Donnerstag, 14. Dezember 2017
Gelassenheit ist angebracht
Die Aufregung war eine große. Wieder einmal. Von "Lohnraub" war die Rede, von "moderner Sklaverei" und von vielem anderen mehr. Durch die sozialen Medien im Land fegte ein Shitstorm der Empörung. Man wollte und will kein gutes Haar lassen am Plan der nächsten Regierung, eine Ausweitung der Tagesarbeitszeit auf 12 Stunden zu ermöglichen und an vielem anderen auch.
Wie aufgeregt darf man sein, wenn die Politik, zumal wenn Parteien, die die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler hinter sich haben, etwas verändern wollen? Wenn sie nichts anderes tun, als deren Erwartungen gerecht zu werden und deren Wünsche umzusetzen versuchen? Rechtfertigt das in den untersten Schubladen herumzukramen und sich so im Ton zu vergreifen? Darf man die Augen so verschließen und darf man ausschließlich die eigenen Interessen verfolgen ohne jede Rücksichtnahme?
In Österreich ist gerade in den vergangenen Jahren in Sachen politischer Diskussionskultur viel aus dem Lot geraten. Selten nur wurde miteinander geredet und wurden Standpunkte aus getauscht und versucht daraus das Beste zu machen. Um die Lösung, die eine Sache weiterbringen könnte, ging es immer seltener. Es gab immer öfter nur schwarz-weiß. Immer nur gut oder böse. Kaum je aber etwas dazwischen. Und wenn, dann war es verächtliche Bosheit. Der Kompromiss, jahrzehntelang der Dämmstoff allen gesellschaftlichen Zusammenlebens, geriet in Verruf und auch der Respekt voreinander.
Der Kampf am Boulevard hat diese Entwicklung dramatisch befeuert, die sozialen Medien auch und auch die personelle Besetzung der politischen Schaltstellen. In Österreich hat man den politischen Diskurs verlernt. Und darüber ist viel aus den Fugen geraten. So viel, dass der Handlungsbedarf jetzt enorm groß geworden ist, dass viele Menschen genug haben davon, wie es läuft, dass sie sich immer öfter gegängelt fühlen, benutzt und auf der falschen Seite. Und dass sie einen immer dringenderen Handlungsbedarf sahen.
Es hat Jahre gedauert, bis dieser Ärger, diese Ängste und diese Sorgen mehrheitsfähig waren. Nun sind sie es geworden bei den letzten Wahlen. Das zu akzeptieren fällt freilich denen schwer, die selbst jahrzehntelang an den Schalthebeln der Macht in diesem Land waren. Sie haben es in der Hand gehabt, genau das zu verhindern, was ihnen jetzt solchen Schmerz bereitet, schafften es aber nicht und wurden wohl deswegen abgewählt. Ihre Verärgerung und ihr Schmerz sind verständlich, nicht verständlich aber ist, dass sie dabei jedes Augenmaß verlieren. Denn die Reaktionen heißen auch, dass sie keinen Respekt vor den Menschen haben, für die es in diesem Land aus den oben genannten Gründen unerträglich geworden ist.
Dabei ist das, was wir bei den Wahlen erlebten und was wir seither erleben, nur Demokratie und nichts anderes. So ist Demokratie und sie ist eben zuweilen schwierig, wenn man nicht auf der Seite der Mehrheit steht. Freilich steht jedem frei, die Politiker unsympathisch und unfähig zu finden, die sich nun anschicken, eine neue Regierung zu bilden und möglicherweise unangenehme Maßnahmen zu setzen. Die Mehrheit hält das jetzt für gut, was geplant wird. Ob es auch wirklich gut ist, steht auf einem anderen Blatt. Freilich, man kann und muss man sich auch kritisch mit dem auseinandersetzen, was jetzt gemacht und geplant wird. Aber es sind dennoch in jedem Fall Sachlichkeit einzumahnen und Respekt. Und auch Gelassenheit. Aber jetzt ist es einmal so wie es ist.
Schlimmer als all die Veränderungen, die jetzt so heftig diskutiert und kritisiert werden, wäre es, wenn es keine Veränderungen gäbe. Dass man das nun versucht, ist zu akzeptieren, auch wenn es weh tut und wenn man es für falsch und für rückschrittlich hält. Keine neuen Vorschläge und keinen neue Wege, die man zu gehen versucht. Von denen, die sich nun ans Regieren machen, ist allenfalls einzufordern, dass sie auf die Rücksicht nehmen, die sie nicht wählten.
Es kommen wohl auch wieder andere Zeiten. Das Pendel wird auch wieder in die andere Richtung ausschlagen. Auch die kommende Regierung, die nun so vielen Hoffnung macht und auch Angst, wird Fehler machen. Es wird Probleme geben und Abnützungserscheinungen. Und es wird eine neue Chance geben für all die, die jetzt meinen, die Welt gehe unter.
So wie es diese Chance für die gegeben hat, die jetzt am Ruder sind -und die bisher geglaubt haben, die Welt gehe unter.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 14. Dezember 2017
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen