Das „schlechteste Ergebnis der vergangenen fünf Jahre“ legte der Zucker-, Stärke- und Fruchtverarbeitungskonzern Agrana vor. Die Preise und ein gefräßiger Käfer sorgen in der Zuckersparte für Probleme.
Hans Gmeiner Wien. In der Zuckersparte der Agrana geht es langsam ans Eingemachte. Zum Verfall der Zuckerpreise nach dem Ende der EU-Zuckermarktordnung und der Freigabe des Zuckermarkts kamen die Probleme mit dem Rübenderbrüssler, einem Käfer, dessen Fresslust im Vorjahr fast ein Viertel der Anbaufläche in Österreich zum Opfer fiel. Das ließ den Umsatz von Agrana abstürzen. Nach 652,5 Mill. Euro im Jahr zuvor erreichte man im abgelaufenen Geschäftsjahr bei Zucker einen Umsatz von gerade einmal 501,2 Mill. Euro, 23,2 Prozent weniger als vor Jahresfrist. Das Ergebnis drehte sich von plus 34,8 Mill. Euro zu einem Minus von 61,9 Mill. Euro.
Die einstige Vorzeigesparte steuert nur mehr 20,5 Prozent zum Gesamtumsatz bei. Derzeit verarbeitet der Konzern an insgesamt neun Standorten in Österreich, Tschechien, Ungarn, der Slowakei, Rumänien und Bosnien-Herzegowina Zuckerrüben und raffiniert Rohrzucker, den man weltweit einkauft. Besonders prekär ist die Lage in Österreich. Von knapp 51.000 Hektar 2013 verringerte sich die Zuckerrübenanbaufläche innerhalb von nur sechs Jahren wegen der schlechten Preise, der Käferprobleme und der zunehmenden Beschränkungen im Pflanzenschutz auf heuer gerade einmal gut 28.000 Hektar. Für die Auslastung der beiden österreichischen Fabriken in Tulln und in Leopoldsdorf in Niederösterreich ist das auf lange Sicht zu wenig. Dafür sind nach Angaben von Agrana-Generaldirektor Johann Marihart rund 42.000 Hektar notwendig. Für Agrana-Finanzvorstand Stephan Büttner ist klar: „Bei Zucker müssen wir uns etwas einfallen lassen.“ Bereits seit dem Vorjahr, als der Rübenderbrüssler mehr als 10.000 Hektar Rübenfläche kahl fraß, gibt es immer wieder Gerüchte um die geplante Schließung der Fabrik in Leopoldsdorf und eine Konzentration der Produktion in Tulln. Am Montag wollte sich Marihart bei der Präsentation der Bilanz nicht auf Spekulationen einlassen. Er bestätigte lediglich, dass bei der heurigen Rübenkampagne jedenfalls beide Fabriken arbeiten würden, fügte aber hinzu, dass „die weitere Vorgangsweise von der Entwicklung der Anbaufläche abhängen“ werde.
Die Agrana bemüht sich, die Rübenbauern bei der Stange zu halten, übernahm etwa die Saatgutkosten und stellte zudem 80.000 sogenannte Pheromonfallen zur Verfügung. Dabei handelt es sich um Kübel, in denen die Käfer gefangen werden können. Zudem versucht man Optimismus zu verbreiten. „Wir hoffen, auf dem Zuckermarkt den Tiefpunkt überwunden zu haben“, sagen Marihart und der für Rohstoffe zuständige Vorstand Fritz Gattermayer.
Die schlechten Preise haben inzwischen auch den Stärkebereich „angesteckt“, wie Marihart es nannte. Dort leiden Produkte wie Isoglucose, ein Zuckerersatz aus Mais, auch Ethanol ist unter Druck. Agrana konnte beim Umsatz im Stärkebereich zwar um 1,4 Prozent auf 762,7 Mill. Euro zulegen, musste aber auch in dieser Sparte mit 51,2 Mill. Euro (ein Minus von 36,2 Prozent) eine deutliche Ergebnisverschlechterung hinnehmen. Freude machte im Vorjahr einzig die Fruchtsparte, auf die inzwischen 48,3 Prozent des Konzernumsatzes entfallen. Der Umsatz in diesem Segment legte um 1,5 Prozent auf 1,179 Mrd. Euro zu, das Ergebnis erhöhte sich um 2,2 Prozent auf 77,3 Mill. Euro. Verantwortlich dafür war vor allem die positive Entwicklung bei Fruchtsaftkonzentraten.
Unterm Strich ergeben all diese Zahlen das „schlechteste Ergebnis der vergangenen fünf Jahre“, wie es Büttner ungeschminkt formulierte. Mit insgesamt 2,44 Mrd. Euro gab es beim Umsatz ein Minus von 4,8 Prozent, mit 66,6 Mill. Euro lag das Ergebnis um 65,1 Prozent niedriger als im Jahr zuvor. Auch die Aktionäre bekommen das zu spüren. Für sie gibt es eine Kürzung der Dividende von zuletzt 1,125 Euro pro Aktie auf 1 Euro je Anteilschein.
Heuer solle es wieder besser werden, verspricht Konzernchef Marihart. „Unser Blick ist nach vorn gerichtet.“ Zwei Themen hat er dabei besonders im Visier: Die Erhöhung des Anteils von Bioethanol im Benzin auf zehn Prozent legt er der Politik als rasch wirksamen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele ans Herz. Große Erwartungen setzt Marihart darüber hinaus in thermoplastische Stärke als Grundlage für kompostierbare Plastikersatzprodukte.
Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 14. Mai 2019
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