Mittwoch, 13. Dezember 2017
Agrarreform wird Bauern fordern
Die EU will Verantwortung abgeben. Die Länder geraten stärker in die Pflicht.
Hans Gmeiner
Salzburg. Soeben haben die Bauern mit der letzten EU-Agrarreform, die vor drei Jahren in Kraft getreten ist, umzugehen gelernt, da wirft schon die nächste ihre Schatten voraus. Kürzlich stellte EU-Agrarkommissar Phil Hogan die Eckpunkte der EU-Agrarpolitik nach 2020 vor. Er will den Mitgliedsstaaten mehr Spielraum und damit auch mehr Verantwortung bei der Gestaltung der Agrarpolitik geben. Nach dem Vorliegen des EU-Finanzplans für die nächste Budgetperiode will der Kommissar noch vor dem Sommer 2018 konkrete Gesetzesvorschläge präsentieren. Doch bei den heimischen Agrariern herrscht bereits jetzt Hochspannung.
Für die österreichischen Landwirte geht es nicht nur um die Vorgaben für ihre Arbeit, sondern vor allem auch ums Geld. Der Brexit liegt schon jetzt wie ein Schatten über allen Plänen. Man befürchtet, dass für die Gemeinsame Agrarpolitik weniger Geld zur Verfügung stehen wird, und macht sich Sorgen, weil dem gemeinsamen Markt Millionen an Kunden verloren gehen.
Im Kern geht es EU-Kommissar Hogan darum, dass die Agrarpolitik besser auf die sehr unterschiedlichen Bedürfnisse der Bauern und der Umwelt zwischen Lappland und Sizilien abgestimmt werden kann. In Bereichen wie Klima und Umwelt soll demnach die Kommission in Zukunft nur mehr die Ziele und Prioritäten vorgeben. Erreicht werden sollen sie auf Basis von Strategieplänen, die von Mitgliedsstaaten selbst erarbeitet werden. Kontrolliert werden soll nicht mehr die Einhaltung der Maßnahmen, sondern die Erreichung der Ziele. Das sogenannte Greening, mit dem die Landwirtschaft bisher Umweltzielen folgte, ist damit Geschichte. „Es war zu kompliziert und hat nicht funktioniert“, sagt Hogan.
Grundsätzlich beibehalten wird der Zwei-Säulen-Aufbau mit Direktzahlungen an die Bauern, die aus der ersten Säule kommen, und mit Abgeltungen für Maßnahmen im Bereich der Ländlichen Entwicklung aus der zweiten Säule. Sie sollen auch weiterhin von den Mitgliedsstaaten kofinanziert werden können. Dazu gehören Umwelt-und Bioprogramme, die Bergbauernförderung, aber auch die Unterstützung für die Jungbauern und die Investitionsförderung. Möglich werden sollen in Zukunft bei den Förderungen eine degressive Staffelung nach Betriebsgrößen und das Einziehen einer Obergrenze.
Mehr Bedeutung will die EU in Zukunft dem Einsatz neuer Technologien, der Stärkung der Zusammenarbeit mit Landwirten entlang der Lebensmittelkette vom Feld bis auf den Küchentisch und dem Schutz der Bauern vor Preisschwankungen, Marktkrisen und Wetterextremen geben.
Für Diskussionen sorgt insbesondere die Verlagerung der Verantwortung auf die Mitgliedsstaaten. Sie könnte zu einer Renationalisierung der EU-Agrarpolitik führen, wird befürchtet. Thema ist auch die Angleichung der Hektarprämien. Und umstritten ist die Obergrenze für die Förderungen. Während Länder wie Deutschland diese am liebsten verhindern würden, können sich österreichische Agrarier, wie der oberösterreichische Landwirtschaftskammerpräsident Franz Reisecker, eine Obergrenze von 100.000 Euro je Betrieb und eine Degression der Förderungen ab 50 Hektar Fläche vorstellen. Reisecker ist als Vizechef des europäischen Bauernverbandes Copa ranghöchster Bauernvertreter Österreichs in Brüssel.
Auch wenn Details noch offen sind, zeigt man sich in der Landwirtschaft insgesamt zufrieden. „Das ist keine Revolution, sondern eine Evolution mit guten Ansätzen“, sagen Reisecker und der oberösterreichische Agrarlandesrat Max Hiegelsberger. Auch Franz Sinabell, Agrarexperte im Wirtschaftsforschungsinstitut, sieht den Vorschlag positiv. „Wesentliche Punkte wie das Verteilungsproblem, der Umweltbereich oder die Themen Innovation und Volatilität wurden direkt angesprochen.“ Skeptisch ist er freilich, dass sich die Bauern in Zukunft mit weniger Bürokratie herumschlagen müssen. „Das wird wohl eher noch komplizierter.“ Und auch wirtschaftlich werde es für die Bauern nicht einfacher. „Die Anforderungen werden nicht geringer, es wird zunehmend enger.“
Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 13. Dezember 2017
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