Donnerstag, 21. Dezember 2017

Was für ein Jahr!



Zu Beginn dieses Jahres glaubte der damals amtierende Kanzler mit seinem sogenannten Plan A neue Maßstäbe zu setzen und seine Macht auszubauen, während sich der Koalitionspartner in einer tiefen Krise wand und vor dem Abrutschen in der Wählergunst auf weniger als 20 Prozent der Stimmen zitterte.

Zum Ende dieses Jahres schritt just ein Proponent dieser damaligen Oppositionspartei über den roten Teppich in der Hofburg zur Angelobung als Bundeskanzler. Seinem Vorgänger hingegen blieb nichts mehr anderes, als zu sagen, dass er es gut fände, "wenn diese Regierung auch Erfolg hat". Jetzt ist es seine Partei, die sich in Krisen windet und gegen die 20 Prozent-Grenze ankämpft.

Ist damit das Jahr 2017 das Jahr der Wende in Österreich? Ist das die Abkehr von der Politik der vergangenen Jahre und Jahrzehnte? Das Verlassen der bekannten, mitunter ausgelatschten Wege? Ein Aufbruch in eine neue Richtung? Der Schnitt, auf den so viele in diesem Land warteten, und vor dem sich so viele in diesem Land fürchteten? Die kommenden Jahre werden es zeigen. Zumindest die Stammtische dürften fürs Erste befriedigt sein.

Jedenfalls war 2017 das Jahr, in dem sich die heimische Innenpolitik gehäutet hat. In dem vieles aufbrach und nach dem nur mehr wenig so ist wie vor einem Jahr. Gewichte haben sich verschoben, vieles wurde aufgegeben, woran man oft viel zu lange festhielt. Plötzlich scheint möglich, was vor gar nicht langer Zeit undenkbar war.

Das wird greifbar alleine daran, dass ein ehemaliger Proponent der Grünen als Bundespräsident einen christdemokratischen, gerade einmal 31 Jahre alten, unverheirateten Bundeskanzler, der mit seiner Freundin an der Hand zur Angelobung kommt, zum Regierungschef ernennt. Undenkbar noch vor kurzem, zumal in konservativen Kreisen. Und auch, dass es der neue Kanzler wagt, diese Aufgabe mit einem Kabinett anzugehen, in dem bis auf ihn selbst kein einziges Mitglied über Regierungserfahrung verfügt, in dem fünf davon sogar echte Quereinsteiger sind ohne jede politische Erfahrung. Das hat es in Österreich noch nicht gegeben.

Möglich machte das wohl auch der Generationenwechsel vor allem in der ÖVP. Landesfürsten wie Erwin Pröll und Josef Pühringer sind in diesem Jahr zurückgetreten, Christoph Leitl gibt seine Ämter in Wirtschaftsbund und Wirtschaftskammer ab, Bauernbundpräsident Jakob Auer zog sich zurück und auch Arbeiterkammer-Chef Rudolf Kaske hat seinen Abgang bereits angekündigt. Damit kam und kommt auch ein anderer politischer Stil. Damit wurden neue Wege frei. Mit einem Mal scheint möglich, was lange unmöglich schien.

Abgesehen davon hat sich auch die Parteienlandschaft tiefgreifend verändert. Das Team Stronach ist endgültig Geschichte. Die Grünen kannibalisierten sich und flogen aus dem Nationalrat. Schaffen sie den Weg zurück? Wird es ihnen gelingen, sich wieder zu konsolidieren? Was wird mit den Pilz-Leuten?

Spannend wird, wie es mit der ÖVP, die sich derzeit im Sieg suhlt, wirklich weitergeht. Böse Stimmen reden ja sogar davon, dass es die Bundes-ÖVP gar nicht mehr gibt. "Die ÖVP ist aus der Regierung geflogen", ätzt man und "Sebastian Kurz hat bei der Regierungsbildung einmal mehr auf die Partei gepfiffen". Nur mit Mühe unterdrückten manche VP-Granden in den Ländern in den vergangenen Tagen ihre Verärgerung.

Spannend wird auch, wie die FPÖ als klassische Oppositionspartei mit ihrer neuen Rolle fertig wird. Immerhin dreimal schon hat es die Partei dabei zerrissen, wenn sie in der Regierung war.

Und spannend wird auch, wie sich die SPÖ in ihrer neuen Rolle findet. Mit einem Mal werden überall die Baustellen sichtbar. Von Wien über Oberösterreich bis nach Salzburg und darüber hinaus. Und, was können die Neos aus ihrer neuen Position machen? Mehr als bitzeln? Oder schaffen sie es, doch zu einem ernst zu nehmenden Partner zu werden. Ansätze dazu gibt es. Immerhin.

In einem Jahr wird man mehr wissen. Dem Land und seinen Bewohnerinnen und Bewohnern, "allen, die in Österreich leben", wie Bundespräsident Van der Bellen bei der Angelobung der neuen Regierung am Montag dieser Woche extra betonte, ist jedenfalls vor diesem Hintergrund ein gutes neues Jahr zu wünschen.

Klar ist, es braucht Veränderung. Das freilich nicht nur in der Politik, sondern auch in den Köpfen und Herzen der Menschen. Denn das ist die allererste Voraussetzung dafür.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 21. Dezember 2017

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