolet" ließ er wissen, den deutschen Autobauern stellte er
Strafzölle in Aussicht und zum Brexit meinte er, dass der sich "letztendlich
als großartige Sache" herausstellen werde. Dass er die Flüchtlingspolitik
der deutschen Kanzlerin Merkel als katastrophalen Fehler bezeichnete, war da
noch die einzige Aussage, die noch am ehesten ins gewohnte Politsprech-Spektrum
passte
Seit Wochen erschreckt der künftige Präsident mit solchen
und ähnlichen Äußerungen die Welt. Und das nicht nur die Welt der Politik. Auch
in der Wirtschaft haben längst viele Fracksausen und in der Kultur. Ungeniert
und scheinbar ohne alle Rücksichten trägt er seine Einschätzungen zur Schau,
kanzelt Politiker, Wirtschaftskapitäne, Journalisten und Schauspieler ab und
installiert ein Kabinett von milliardenschweren Günstlingen, inklusive seinem
Schwiegersohn als Chefberater.
Unglaubliches geschieht vor den Augen der Welt - und alle
müssen hilflos und staunend zuschauen, wie sich da ein Mann einen ganzen Staat
unter den Nagel und möglicherweise die ganze Nachkriegsordnung in den Abgrund
reißt. Dabei Trump ist auf demokratischem Weg ins Amt gekommen, ohne
Staatsstreich, ohne Gesetze zu brechen, auf dem Weg, wie die Verfassung der USA
das vorsieht. Da kann man ihm nichts vorwerfen.
Genau darüber freilich sollte man dringend reden. Denn bei
all den Diskussionen und in all den Erklärungen ist eine der Ursachen dafür,
dass jemand wie Trump ans Ruder einer Weltmacht kommt, unterbelichtet. Warum
kann eine Verfassung, wie jene der Vereinigten Staaten, warum kann das
Wahlsystem, das dort angewendet wird, nicht davor schützen? Sind es zu
nachlässige und zu blauäugige Vorschriften, die selbst Leuten mit kruden
Weltbild und ohne jede Qualifikation den Zugang zu einem der
verantwortungsvollsten Ämter der Welt ermöglichen? Die das System im Nu auf den
Kopf stellen und die Weltordnung gefährden können, ohne auch nur irgendein
Gesetz gebrochen zu haben? Darf eine Demokratie so leichtsinnig konstruiert
sein?
Und weil in diesen Tagen hierzulande so viel über eine
Reform des Wahlrechts geredet wird - auch das Wahlrecht in den USA trug ganz
wesentlich dazu bei, dass Donald Trump und nicht Hillary Clinton ins Amt kommt.
Denn ein Mehrheitswahlsystem war es, das Trump den Sieg verschaffte, obwohl
Clinton mehr Stimmen auf sich vereinigen konnte.
Und es sei daran erinnert, dass das, was jetzt an der von
Trump in Anspruch genommenen Machtfülle so irritiert, auch in Österreich im
Kampf um das Bundespräsidentenamt für Bauchweh sorgte. "Sie werden noch
staunen, was alles möglich ist", sagte der FP-Kandidat Norbert Hofer und
legte die Schwächen der österreichischen Verfassung bloß. Staunend musste man
erkennen, was selbst einem österreichischen Bundespräsidenten alles möglich ist
in diesem Land, wenn er sich zwar an den Buchstaben des Gesetzes hält, nicht
aber an die Konventionen und Gepflogenheiten, die mit diesem Amt verbunden
sind.
Nach Trump ist eine Diskussion darüber fällig und über die
Qualität der Demokratie und darüber, ob sie nicht allzu großzügig angelegt ist
und sich damit leichtfertig selbst gefährdet. Das ist fraglos ein heikles und
gefährliches Terrain. Aber es ist an der Zeit, darüber zu reden.
Nur die dümmsten Kälber suchen sich ihre Schlächter selber,
heißt ein Sprichwort. Es drängt sich bei den Vorgängen in den USA und anderswo
unwillkürlich auf. Man sollte darüber zumindest nachdenken. Und man sollte auch
nachjustieren. Ehe noch mehr passiert.
Derzeit kann man nur hoffen, dass die Demokratie stark genug
ist, auch mit einem wie Trump fertig zu werden.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 19. Jänner 2017
Ich halte den Kommentar für sachlich richtig. Auch der Hinweis bezüglich der dummen Kälber ist berechtigt. Gilt auch für unser Land!
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