Donnerstag, 26. Januar 2017
Lernen von Trump
Es ist nur ein Beispiel. Wenn es heuer nicht mehr gelingt, aus den Vorschlägen der vor zwei Jahren eingerichteten "Taskforce Agrarmärkte" Nägel mit Köpfen zu machen, dann ist der Zug für eine Umsetzung von Maßnahmen, die den Bauern nachhaltig aus der Preiskrise helfen sollen, in dieser Budget-und Wahlperiode gelaufen. Denn dann wird die Zeit zu kurz, in der Kommission und im EU-Parlament und in Gruppen, Ausschüssen und Plenumsversammlungen alles Nötige zu beschließen. "Dann geht erst nach 2020 wieder etwas", sagen Experten, die sich im Brüsseler Getriebe auskennen.
Ob das dann den Bauern noch viel hilft, und ob nicht bis dahin gerade die, die die Hilfe am nötigsten gehabt hätten, längst untergegangen sind, sei dahingestellt. In jedem Fall ist es ein Beispiel dafür, woran das gemeinsame Europa und die gemeinsame europäische Politik leidet. Und es steht für vieles von dem, was den Europäern die Europapolitik verleidet und was die Europäische Union und Europa bei seiner Bevölkerung so sehr in Misskredit gebracht hat, sodass inzwischen die Union vielen als ernsthaft gefährdet gilt.
Ein ganzer Kontinent hat das Tempo verloren, scheint aus dem Takt gekommen und ohne Ziele. Und das angesichts der neuen weltpolitischen Konstellation zum völlig falschen Zeitpunkt. Eitel mit sich selbst beschäftigt, der Beschau des eigenen Nabels und der Pflege der eigenen Befindlichkeiten, ist man in den vergangenen Jahren ins Abseits geraten. Das gilt in wirtschaftlicher genauso wie in politischer Hinsicht. Man hat sich in Nebensächlichkeiten verbraucht und hat viele der großen Linien verloren. Verfangen in Kleinkariertheit und Bürokratie ist man unfähig zu effektiven Lösungen, schon gar nicht zu raschen. Mit der Wirtschaft hat man Probleme und mit den Flüchtlingen. Und es könnten noch ganz andere werden.
Europa muss Geschlossenheit und Tempo wieder finden, will es nicht im Weltstrudel untergehen -auf der einen Seite Trumps Amerika, das die Europa untreu gewordenen Briten ködert, auf der anderen Seite ein immer machtbewussteres Russland. Die Führer dieser beiden Blöcke ticken ähnlich. Vor allem ist ihre Politik sehr zielorientiert. Da werden Ziele nicht zerredet, sondern schnell umgesetzt, da wird nicht lange gefackelt, schon gar nicht so lange, wie das in Europa üblich geworden ist.
Spätestens jetzt sollte all denen, die oft so lustvoll an Europa herummäkeln oder gar an seiner Zerstörung arbeiten, klar sein, dass ein Zusammenrücken des alten Kontinents die bessere Alternative ist, um dem, was da auf die Welt zukommen kann, Paroli bieten zu können.
Das politische Europa hat Verantwortung nicht nur für die mehr als 300 Millionen Menschen, die hier leben, es hat auch Verantwortung für die Welt. Othmar Karas, Österreichs ranghöchstem Mitglied des EU-Parlaments, ist nur beizupflichten, wenn er fordert, die Europäische Union "handlungsfähiger" zu machen, das Miteinander stärken und zur politischen Union weiterzuentwickeln. Die Europäische Union müsse schnell einen Dialog über ihre Rolle als Global Player starten. Der Europapolitiker sieht die Union in einer großen Verantwortung. "Sie ist nun der einzige Anwalt für eine wertorientierte offene Gesellschaft". Das gilt für die Demokratie genauso, wie für die Gleichstellung der Frauen und alles dazwischen, was in den vergangenen Jahrzehnten errungen wurde und unser Leben ausmacht.
Genau diese Verantwortung kam in den vergangenen Jahren angesichts der Wirtschaftskrisen und des Flüchtlingsstroms aus dem Nahen Osten, Afrika und Asien unter Druck.
Die Inaugurationsrede von Donald Trump am vergangenen Freitag, die weltweit für Staunen und Verwunderung sorgte, sollte Europa wachrütteln. Da droht Ungemach aus Übersee, das den Druck auf die Union und das gemeinsame Europa bis zum Brechen erhöhen kann, der über Jahrzehnte aufgebaute Strukturen zerstören kann, die unser Sicherheit garantierten und unseren Wohlstand.
Europa muss darauf eine Antwort finden und seine Handlungsfähigkeit zurückgewinnen, will es nicht zerrieben werden. Es könnte dabei durchaus auch Anleihen beim neuen US-Präsidenten nehmen. Etwa, sich der eigenen Stärken zu besinnen. Denn die Antwort liegt auf der Hand, ist aber eine große Hausforderung: "Make Europe great again". Das freilich auf die eigene Art.
Denn sonst machen es andere auf die Trump-Art.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 26. Jänner 2017
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